papaya hat geschrieben: ↑Montag, 19. September 2022, 11:40:10
… Wenn er eine Notlage geraten wäre, könnte das mE auch bei Scarlett der Fall gewesen sein.
Freilich. Doch im Wehratal wird m. E. die Lösung kaum zu finden sein, zumal mehr als zwei Jahre dort vergeblich gesucht wurde.
Deshalb hatte ich die Geruchsspuren in Todtmoos unter einem völlig neuen Blickwinkel neu thematisiert (
viewtopic.php?p=200988#p200988). Leider wollte sich darauf niemand einlassen. Gefragt sind vor allem diejenigen, die vor Ort Kenntnisse über die Suche mit den Mantrailern erlangt haben. Solange hierzu keine näheren Einzelheiten vorliegen, können sich daraus ergebende Gedanken nur Spekulation sein:
Was hätte Scarlett dazu bewegen können, vom Wanderparkplatz nach Todtmoos zurückzukehren und dann die Hohwehraschlucht hinaufzuwandern?
Sehr interessant erscheint folgender Vermisstenfall, der für den Fall Scarlett durchaus einige Lehren zu bieten hat:
Isabella (16) verließ am 22.03.2021 um die Mittagszeit in einem laut Polizei „auffälligen Gemütszustand“ ihr Elternhaus in Celle ohne Handy, Geldbörse, Ausweispapiere und Hausschlüssel. Mantrailer konnten ihre Spur bis auf den Parkplatz eines unweit gelegenen Einkaufszentrums verfolgen, wo die Spur plötzlich abbrach. Alle Ermittlungen verliefen über zwei Wochen ergebnislos. Rasch ging die Polizei von einem Gewaltverbrechen aus.
Tatsächlich aber war Isabella nach Paris gelangt, wo sie schon am 23.03.2021 Passanten um Hilfe gebeten hatte. Daraufhin wurde die französische Polizei hinzugezogen und das Mädchen, dessen wahre Identität unklar blieb, schließlich in einer Pflegefamilie untergebracht. Eine Anfrage der französischen Behörden beim BKA führte durch einen Zufall am 06.04.2021 dazu, dass die Celler Polizei das Mädchen in Paris dem Fall in Celle zuordnen konnte. Deutsche Ermittler reisten tags darauf zusammen mit Isabellas Vater nach Paris, wo dieser das Mädchen als Isabella identifizieren konnte.
Der Hintergrund: Isabella sei aufgewacht (in Paris?) und habe sich an „nichts“ mehr erinnern können, auch nicht an ihre Identität. Körperlich war sie wohlbehalten und unversehrt. Nach ihrer Rückkehr nach Celle wurde sie zur stationären Behandlung in einem Krankenhaus aufgenommen. Weitere Einzelheiten wurden zum Schutz des Persönlichkeitsrechts der minderjährigen Isabella nicht veröffentlicht. Den Medien vorenthalten blieben die Diagnose, was der Auslöser des Gedächtnisverlusts war, welchen Umfang und welche Zeitdauer dieser hatte und wie Isabella nach Paris gelangt war. Die Polizei jedenfalls ermittelte weiter und fand keinerlei Anzeichen einer Straftat.
Zu diesem Fall gibt es im HET einen Thread, zu dem allerdings nur angemeldete Foristen Zugang haben:
Vermisstenfall Isabella, Celle (geklärt).
Aufmerksamkeit erregt zunächst die Geruchsspur vom Elternhaus zum Parkplatz des Einkaufszentrums. Die Polizei hatte den genauen Verlauf der Spur in einem Ausschnitt des Celler Stadtplans kartografiert. Diese
Grafik wurde veröffentlicht, u. a. in einem
Artikel vom 25.03.2021 bei Tag24 (Laufrichtung von rechts oben nach links unten).
Auffällig ist, dass hier die Mantrailer offenkundig jedem Schlenker und jedem Umweg Isabellas genauestens gefolgt sind – und nicht etwa an Kreuzungspunkten der Spur sofort auf die frischeste Spur wechselten, so wie es im Fall Scarlett immer wieder behauptet wird. Kann dazu jemand Auskunft geben? Werden Mantrailer-Teams in Niedersachsen anders ausgebildet? Gibt es unterschiedliche Schulungsmodelle?
Wie der Trailverlauf im Fall Isabella zeigt, fand sich Isabella auf der ihr vertrauten Wegstrecke vom Elternhaus zum Einkaufszentrum nicht mehr auf Anhieb zurecht. Erst nach mehrfachem Verlaufen fand sie halbwegs den Weg, schien aber dann am Einkaufszentrum umhergeirrt zu sein. Daraus lässt sich schließen, dass Isabella trotz des Gedächtnisverlusts immerhin noch Fragmente der Wegstrecke erinnern konnte.
Eine psychische Ausnahmesituation kann auch im Fall Scarlett nicht ganz ausgeschlossen werden. In dem XY-Beitrag schilderte Scarletts damaliger Freund eine gewisse unglückliche Verstimmtheit. Die StAin führte diesen Eindruck auf die technisch schlechte Verbindung zurück. Was von beidem nun zutraf, weiß niemand genau. Dass eine psychische Ausnahmesituation zu spontanem Gedächtnisverlust führen kann (z. B. zu einer dissoziativen Fugue), ist möglich, tritt aber eher selten auf. Ausgeschlossen ist dies nicht. Eine Diagnose zu mutmaßen, steht uns nicht zu und wäre zudem rein spekulativ.
Angenommen, Scarlett wäre kurz vor oder auf dem Wanderparkplatz in eine ähnliche Lage geraten, was dann? Weitreichende Folgen lägen nahe:
• keine Erinnerung an Ziel der Wanderung
• keine Erinnerung an Auto und dessen Standort
• keine Erinnerung an eigene Identität?
• PIN-Codes nicht erinnerlich
→ keine Handy-Entsperrung (falls PIN)
→ kein Abschalten des Flugmodus
→ kein Interesse, den Akku zu laden
→ Handy nie mehr im Mobilfunknetz
→ keine elektronischen Zahlungen
→ keine Abhebung am Geldautomaten
→ Bargeld nur begrenzt verfügbar
Die WhatsApp-Nachricht wäre auch von einem nicht entsperrten Handy empfangen worden, hätte aber nicht beantwortet werden können. Dass das Auto nicht mehr aufgesucht wurde und kein bargeldloser Zahlungsverkehr mehr erfolgte, würde sich plötzlich wie von selbst erklären.
Warum vom Wanderparkplatz per Mitfahrt nach Todtmoos? Vielleicht, weil sich Scarlett an den Ortsnamen oder den Ort als Ankerpunkt erinnern konnte; kein Weiterkommen zu Fuß ohne Navigationshilfe (kein Zugriff aufs Handy und auf „Maps.me“). Warum von dort in die Hohwehraschlucht? Vielleicht entstand eine fragmentale Erinnerung daran, dort schon einmal gewesen zu sein. Warum keine neuerliche Übernachtung in der Kirchberghütte? Womöglich keine Erinnerung an die Unterkunft. Das Zelt ermöglichte erst einmal ein Campieren in der „Wildnis“, auch wenn dies im Wald kein Vergnügen ist.
Bemerkenswert erscheint die Zeugensichtung im Restaurant des Hotels Maien am Abend des 12.09., zumal am Eingang des Hotels auch eine Geruchsspur von Scarlett gefunden worden sein soll. Diesen Hinweisen sei die Polizei nachgegangen, jedoch ohne Ergebnis. In Todtmoos kursierte das Gerücht, die Polizei habe das Hotel „durchsucht“. Das ist kaum realistisch, viel wahrscheinlicher hat die Polizei dort mit Einverständnis der Wirtsleute und Gäste eine sogenannte Nachschau gehalten, ohne Erfolg. Nach Angaben der Sichtungszeugin soll sich Scarlett in dem Hotel um ein Zimmer bemüht haben. Aus damaliger Ermittlungsperspektive erschien dies wenig plausibel. Da sich die Zeugin mit Scarlett unterhalten haben will, wäre unter der Annahme eines möglichen Gedächtnisverlusts der Gesprächsinhalt von größter Wichtigkeit.
Auch die angebliche Zeugensichtung am Sportplatz bei St. Blasien am 13.09. gegen 6 Uhr kommt in den Sinn. Meines Wissens konnte diese weder falsifiziert noch verifiziert werden – und erschien aus damaliger Sicht nicht plausibel. Unter der Annahme eines Gedächtnisverlusts läge der Fall anders. Welche nicht falsifizierten Zeugensichtungen gibt es noch in dieser Region?
Wie hätte sich Scarlett in einer derartigen, hilflosen Lage verhalten? Isabella hatte sich hilfesuchend an Passanten gewandt. Zu Scarlett fehlt mir jegliche objektivierbare Einschätzung. Ein „Hineinfühlen“, wovon der Volksmund spricht, gibt es nicht. Vorstellen kann ich mir eine Hinwendung Scarletts zu einer Region, in der sie schon einmal war, zu der fragmentale Erinnerungen existieren könnten. Dies spräche für den Bereich Ibach, St. Blasien und vielleicht auch Schluchsee. Wie sie sich aber ohne fremde Hilfe und mit zur Neige gehendem Bargeld hätte weiter durchschlagen können, bleibt ein Rätsel. Erlitt Scarlett dort einen Unfall, fand sie zunächst ein Unterkommen oder geriet sie an einen vermeintlichen Helfer, der die Situation ausnutzte? Ohne weitere (neue) Anhaltspunkte zu haben, begänne hier der Sumpf wilder Phantasie, den es zu meiden gilt.
Zunächst ist es unerlässlich, die Geruchsspuren in der Ortsmitte von Todtmoos näher zu untersuchen:
• Woraus ergibt sich, dass die DRK-Mantrailer an Kreuzungspunkten stets der frischesten Spur und nicht dem historisch exakten Weg folgen?
• Gibt es überhaupt einen unmittelbaren Kreuzungspunkt der Spuren – oder nur einen weiträumigeren Kreuzungsbereich?
• Wo genau liegt der Kreuzungspunkt der Geruchsspuren?
• Wie eng ist dieser Bereich begrenzt?
• Entlang welcher genauen Wegstrecken verlief die Suche (z. B. Straßenseite, Straßenquerung)?
Und: Immer noch ungeklärt ist die Geruchsspur am Busbahnhof Wehr, die möglicherweise im Widerspruch steht zu der Geruchsspur in der Hohwehraschlucht.