Hallo @Widasedumi und @7833 und alle Hobby-Ermittler und Leser. Danke für das Feedback, es freut mich wenn der Bericht nicht ungehört verhallt. Ich hatte in den ersten beiden Jahren nach diesem Mord so dermassen viel Zeit in Recherche in diesem Fall gesteckt - wovon ich nicht wirklich weiß, weshalb überhaupt und auch nicht ganz sicher bin, ob das so gesund ist, sich so intensiv mit derartiger Materie zu befassen. Und deshalb hatte ich auch das Gefühl, ich muss zu dem Prozess gehen, weil es sonst irgendwie alles keinen Abschluss hätte.
Und umso mehr freut es mich, wenn sich auch andere für diesen Fall interessieren und betroffen fühlen.
Glücklicherweise haben die 6½ Jahre die mittlerweile seit dem 11. Januar 2014 vergangen sind, bewirkt, dass das allgemeine Interesse als Zuschauer im Gerichtssaal zu sitzen, nicht mehr so ausgeprägt war - das Publikum bestand überwiegend aus Journalisten und Medienleuten (Kameraleute, Assistenten, Interviewern) und Gerichtspersonal - neben den 3 Richtern, dem Staatsanwalt, der Verteidigerin Catalin C.'s, dem Anwalt der Nebenklage, also der Eheleute Klobut, den 8 Geschworene waren noch jede Menge Besitzer, Auszubildende, Justizpersonal zum Bewachen des Angeklagten und zur Wahrung der ordnungsgemässen Ablaufs vor Ort - dass Justiz-Leute und Medien-Vertreter sicher 90% der Anwesenden ausmachten. Nicht zu vergessen auch, dass 5 Kriminalbeamten der Soko Erle zugegen waren, als Zuschauer, anders als erwartet traten sie im Prozess nicht als Zeugen auf. Einer von ihnen war der Herr Christian Bender, der im Freiburger Prozess ausführlich über die Sichtung der Kamerabänder der Autobahnraststätte bei Kufstein berichtet hatte, auf denen Catalin C knapp 45 Minuten nach der Tat zu sehen war, wie er mit einem Handtuch zur Dusche ging und der auch über die GoBox-Daten-Auswertung referiert hatte - Im Dez 2017 in Freiburg.
Dann waren, wie gesagt noch 6 Angehörige der Familie Klobut zugegen, an deren Sitzen Zettel mit Aufschrift "
französisches Konsulat" klebten - was bewirkte, das die Medienvertreter der Ansicht waren, die Familie sei gar nicht anwesend
. Schließlich noch knapp 10 Zuschauer aus dem Volk. Wir 0815-Leute kamen nur mit Platzkarten rein, die man am streng kontrollierten Haupteingang des Landesgerichts nach Reihenfolge des Erscheinens erhalten hatte. Ich kam gegen 7:40 (um 7:30 hatte das Gericht geöffnet) und bekam Karte #5. Gut daran war, dass man mit dem Erhalt der Platzkarte sicher gehen konnte, dass man auch wirklich zuschauen darf. Das war meine größte Sorge, dass ich die 600km umsonst gefahren sein könnte.
Bis gegen 8:30 war fast nichts los, dann kamen wie gesagt fast nur Medienleute. Das ORF war mit anfangs bestimmt 5 Leuten da, 2 davon blieben die ganze Zeit und schrieben eifrig mit in ihre Laptops. Dann zwei österreichische Sender namens "ATV" und "Servus TV" mit jeweils 2-3 Leuten, ein freier Sender aus München/Wien, der für RTL arbeitet, auch mit 3 Leuten, die ständig x-beliebige Leute interviewten, unter anderem auch mich
. Die "Tiroler Tageszeitung" ("tt.com" im Netz), die all die Jahre sehr ausführlich über den Fall berichtete hatte, war auch mit mindestens einem ihrer Journalisten zugegen.
Als um 9 Uhr Einlass war dauerte es nicht sehr lange bis auch der Angeklagte hineingeführt wurde - er trug ein hellblaues Sweatshirt und eine dunkelblaue Kordhose und hatte gegenüber 2017 deutlich an Kilos zugelegt, so dass er einen sozusagen abgerundeten Eindruck vermittelte. Als er von 3 muskulösen und mit Pistolen bewaffneten Justizbeamten flankiert rein geführt wurde, gab es ein grosses Blitzlichtgewitter, wo ihm etwa 7-12 Kameraleute aus etwa 1,5 bis 0,75 Meter Entfernung ihre mächtigen Kameraobjektive quasi direkt ins Gesicht hielten - das von einer einfachen grün-weissen Corona-Maske teil-verhüllt war. Man hätte direkt Mitleid empfinden können, wenn man den Anlass dieses Blitzlichtgewitters und des Zusammentreffens aller Anwesenden an diesem Ort nicht gekannt hätte.
Bei diesen Kameraleuten waren vermutlich auch Leute von größeren Gazetten wie SPIEGEL oder Focus zugegen oder der dpa. Weil es gab ja relativ viele Fotos von den Auftaktminuten des Prozess' heute und gestern in der Presse.
(Ein Satz noch zu den anwesenden Zuschauern: Ausser den 6 Familienmitgliedern meine ich, keine Freude/Bekannten von Lucile gesehen zu haben).
Der Grossteil der Kameraleute war dann aber auch gleich wieder aus dem Saal und so gegen 9:20 wurde die Verhandlung dann eröffnet.
Zunächst nahm der vorsitzende Richter Norbert Hofer Persönlichkeitsdaten des Angeklagten auf; Name, Alter, Familienstand, Berufstätigkeit, Einkommenverhältnisse samt etwaiger Kapitalanlagen - die aber offenbar nicht vorlagen. Da nahm relativ viel Zeit in Anspruch.
Er wurde auch gefragt, ob Vorstrafen vorlägen. Ich meine, das verneinte er zunächst völlig. Als nachgefragt wurde, ob es da nicht zufällig sowas wie eine Verurteilung wegen Mordes in Deutschland vorläge, meinte er, das sei ja nicht in Österreich gewesen und es gäbe ausserdem "nur" diese eine Angelegenheit. Die Fragen an ihn wurden immer von eine Dolmetscherin übersetzt. Die Antworten Catalin C's waren üblicherweise recht kurz und schlicht. Allerdings antwortetet er in diesem Prozess deutlich häufiger als im Freiburger - wo er immer nur sagte "ich weiss nicht "oder "ich erinnere mich nicht" oder "keine Angabe".
Was die Vorstrafen anging, wurde er später vom Richter noch gefragt, ob es nicht auch ein (eingestelltes) Verfahren wegen eines versuchten Tötungsgdelikts, einem Messerangriff auf eine Prostituierte, in Iasi/Rumänien von 2005, gäbe, wo er aber nicht verurteilt wurde. Das bejahte Catalin C, sagte aber, er habe aus Selbstverteidigung gehandelt.
Nach der Aufnahme der Personendaten und dem Exkurs mit den Vorstrafen, verlass der Staatsanwalt die Anklageschrift - bzw hielt eine frei-gehalten wirkende Rede, in der er den Tatablauf und das Resultat - die Ermordung von Lucile Klobut - schilderte. Ein erschütterndes Detail hier war die Aussage, dass der erste Schlag mit der 1,7kg schweren und 60cm langen Eisenstange gegen Lucile linke Schläfe so massiv und wuchtig war, dass er ihr nicht nur praktisch alle Knochen, die sich dort befinden, zertrümmerte, sondern nach Aussage des Staatsanwalt auch den Gesichtsschädel vom Hauptschädel abgetrennt hätte - was die Knochen angeht - und alle Elemente der linken Gesichtshälfte nach rechts verschoben hätte (!)
Da mag man sich besser nicht konkret bildlich vorstellen. Es folgte ein 2. Schlag, bei dem sie sehr wahrscheinlich schon am Boden der Innpromenade auf Höhe des Hausnummer 14 bei einer Sitzbank lag. Dass sie am Boden lag ergab sich aus Schürfverletzungen im Gesicht, die für Schläge, bei denen das Opfer schon wehrlos am Boden auf rauher Oberfläche liegt, typisch seien (Die letzten Details stammen allerdings aus dem Bericht der Gerichtsmedizinerin).
Auch erwähnte der Staatsanwalt, dass Lucile auf dem Weg zu zwei Freudinnen war, die auch an dem Erasmus-Austausch-Semester teilnahmen (Aysenur Ö und Elif B - Namen von mir - die in den 6 Monaten in Kufstein an diesem Kreisel an der Salurner Str 26 lebten, an dem auch später eine auffällige männliche Person die eine Zeitlang als der Täter angesehen wurde beobachtet worden). Sie chattet unentwegt über Facebook-Messanger mit Aysenur, außerdem versand sie in ihren letzten Lebensminuten noch ein Foto der dunklen Promenade an einen französischen engen Freund, wo sie sinngemäss dazu schrieb "
Es ist sehr dunkel und unheimlich hier". Um 23.48 sendete Aysenur ihre eine kurze Message, auf die Lucile dann erstmalig nicht mehr antwortete. Unter anderem deshalb wird angenommen, dass unmittelbar hier der tödliche Eisenstange-Attacke auf Lucile stattfand.
Der Staatsanwalt ging dann auf die beunruhigte Camille LC ein, die den im Nebenhaus wohnenden Hausvermieter Herrn R am Sonntag Morgen aufgelöst und unter Tränen wach klingelte und durch deren Sorge die Vermisstenanzeige seitens Hrn R aufgegeben wurde - Camille suchte seine Unterstützung unter anderem wegen ihrer nicht-so-guten Deutsch-Kenntnisse - und die Suche nach Lucile ausgelöst wurde, die gegen 10:50 Uhr am Sonntag morgen dem 12. Januar 2014 mit dem Fund von Lucile Leiche am Ufer des Inns hinter der Salurner Str 14 ihr trauriges baldiges Ende nahm.
Ebenfalls in die Suche und Vermisstenanzeige waren die französischen Kommilitonen Luciles namens Elodie D (aus der Nähe von Genf, in Lyon studierend auch am Erasmus Programm teilnehmend - und Quentin C aus Paris - persönliche Recherche, bestätigt durch Kommunikation mit der mit Krisenintervention bei den Klobuts und den Kommolitonen betrauten Sozialtherapeuten, hier ein
Foto das erstgenannte ein Jahr nach dem Mord öffentlich machte und Lucile am Vorabend es Mordes fröhlich in der Runde ihrer lieben Freunde in Kufstein zeigt.)
Weiter ging der Staatsanwalt in der Verlesung der Anklage auf die umfangreiche Beweislage ein, die Tatwaffe, die im Inn von Tauchern der Cobra-Einheit gefunden wurde, an der Blut von Lucile gefunden wurde - obwohl sie bereits mehrere Tage im kalten Inn gelegen war.
Dann den Umstand, dass die Stange vom Modell her einem Iveco-LKW zugeordnet werden konnte (was aber leider erst im Frühjahr 2017 gelang, nachdem Catalin C noch eine Frau getötet hatte und die Ergebnisse beider Morde zusammengeführt werden konnten). Diese Erkenntnis führte zu der Feststellung, dass in der besagten Nacht insgesamt nur 13 Iveco-LKWs in Rastplätzen in und bei Kufstein standen - soweit bekannt (basierend auf elektronischen Maut-Daten, sog. Go-Box-Daten). Von denen waren wohl 12 mit jeweils 2 Fahrern bemannt und die Ermittlungen ergaben offenbar, dass diese nicht als Täter in Betracht kamen (der exakte Ausschluss-Grund wurde allerdings mW nicht genannt!). Der einzige Alleinfahrende war Catalin C., der damals für die italienische Spedition
Arcese fuhr. Die Kooperation der Emmendinger und Tiroler Beamten ergab dann, dass dieser Fahrer damals ein Handy verwand, welches zur Tatzeit in Funkzellen am Tatort in Kufstein-Mittendorf eingebucht war - als einzigem Iveco-Fahrer. Dieser Kette von Beweismitteln lenkte erstmalig die große Aufmerkamkeit auf den bis dahin nicht in der Ermttlungsakte geführten Catalin C - das muss im Früjahr 2017 gewesen sein, da wie dargestellt dieser Ermittlungsstrang von der Soko Erle aus Emmendingen herausgearbeitet worden war.
Der schlagende Beweis für seine Täterschaft ergab sich dann durch die DNA-Nachweise von mind. einem halben Dutzend Körperspuren Catalin C's an Lucile Leiche. Insbesondere die Nachweise seiner DNA im Intimbereich - aber auch eine sehr gut erhaltende Spur am Handrücken ihrer linken Hand und noch die DNA Spur des Vgerdächtigen an Luciles letzter Zigarette, die auf der Innpromenade gefunden wurde, waren ausschlaggebend in der Beweisführung.
Erschwerend hinzu kam die Beweislast seiner Täterschaft beim Mord an Carolin Gruber, der sehr analoge Art und Weise der Tatbegehungen und auch der Umstand, dass er bereits 2005 durch eine extreme, anlasslose, sexuell-motivierte Gewaltat gegen eine Frau auffällig geworden war. Schließlich der Umstand, dass er gegenüber dem forensischen Psychiater Winkler, der im Freiburger Prozess die Schuldfähigkeit und Persönlichkeit des Beschuldigten einstufte, sich derart offenbart hatte, dass er sagte, dass ihn
grauenhafte Bilder beider Taten verfolgen würden und er die nur durch starken Alkoholkonsum vertreiben könnte. Ebenfalls gegenüber diesem hatte er eingeräumt, dass ihn die Angst vor Entdeckung seit Januar 2014 unruhig machen würde. Das waren also die durchaus erdrückenden Sachverhalte, die der Staatsanwalt (Name leider nicht notiert) als den Angeklagten belastend aufführte und die in mit der an die Geschworene gerichteten Aufforderung enden liess, sie mögen sich im Laufe der folgenden Beweisaufnahme ihr eigens Bild machen von dem er vorweg nahm, sie würden zum selben Schluss kommen.
Es folge die Sichtweise der Verteidigung des Beschuldigten. Hier muss man sagen, dass insbesondere in ihrer ersten Darstellung des Falls die österreichische Verteidigerin von Catalin C (Name leider ebenso wenig notiert - werde es nachholen) einen sehr guten Job machte. Sie führte etliche Ungereimtheiten des Falls auf, z.B. dass Catalin C keinerlei visuelle Ähnlichkeit mit dem als tat-verdächtig bezeichneten Mann des Kufsteiner Phantombildes habe; vor allem, dass er nie einen Schnauzbart und nie eine Brille getragen habe. Weiter ließ sie die Zuhörer wissen, dass die Hauptverdächtigen für die von Walter Pupp geleiteten Ermittler sehr lange Zeit Lucile Mitbewohnerin und langezeit enge Freundin Camille C, wie sie ebenfalls aus einem Ort etwa 15km nördlich von Lyon stammend und mit ihr zusammen schon vor Kufstein Wirtschafts-Wissenschaftem in Lyon studierend - und ihr Freund Philippe L, der wohl sehr Nachtleben/techno-affin ist/war (eigene Recherche). Hier führte die Verteidigerin aus, dass Philippe L die beiden jungen Frauen Anfang Oktober 2013 in ihrem Domizil in der Münchner Strasse 26 in Kufstein für eine Woche besuchte hatte (wer will kann sich Lucile Blogs von damals auf tumblr ansehen, scrollt man weiter herunter sieht man ein Foto von einem prachtvollen Frühherbstnachmittag mit Blick auf den Inn und die pittoresken bunten Häuserfassaden und einem händchen-haltenden Pärchen was aus etwa 10m Distanz von hinten aufgenommen ist - das sind die beiden - ganz im Hintergrund in ~1km Distanz die Biegung des Inns, die 3 Monaten später ein Tatort wurde:
https://lucenamassepasmousse-blog.tumblr.com/ )
Bei diesem Besuch von Philippe L soll es zwischen ihm und Lucile zu massivem offenem Streit und zu einem quasi irreparablem Bruch gekommen sein. Was diese Angelegenheit aus Sicht der Verteidigerin, die also den Verdacht auf eine ganz andere Person lenken wollte, um so pikanter machte, ist der Umstand, dass sich Philippe L für auf den Mord folgende Tage als Gast in Kufstein angekündigt hatte und dort im Haus von Lucile und Camille leben wollte; bis zur Abreise von allen 4 Wochen später. Lucile habe einer Freundin gegenüber sein Kommen mit "
Das Monster kommt" kommentiert und sich überhaupt nicht darauf gefreut - vielmehr zuletzt in unterschwelligem Dissenz mit ihrer Freundin gelebt. Die Verteidigerin fuhr fort, dass in der Nacht von Luciles Ermordung bis unmittelbar vor der exakten Tat gegen 23:50 Camille und Philippe in sehr engem SMS-Verkehr standen - es dann direkt zur Tatzeit eine Unterbrechung von 20 Minuten gegeben habe und sie die Konversation dann gegen 0:10 fortgesetzt hätten, was die Tiroler Kripo seinerzeit als sehr belastend qualifiziert hätte.
Weiter belastend habe man ein Foto oder Videomitschnitt des Restaurant "
Auracher Löchl" unmittelbar in Tatortnähe gewertet, auf dem ein junges Pärchen zu sehen war - um die Tatzeit, kurz vor- oder nachher - was die Ermittler als eine Aufnahme von Camille und Philippe gewertet hätten. Die These hab damals gelautet, Philippe L sei von Lyon über Strassburg-Stuttgart-Ulm-München mit dem Zug nach Kufstein gekommen - nur um die Tat auszuführen und er sei dann schnellst möglich wieder zurück nach Frankreich verschwunden. Ein weiteres Indiz sei gewesen, dass es für diesen Zeitraum, also etwa die drei Tage um den Mordtag, nicht möglich gewesen wäre, den Aufenthalt von Philippe L durch seine Handydaten zu bestimmen (was etwas im Widerspruch zu dem SMS-Verkehr steht, nebenbei bemerkt).
Ein weiteres befremdliches Detail, was die Verteidigerin in diesen Kontext, der Luciles Freundin/Mitbewohnerin und ihren Freund belasten würde, sei der Umstand, dass Lucile Handy - eine pinkes iPhone 4s, das ja seit der Tat verschwunden ist und das ihr als sehr Social-Media-Aktiver sehr wichtig war, Ende November 2013 nach einer langen Nacht im Kufsteiner Nachtleben verschwunden war - nach Lucile Meinung wurde es aus ihrer Handtasche (die ja ebenso bei dem Mord verschwand) geklaut. Befremdlicherweise wurde es ihr aber nach gut einem Tag wieder von einer unbekannten Person zurückgegeben - die sich vorher anonym bei ihr (per Email?) gemeldet hatte. Lucile musste dazu "ihren Code" der unbekannten Person nennen (ob das die PIN oder ein spezieller Apple-Code war oder was genau, wurde weder beim Prozess noch jemals in der Presse ausgeführt). Das Handy wurde dann im Studentenwohnheim (in dem Lucile und Camille
nicht wohnten und das sich etwa 150m vom späteren Tatort an der Innpromenade befindet) in eine Briefbox für die Hausverwaltung abgegeben.
Sehr befremdliches Detail hierbei: In der Zeit, als es der Dieb (oder Finder?) bei sich hatte, wurden damit Fotos geschossen, vermutlich nachts - sie waren alle schwarz. Durch das "
Geo-Tagging", das Lucile als Foursquare/Instagram/Twitter/Facebook-Userin häufig aktiv verwandt (man kann z.B. die beiden Geo-Koordinaten in vielen ihrer Tumblr-Fotos im EXIF-Viewer nachlesen, außerdem ihre Reiseroute in den Weihnachtferien zwischen Nancy, Compiegne und Paris) über ihre Standorte auf Foursqaure/Swarm) konnte erkannt werden, dass eines dieser Fotos unmittelbar am späteren Tatort aufgenommen worden war - eben von dem unbekannten Dieb (oder eben Finder falls sie es verloren hatte, und es nicht geklaut worden war).
Allerdings liegt der Tatort auch an dem Fußweg, den alle Bewohner des Studentenwohnheims auf dem Heimweg aus der Stadt verwenden würden - muss man sagen. Und so kombinierte die Verteidigerin - Camille C habe geleugnet, von diesem Umstand gewusst zu haben- was sich aber als unrichtig herausstellte, da Lucile und Camille nachweislich via Facebook über dieses Thema gesprochen hatten. Also ein weiteres belastendes Indiz gegen Camille - aus Sicht der Verteidigung. Die Sozialbetreuerin/Kriseninterventionistin, die sich anno 2014 um Luciles Eltern gekümmert hatte und mit der ich mich immer unterhielt, erklärte mir unter 4 Augen, dass den Eltern der Freund von Camille in der Tat sehr suspekt erschienen sei - aber eher auf der menschlichen Ebene - sie aber gegen Camille nie einen Verdacht gehegt hätten.
Wen es interessiert: Lucile äußerte sich selbst zu diesem Thema des Handy-Klau's in ihren Tweets:
https://twitter.com/Madaalen (Irgendwann um den 28. November 2013 mehrfach, irgendwas mit "Bad bad moon" und "sans flash" suchen...)
Weitere Momente, die Catalin C entlasten würden - für seine Verteidigerin - sei der Umstand, dass die Y-Signal-DNA-Treffer nur eine Präzision von 1:150.000 habe - was die Anwältin etwas billig (weil schlicht falsch) so darstellte, dass dies aussagen würde, Catalin C. sei einer von 150.000 möglichen Tätern
Natürlich Quatsch. Richtig ist allerdings, dass diese Wahrscheinlichkeit alleine zu schwach für eine Verurteilung wäre, bzw sein müsste und für DNA-Analysen ungewöhnlich niedrig ist (erst ab 1 : 1.000.000 sollte man von einer Identifizierung sprechen). Aber dazu kamen ja im Prozessverlauf ergänzende Informationen dazu (siehe erstes Post).
Auch unterstrich die Anwältin, dass die Polizei es unterlassen habe, zu prüfen, ob die als Tatwaffe eingeschätzte Eisenstange überhaupt im LKW des Catalin C fehle und ob sie vielleicht nicht viel mehr in einem der anderen 13 Iveco-LKW fehle. Ein durchaus wichtige aber ungeklärte Frage mM.
Und schließlich, dass die Tiroler Ermittler sich laufend selbst widersprochen haben, in dem sie z.B. lange Zeit die Waffe als ausrangiertes defektes Werkstück bezeichnet hatten, was für sie vermutlich gar keinem LKW mehr zuzuordnen sei - sondern aus dem Müll gefischt worden sei oder aber von einem Bastler benutzt worden sie. In der Tat war diese Lässlichkeit der Grund, warum die Aufklärung so lange auf sich warten liess und wenn man es ganz streng nimmt auch der Grund, warum Catalin C die Möglichkeit erhielt, einen zweiten Mord zu begehen. Die Tiroler Ermittler hatten nämlich auch ohne die Beweismittel aus Endingen schon ab dem 12. Januar 2014 alles in der Hand, um Catalin C zu überführen!
In der Summe waren die Ausführungen der Verteidigung alles valide Punkte, die einen für eine Weile durchaus ins Grübeln brachten und außerdem tatsächlich auf schwere Fehler, Irrtümer und Versäumnisse in den Ermittlungen hinwiesen. Leider (oder eher glücklicherweise) konnten sie aber nicht das Geständnis des Verurteilten selbst und die mächtige Sprache der richtig interpretierten DNA-Nachweise entkräften, wie sich im weiteren Verlauf des Prozesstags dann ergab. Im Kontrast zu der rein auf Milderung und Aufspüren formaler Rechtsfehlern ausgerichteten Strategie des Freiburger Verteidigers von Catalin C von 2017, war die Strategie der Innsbrucker Verteidigerin recht mutig und offensiv und hatte anfangs eine gewisse Wirkung, bei der man es für möglich hielt, dass sich der Fall doch noch drehen könnte und noch gar nicht entschieden ist - und verdient dadurch Respekt.
So an der Stelle wieder ein Cut. Ich glaub, es wird in den nächsten Tagen noch ein drittes Post folgen mit den Details der Beweisaufnahme und den 4 geladenen Zeugen und den Abschlussplädoyers und weiteren Details des Verlaufs.