OFF-TOPIC-BEREICH

ÖFFENTLICHE DISKUSSION
Fälle: Anja Aichele, Ayleen Ambs, Vierfachmord von Annecy 2012, Bärbel B. (Bremerhaven) u. Ingrid R. (Bremen), Annika Brill, Tristan Brübach, Christoph Bulwin, Anne D. (Lorch), Suzanne Eaton, Michaela Eisch, Victor Elling, Sonja Engelbrecht, Trude Espas, Regina Fischer, Abby G. & Libby W. (USA-Indiana), Maren Graalfs, Mara-Sophie H. (Kirchdorf), Marion & Tim Hesse, Jutta Hoffmann, Peggy Knobloch, Cindy Koch, Martina Gabriele Lange, Lola (FR-Paris), Karl M. (Berlin), Khadidja M. (Ingolstadt), Stefan M. (Salzgitter), Jelena Marjanović, Margot Metzger, Karin N. (Borchen), Gabby Petito, Heike Rimbach, Elmar Rösch, Gustav Adolf Ruff, Carina S. (Iserlohn), Hannah S. (Hamm), Lena S. (Wunsiedel), Gabriele Schmidt, Mord in Sehnde-Höver, Yasmin Stieler, Simone Strobel, Elisabeth Theisen, Karsten & Sabine U. (Wennigsen), Nicky Verstappen, Hanna W. (Aschau)
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U.s.1 883
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Re: OFF-TOPIC-BEREICH

Ungelesener Beitrag von U.s.1 883 »

Der Tod des Leiters der
Sonderkommission Natascha Kampusch Teil 2




Erweiterung zum Fall

Autor: Johann Rzeszut

Auch Teil 1 u.2 zu Studienzwecken.



https://www.het-forum.de/viewtopic.php?p=230310#p230310
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Widasedumi
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Re: OFF-TOPIC-BEREICH

Ungelesener Beitrag von Widasedumi »

U.s.1 883 hat geschrieben: Mittwoch, 30. August 2023, 00:48:15 Der Tod des Leiters der
Sonderkommission Natascha Kampusch Teil 2
Bis ich diesen Fall durch habe, vergeht einige Zeit. Der Aufwand scheint mir angemessen zu sein. Trotzdem: es kostet eine Menge Zeit.
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U.s.1 883
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Re: OFF-TOPIC-BEREICH

Ungelesener Beitrag von U.s.1 883 »

https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... el840.html


Kommentar: Freispruch für Högel Ex-Vorgesetzte folgerichtig
Stand: 13.10.2022 16:58 Uhr

Im Prozess gegen frühere Vorgesetzte des verurteilten Patientenmörders Niels Högel sind am Donnerstag die sieben Angeklagten freigesprochen worden - das mag für Empörung sorgen, aber es ist richtig.


https://www.bundesaerztekammer.de/filea ... _20112.pdf

Ich finde selbst diesen Kommentar für heuchlerisch.

Das Gericht hat das Verfahren so lange verschleppt (beziehungsweise erst so spät ermittelt und ein Verfahren, zu späht angestrengt) das eventuelle Klagen gegen die Vorgesetzten nicht mehr der vom Gesetzgeber vorgesehenen Fristen entsprach.

Selbst aus dem Standpunkt der Regelwerke der Ärzteschaft, also auch von verantwortlichen Stellen hört man dazu nichts.

https://www.rnd.de/panorama/prozess-geg ... ZPSWQ.html


https://www.deutschlandfunkkultur.de/pa ... e-100.html
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gastxyz..me

Re: OFF-TOPIC-BEREICH

Ungelesener Beitrag von gastxyz..me »

selbst der ndr-kommentar: fadenscheinig, heuchlerisch, durchsichtig, armselig

in delmenhorst standen zur wahl:
- polizei einschalten
oder
- högel loswerden

man hat sich fürs "loswerden" entschieden. das war falsch, feige und in anbetracht der vorwürfe kriminell.
Nach Delmenhorst weggelobt - obwohl alle etwas ahnten
Dabei hatten Kollegen damals schnell mitbekommen, dass etwas nicht stimmt. Es wurde getuschelt, eine Strichliste gefertigt, Vorgesetzte wollten Högel schließlich nicht mehr in ihren Abteilungen haben. Im Klinikum Oldenburg wollte man ihn schließlich loswerden - Högel wurde mit einem guten Zeugnis nach Delmenhorst weggelobt. Für die Kollegen und die Patienten dort gab es keine Warnung. Er mordete weiter.
https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... el840.html
Widasedumi
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Re: OFF-TOPIC-BEREICH

Ungelesener Beitrag von Widasedumi »

Ich las gestern von einem neuen Buch, da schauderte es mich:
Peter Orzechowski
Demozid
Buch
Will eine selbst ernannte Elite die Menschheit reduzieren?

Kopp Verlag, 09/2023
Einband: Gebunden
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 9783864459559
Bestellnummer: 11566982
Umfang: 304 Seiten
Preis: 22,99 €, versandkostenfrei
Erscheinungstermin: 4.9.2023

Klappentext
Gibt es einen geheimen Plan, die Weltbevölkerung zu dezimieren?

Dieses Buch zeigt die Fakten, die darauf hindeuten. Es nennt die Namen der Akteure und ihrer Hintermänner, die diesen Plan geschmiedet haben. Es legt offen, dass diese Entscheider die Macht und den Einfluss haben, um dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen.

Dieses Buch untersucht auch den mysteriösen Deagel-Report, der bis 2025 einen Schwund der Bevölkerung in den westlichen Ländern von 60 bis 70 Prozent vorhersagt. Es deckt auf, was das Weltwirtschaftsforum und sein Propagandist Yuval Noah Harari über uns, die Mehrheit der Erdenbürger, denken.

Von 8 Milliarden auf 100 Millionen?

Dieses Buch hinterfragt, warum seit der sogenannten Impfung gegen das Coronavirus besonders in den Staaten der westlichen Welt eine erhebliche Übersterblichkeit zu verzeichnen ist. Es legt offen, dass die USA in Geheimlaboren überall auf der Welt an Viren und Biowaffen forschen, die das Potenzial haben, große Teile der Menschheit auszurotten. Es erklärt, warum auf rätselhafte Weise Lebensmittelfabriken explodieren und Nahrung und Energie knapp werden. Es zeigt, dass mit dem Wetter experimentiert wird. Es beschreibt, warum ein globaler Krieg zwischen den Ländern des Westens und dem von Russland und China geführten Rest der Welt ausgebrochen ist. Es macht deutlich, warum die Eliten seit dem Jahr 2020 Überwachung und Zensur eingeführt und verschärft haben.

Zufall oder Plan? Dieses Buch belegt anhand zahlreicher Indizien, dass es einen Plan gibt, die Menschheit zu dezimieren. Und dass es sich dabei um einen Demozid, einen Mord an der Bevölkerung, handelt.

Die Reduzierung der Weltbevölkerung hat begonnen!
Der Autor ist 71 Jahre und wird bei Wikipedia als Verschwörungstheoretiker bezeichnet. Ich habe solche Stimmen wie seine, schon von etlichen Seiten gehört. Bin auch selbst schon auf solche Fragestellungen gekommen, welchen Sinn diese unaufhörliche Krisenabfolge haben könnte? Schwarz auf weiß in ein Buch gegossen, ist es mir neu. Ob ich mir das Buch kaufe, weiß ich noch nicht. Interessieren würde mich, was er zur Deagel-Liste schreibt. Dazu gibt es ein Video u.a. von Gerhard Wisnewski, der allerdings Zweifel an der Seriosität der unbekannten Quelle dieser Liste hat.

Eigentlich lasse ich mich nicht gerne durch Horrorszenarien psychisch "herunterziehen". Dr. Wolfgang Nestvogel sagte mal in einem Vortrag, dass man nicht wie ein Lamm ständig auf den Wolf schauen sollte, sonst geht man allein schon an der Angst zugrunde. Einen entsprechenden und bekannt gewordenen historischen Versuch machte ein persischer Arzt mit zwei gleichen Schafen, von denen er eines, zwar in einem Käfig geschützt, mit Nahrung versorgt, doch ständig dem Anblick eines Wolfes aussetzte, während er das andere Schaf nicht dem Blick eines Wolfes aussetzte, und mit gleicher Nahrung versorgte. Das Schaf mit dem Blickkontakt zum Wolf starb in seinem Käfig, konnte auch nicht mehr fressen. Das andere Schaf starb nicht.
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gastxyz..me

Re: OFF-TOPIC-BEREICH

Ungelesener Beitrag von gastxyz..me »

.
sorry, meinte oben in OLDENBURG hatte man in "weggelobt"

dort hatte man sich gegen das Klären der Vorwürfe (Einschalten der Polizei) entschieden.
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U.s.1 883
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Re: OFF-TOPIC-BEREICH

Ungelesener Beitrag von U.s.1 883 »

Verbissen
https://www.republik.ch/2023/08/22/verbissen

Die Polizei macht mit Hunden Jagd auf Sprayer. Die Verletzungen sind gravierend, Regeln für den Einsatz gibt es kaum.

Von Basil Schöni (Text) und Jörn Kaspuhl (Illustration), 22.08.2023



Stellen Sie sich vor, ein Hund rennt auf Sie zu. Er wiegt 25 Kilo und kommt mit etwas Anlauf auf eine Geschwindigkeit von fast 50 Stunden­kilometern. Es ist ein Schäfer­hund, und er ist darauf trainiert, zuzubeissen.

Als die Polizei um die Ecke kam, sind Sie instinktiv losgerannt. Doch nun haben Sie den Hund bemerkt. Sie halten an und heben die Arme. «Ich ergebe mich», sagen Sie. Doch der Hund rennt weiter auf Sie zu.

Er erwischt Sie, bohrt seine Zähne in Ihren Unter­schenkel und verbeisst sich darin. Sie schreien. Und Sie bluten.

Dann kommen mehrere Uniformierte hinzu. Einer greift den Hund am Halsband und zieht ihn weg. Erst dann löst sich das Gebiss von Ihrem Bein.

Man nimmt Sie fest und bringt Sie ins Spital. Dort stellen die Ärzte eine rund zehn Zentimeter grosse, stark klaffende Rissquetsch­wunde sowie zwei stichförmige Wunden fest; beide haben einen Durchmesser von rund einem Zentimeter und sind etwa anderthalb Zentimeter tief. Ihre Verletzungen werden genäht. Sie erhalten Schmerz­mittel und Antibiotika für sieben Tage.

Wenn Sie Fieber entwickeln oder sich Ihr Allgemein­zustand verschlechtert, sagen die Ärztinnen, sollten Sie erneut den Notfall aufsuchen. Dann bestehe Verdacht auf eine Infektion der Bisswunde, was dringende medizinische Versorgung erfordere. Es drohen bleibende Gewebe­schäden, Verlust von Gliedmassen und im schlimmsten Fall eine lebens­gefährliche Blutvergiftung.

Das alles erlebte im November 2021 der damals 24-jährige Andreas Steiger, der eigentlich anders heisst. Er hatte Glück. Die Bisswunde verheilte gut, es kam zu keiner Infektion. Der Grund, warum die Polizei einen Hund auf ihn losgelassen hatte, war Farbe. Er hatte einen Zug besprayt.

Ähnlich erging es in den letzten zwei Jahren vier weiteren jungen Männern, mit denen die Republik sprechen konnte und die ebenfalls anonym bleiben wollen. Sie alle wurden von der Polizei verdächtigt, gesprayt zu haben. Alle fünf versuchten zu flüchten oder sich zu verstecken. Keiner von ihnen war gewalttätig. Und trotzdem wurden sie von einem Diensthund der Kantons­polizei Bern in Arme, Beine oder Brust gebissen.

Bei einem von ihnen infizierte sich die Wunde. Er wurde notfall­mässig operiert und verbrachte eine Woche im Spital. Ohne die Operation hätte er wohl einen Arm verloren.
Ein Freipass im Gesetz

Dass die Polizei Diensthunde gegen Menschen einsetzen darf, ist in den kantonalen Polizei­gesetzen geregelt. Wobei «geregelt» zumindest für den Kanton Bern kaum der richtige Ausdruck ist. Denn das Wort «Hund» kommt im Berner Polizei­gesetz kein einziges Mal vor. Die Polizei beruft sich stattdessen auf Artikel 132 des Gesetzes:

Die Kantonspolizei kann zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben unmittelbaren Zwang gegen Personen, Tiere und Sachen anwenden und geeignete Einsatz- und Hilfsmittel einsetzen.

Hunde seien dabei als «geeignete Einsatz- und Hilfsmittel» zu betrachten, teilt die Kantons­polizei Bern der Republik auf Anfrage mit. Im Gesetz ist damit bloss geregelt, dass die Polizei Hunde gegen Menschen einsetzen darf. Unter welchen Umständen, bleibt offen.

Das ist auch in anderen Kantonen so. Weder in Zürich noch in Luzern oder im Aargau regeln Polizei­gesetze und -verordnungen, wann und wie Diensthunde eingesetzt werden dürfen. Und auch dort kam es zu Fällen, bei denen flüchtende Personen gebissen wurden.

Dabei ginge es auch anders. Im österreichischen Waffengebrauchs­gesetz beispielsweise ist eindeutig geregelt, wann die Polizei mithilfe von Dienst­hunden einen Menschen festnehmen darf. Erlaubt ist das nur bei Notwehr, bei gewaltsamem Widerstand oder wenn die vorgeworfene Tat mit mehr als einem Jahr Freiheits­strafe bedroht ist.

Für eine einfache Sachbeschädigung (bis 5000 Euro Schaden) sieht das österreichische Strafgesetz­buch eine Höchst­strafe von sechs Monaten vor. In zwei der fünf Berner Fälle beträgt der verursachte Schaden weniger als 5000 Franken; bei einem streiten sich die Parteien noch um die genaue Höhe.

In Österreich wären diese Festnahmen mit Hunde­einsatz somit illegal gewesen.

Weil das Gesetz in Bern derart schwammig ist, hat die Republik gestützt auf das Öffentlichkeits­gesetz den internen Dienstbefehl verlangt, der den Einsatz von Polizei­hunden regelt. Das erhaltene Dokument wird aber nur wenig konkreter als der Artikel im Polizei­gesetz. Bloss eine einzige Passage betrifft den Einsatz von regulär ausgebildeten Polizeihunden gegen Menschen:

Die Hundeteams werden eingesetzt bei Verhaftung gefährlicher Personen.

Die Berner Staats­anwaltschaft warf keinem einzigen der fünf Betroffenen ein Gewalt­delikt oder eine Drohung vor. Sind mutmassliche Sprayer, die sich einer Polizei­kontrolle entziehen wollen, schon «gefährliche Personen»?

Darauf will die Medienstelle der Kantonspolizei Bern keine konkrete Antwort geben. Die Auflistung im Dienstbefehl sei nicht abschliessend, schreibt sie auf Anfrage. Der Einsatz von Dienst­hunden stütze sich immer auf den Einzelfall und das Verhältnismässigkeits­prinzip.

Es gibt also ein Gesetz, in dem das Wort Hund nicht vorkommt. Und einen Dienstbefehl, der sehr allgemein gehalten ist. Konkrete Regeln hingegen, wann die Polizei einen Hund auf einen Menschen loslassen darf, die gibt es nicht.
Drei Tage vor der Amputation

Matthias Bruggmann war 25 Jahre alt, als er in einer August­nacht 2022 im bernischen Laupen einen Zug besprayte. Er war noch nicht fertig, als er zwei Polizisten mit Taschen­lampen bemerkte, die sich ihm näherten. Er rannte los, quer über einen Feldweg, und versteckte sich im flachen Wasser eines nahe gelegenen Flusses hinter einem Gebüsch. Etwa anderthalb Stunden verharrte er dort.

Dann hörte er einen Hund.

Er blieb im Wasser liegen. Plötzlich war der Hund da, rannte einmal um ihn herum und biss dann zu. Wie ein Schraub­stock hielt er seinen Unterarm fest. Ein Schraub­stock mit Zähnen. Bruggmann ergab sich. «Nehmt ihn weg», rief er den heran­nahenden Polizisten zu. Er müsse warten, bis sie bei ihm seien, erwiderten diese.

Die Polizei brachte Bruggmann ans Flussufer und forderte einen Kranken­wagen an – das ist Vorschrift, wenn ein Diensthund einen Menschen beisst. Nach etwa 15 Minuten traf die Ambulanz ein.

Im Spital desinfizierten und verbanden die Ärztinnen die Verletzung. Eine Röntgen­untersuchung schloss Knochen­brüche und Fremd­körper in der Wunde aus. Mit einer Starrkrampf­impfung, Antibiotika und Schmerz­mitteln wurde er entlassen.

Bereits am nächsten Morgen war sein Arm stark angeschwollen. Nach zwei weiteren Tagen kam eine Rötung hinzu. Bruggmann fragte in einer Apotheke um Rat. «Sofort auf den Notfall», hiess es. In einer Walk-in-Praxis am Bahnhof Bern sagte man ihm: «Sofort ins Inselspital.»

Dort diagnostizierten die Ärzte eine Infektion mit Bakterien aus dem Hundemaul und dem Flusswasser – wobei der besonders aggressive Erreger jener des Hundes war. Bruggmann wurde noch am gleichen Tag operiert.

Die Ärztinnen schnitten seinen Arm auf, entfernten das durch die Infektion abgestorbene Gewebe und spülten die Wunde. Wegen der starken Schwellung konnte die Verletzung nicht zugenäht werden. Das geschah erst einige Tage später in einer erneuten Operation. Insgesamt verbrachte Bruggmann sieben Tage im Inselspital.

Die Ärzte sagten ihm: Wäre er zwei oder drei Tage später gekommen, hätte man den Arm womöglich amputieren müssen.

«Der Faktor Zeit ist bei der Behandlung von Hundebissen sehr wichtig», sagt Sabrina Jegerlehner, Oberärztin an der Universitäts­klinik für Notfall­medizin im Berner Inselspital. «Es ist wichtig, die Wunde so schnell wie möglich zu reinigen und medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, um das Risiko von Komplikationen zu minimieren.»

Zu diesen Komplikationen zählen primär Infektionen, die nach etwa fünf Prozent der Hundebisse vorkommen. In deren Folge können zudem Abszesse, abgestorbenes Gewebe und tiefe Narben­bildungen auftreten, die zu einer bleibenden Bewegungs­einschränkung in den betroffenen Körper­teilen führen können. Im schlimmsten Fall droht eine lebens­bedrohliche Blutvergiftung.

Doch auch ohne Komplikationen können Hundebisse erhebliche Folgen haben. «Sie führen zu Haut­verletzungen, aber auch tiefere Wunden mit Zerstörung der Muskulatur und der Sehnen sowie Verletzungen von Gelenken und Knochen können auftreten», sagt Jegerlehner.

In jedem Fall werden Hundebisse mit Antibiotika behandelt, um das Risiko einer Infektion zu senken. Je nach Impfstatus ist eine Auffrischung des Starrkrampf­schutzes angezeigt.
Einen Monat mit offenen Wunden

Auch Christian Steffen und Dominik Rossi hatten sich versteckt, bevor sie von einem Schäfer­hund der Polizei gebissen wurden.

Im Sommer 2021 hatten sie in Interlaken einen Zug besprayt. Als sie die nahenden Beamten bemerkten, rannten sie in ein sumpfiges Feld. Mehr als eine Stunde verging. Dann wurden sie entdeckt. Ein Ruf ertönte: «Halt, Polizei!» Die beiden rannten davon.

Zuerst wurde Steffen gebissen. Er stürzte, kurz bevor der Schäfer ihn eingeholt hatte. Der Hund rannte an ihm vorbei, Steffen raffte sich auf. Dann drehte das Tier um, sprang ihn an und biss ihn in die Brust. Das ist bemerkenswert, denn eigentlich werden Diensthunde darauf trainiert, in Arme und Beine zu beissen. Das bestätigt die Kantons­polizei Bern auf Anfrage.

Als die Beamten bei Steffen ankamen, schickten sie den Hund dem flüchtenden Rossi hinterher. Nach einem kurzen Sprint wurde dieser eingeholt. Der Hund biss ihn zweimal in den Oberschenkel.

Beide Verletzten wurden zuerst auf den Posten und auf Anraten der hinzu­gezogenen Sanität schliesslich ins Spital gebracht. Steffens Brust­verletzung musste nicht genäht werden. Doch zwei Jahre später bleibt ihm eine Narbe, die immer noch juckt.

Gravierender war der Biss in Rossis Oberschenkel. Das grösste Loch, das die Zähne des Schäferhundes hinterlassen hatten, war drei Zentimeter tief. Ein Hautfetzen, der lose vom Oberschenkel hing, musste zuerst wieder angenäht und schliesslich ganz entfernt werden. In die tieferen Verletzungen wurden kleine Schläuche gelegt, die verhinderten, dass die Wunden sich schliessen.

Über einen Monat lang lebte Rossi mit offenen Bisswunden am Oberschenkel. Alle paar Tage musste er ins Spital, um die Wunden auszuspülen, damit sie sich nicht infizierten. Es dauerte fast drei Monate, bis sein Oberschenkel vollständig verheilt war. Geblieben sind mehrere Narben. Und Angst, jedes Mal, wenn er einem Schäferhund begegnet.

Gegenüber «20 Minuten» bezeichnete ein Sprecher der Kantons­polizei Bern die Verletzungen der beiden Männer als «leicht».

«Es ist schon okay, dass die Cops Hunde haben», sagt Rossi heute. «Bei Bewaffneten, bei Gewalt­delikten oder Geisel­nahmen ergibt es ja Sinn, sie einzusetzen. Aber wir bedrohen keine Leute, wir verletzen niemanden – wir machen Kunst. Am Schluss ist irgendwo etwas Farbe dran. Da ist es doch nicht nötig, Kampf­hunde einzusetzen.»

Ich will es genauer wissen: Wie findet ein Polizeihund einen Menschen?

Alle Diensthunde der Polizei sind in der Lage, mit ihrer Nase Menschen aufzuspüren. Woran sie sich dabei orientieren, hängt von der Ausbildung des Hundes ab.

Zur Grundausbildung jedes Schutzhundes gehört es, einer Fährte zu folgen. Als Fährte bezeichnet man hier eine Spur auf sogenannt «verletzbarem» Boden, das heisst auf Waldboden, einer Wiese, einem Acker oder Ähnlichem. Läuft ein Mensch über solchen Boden, zerdrückt er immer wieder Kleinst­tiere. Diese strömen darauf einen Geruch aus, dem der Hund folgen kann. Auf asphaltiertem Boden fehlen diese «Verletzungen». Dort kann der Hund keine Fährte aufnehmen.

Bei Personen­spürhunden, den sogenannten Mantrailern, ist die Situation anders. Diese speziell ausgebildeten Tiere stützen sich nicht auf zerdrückte Kleinst­tiere, sondern auf die Tausenden Hautpartikel, die ein Mensch jede Minute verliert. Diese Haut­partikel werden von Bakterien zersetzt, wobei ein Gas entsteht. Der Hund kann dieses Gas wahrnehmen und verfolgen. Dadurch kann er dem Geruch einer Person sogar auf asphaltiertem Boden folgen und diese aus Tausenden anderen Gerüchen herausfiltern, die gleichzeitig auf den Hund einwirken.
Die Polizei widerspricht der Polizei

Was Rossi «Kampfhund» nennt, heisst bei der Polizei offiziell «Schutzhund» und bildet gemeinsam mit den Spürhunden das Diensthunde­wesen der Schweizer Polizeien. Rein rechtlich ist ein Hund ein «Einsatz- und Hilfsmittel» wie jedes andere im Arsenal der Polizei. Im Unterschied zu einem Schlagstock, einem Taser oder einer Schusswaffe ist ein Hund aber ein Lebewesen, das selbst­ständig handelt und entscheidet.

Umso wichtiger ist es, dass die Hunde­führerinnen ihre Tiere jederzeit unter Kontrolle haben. Wie weit das tatsächlich möglich ist, darüber macht die Polizei widersprüchliche Angaben, wie die ersten beiden geschilderten Fälle von Andreas Steiger und Matthias Bruggmann zeigen.

Steiger ergab sich der Polizei, als er den Hund bemerkt hatte. Trotzdem biss ihn das Tier in den Unter­schenkel. Bei der polizeilichen Einvernahme rund einen Monat später fragte er die Beamten, weshalb sie den Hund nicht zurück­gerufen hätten. Er sei zu diesem Zeitpunkt ja weder geflüchtet noch gewalttätig gewesen. Die Antwort der Beamten: Man könne den Hund nicht mehr zurück­pfeifen, wenn man ihn einmal losgelassen habe. Die Kontrolle sei erst wieder gegeben, wenn der Hunde­führer physischen Kontakt zum Hund habe.

Ähnlich tönte es bei Bruggmann, dem jungen Mann, dessen Wunde sich infiziert hatte. Der Hund hatte sich in seinem Unterarm festgebissen. Bruggmann ergab sich und forderte die Polizisten auf, den Hund wegzunehmen. Er müsse warten, bis sie bei ihm seien, erwiderten diese. Nach der Festnahme sagte auch ihm die Hunde­führerin: Der Hund lasse erst los, wenn sie ihn am Halsband halte.

Doch sowohl die Medienstelle der Kantons­polizei Bern als auch der Chef des Diensthunde­zentrums der Kantons­polizei Zürich sagen das exakte Gegenteil.

«Der Gehorsam auf Distanz ist Teil der Prüfung des Schweizerischen Polizeihundeführer-Verbands, die jede Polizei in der Schweiz einmal pro Jahr durchführt», sagt Jörg Guggisberg. Er leitet das Diensthunde­zentrum in Dübendorf, wo die Hunde und Hunde­führerinnen der Kantonspolizei Zürich ausgebildet werden. «Bei dieser Prüfung ist der Hund mit einem Scheintäter konfrontiert. Zuerst muss er diesen mit einem Biss stellen. Dann auf Kommando sofort loslassen. Darauf folgt eine Bewachungs­phase. Am Schluss muss der Scheintäter unbehelligt davonlaufen können, und der Hund muss zum Hundeführer zurück. Das alles passiert, ohne dass der Hundeführer den Hund berührt.»

Die Kantonspolizei Bern schreibt auf Anfrage: «Grundsätzlich ist es auf eine für den Hund hörbare Distanz möglich, dass der Diensthund durch ein verbales Kommando der Diensthunde­führerin von der Person ablässt und so zurück­gerufen werden kann.» Das sei aber auch immer vom Einsatz und von den örtlichen Umständen abhängig.

Wie passt das zu den Aussagen, die die Kantons­polizisten gegenüber Andreas Steiger und Matthias Bruggmann gemacht haben?

«Generell äussern wir uns nicht zu allfällig gemachten Aussagen von Mitarbeitenden, da wir die genaue Situation vor Ort nicht kennen und auch nicht wissen, in welchem Kontext diese Aussagen entstanden sind», schreibt die Medienstelle der Kantons­polizei Bern. Grundsätzlich könne der Hund schon durch ein verbales Kommando dazu gebracht werden, den Biss zu lösen. Wenn er aber losgeschickt wurde und noch nicht bei der flüchtenden Person angelangt sei, könne man den Hund nicht zurückrufen.
Einer wehrt sich

Steiger, Bruggmann, Steffen und Rossi wurden inzwischen per Strafbefehl verurteilt. Alle vier wegen Sach­beschädigung und Hinderung einer Amtshandlung, manche noch wegen Neben­delikten wie der Übertretung gegen das Eisenbahn­gesetz. Verhängt wurden Geldstrafen, manche bedingt, und Bussen.

Alle vier akzeptieren den Entscheid. Eine fünfte Person, mit der die Republik sprechen konnte, bestreitet die Vorwürfe. Gegen Philipp Jordi, wie wir die Person hier nennen, läuft ein Verfahren. Er selbst hat nun die verantwortliche Polizistin angezeigt.

Jordi war in einer Dezember­nacht 2022 in einem ruhigen Stadtberner Quartier unterwegs. Als er einen Streifen­wagen vorbei­fahren sah, versteckte er sich hinter einem Auto. Die Polizei hielt an, Jordi rannte davon. Wieso er das tat, will er aufgrund des laufenden Verfahrens nicht sagen. Etwa fünf Minuten dauerte der Sprint durch das Quartier. Dann blieb er in einem Innenhof stehen.

Plötzlich spürte er einen Schmerz im rechten Unterschenkel. Er hatte den Hund nicht bemerkt, weder bei der Flucht noch unmittelbar bevor das Tier zupackte. Nach dem ersten Biss liess der Hund kurz los, dann biss er sich in Jordis Wade fest. Wie die Hunde­führerin später in ihrem Rapport schrieb, habe sie den Hund auf ihn losgelassen, weil die Beamten ihm «zu Fuss nicht schnell genug folgen konnten».

Jordi wurde festgenommen und auf den Polizei­posten gebracht. Gut anderthalb Stunden verbrachte er dort, bis ihn die Polizei auf Anraten der Sanität ins Spital brachte. Die Biss­verletzung wurde geröntgt und gereinigt. Er wurde für zwei Wochen krank­geschrieben, durfte das Bein nicht belasten und konnte wegen der Verletzung mehrere Module an der Uni nicht abschliessen. Bis heute plagen ihn Albträume.

Unterdessen hat er Strafanzeige gegen die Diensthunde­führerin eingereicht. Wegen versuchter schwerer Körper­verletzung, Amtsmissbrauch und Tätlichkeit. «Von mir ging keine Gefahr aus, ich war nie aggressiv», sagt er heute. «Und trotzdem verletzten sie mich so. Das ist doch nicht verhältnismässig.»

Das Ganze sei für ihn zudem eine Doppel­bestrafung: Die Gesundheits­kosten und der Lohnausfall, den er wegen des Bisses auf sich nehmen musste, seien mehr als zweimal so hoch wie die Strafe, die ihm im laufenden Verfahren drohe.

Rechtsanwalt Dominic Nellen vertritt Jordi in dieser Sache. Aus seiner Sicht setze die Kantons­polizei Diensthunde generell viel zu leichtfertig ein: «Das Problem bei Polizei­hunden ist, dass sie schlecht steuerbar sind und schwere Verletzungen verursachen können.» Das habe er schon bei anderen Klienten beobachtet, die auch von Polizei­hunden gebissen wurden.

Jordis Fall findet er besonders stossend: «Mein Mandant war in einem Hinterhof. Es kann nicht zulässig sein, in dieser Situation einen Hund auf eine Person zu hetzen.»
Immer härter

Fünf Gebissene in anderthalb Jahren. Ob das mehr ist als früher, ist schwierig zu sagen, denn die Kantons­polizei Bern gibt auf Anfrage nur die Zahlen von 2019 bis 2022 heraus. In diesen Jahren wurden vier, zwei, sechs und acht Menschen von Polizei­hunden gebissen. Wie schwer sie dabei verletzt wurden, lässt sich ohne Kenntnis der medizinischen Unterlagen nicht beurteilen.

Die Zahlen der Vorjahre will die Polizei nicht bekannt geben. Diese Fälle seien nicht elektronisch, sondern nur in Papier­form vorhanden: «Die entsprechenden Zahlen müssten mit grossem Aufwand einzeln im Archiv erhoben werden.»

In der Berner Sprayer­szene ist es jedenfalls ein Novum, dass die Polizei Hunde auf Verdächtige loslässt. «Hunde­einsätze gab es vorher nie», sagt dazu Bruggmann, der junge Mann, dessen Biss­verletzung sich infiziert hatte. «Nach den zwei Verletzten von Interlaken dachten alle so: ‹Das ist richtig mies, die hatten Pech.› Doch dann wurden immer mehr Leute gebissen. Ich bin überzeugt, dass das ein Strategie­wechsel ist.»

Die Kantonspolizei Bern bestreitet das: «Diensthunde werden bereits seit längerer Zeit bei Anhaltungen von flüchtenden Personen, so etwa auch von Sprayern, eingesetzt.»

Ob Strategiewechsel oder nicht: Wenn die Polizei zur Bekämpfung von Sach­beschädigungen schwere Verletzungen in Kauf nimmt, wie sie durch Hundebisse entstehen können, stellt sich die Frage der Verhältnis­mässigkeit.

Dieser Rechts­grundsatz ist in Artikel 5 der Bundes­verfassung verankert. Was Verhältnis­mässigkeit für den polizeilichen Alltag bedeutet, definiert die Kantons­polizei Bern in ihrem internen Dienstbefehl zu «Zwangsmitteln» (wozu ein Diensthund gehört, wenn er gegen Menschen eingesetzt wird).

Diesem zufolge muss der Einsatz eines Zwangs­mittels vier Kriterien erfüllen: Er muss erstens erforderlich und zweitens geeignet sein, es muss sich drittens um die «mildeste taugliche und verfügbare Massnahme» handeln, und die zu erwartende Beeinträchtigung darf viertens in keinem Miss­verhältnis zum beabsichtigten Erfolg stehen.

In der Praxis legt die Polizei diese Bedingungen sehr weit aus, was in der Vergangenheit immer wieder zu Diskussionen führte. So wurden besetzte Häuser mit Antiterror-Einheiten durchsucht, bewilligte Demos präventiv abgefilmt oder unter Helikopter­einsatz blockiert, und mehrere Polizei­korps rüsteten auf Gummi­geschosse um, die schwerste Verletzungen verursachen können.

«Am Ende ist es eine Frage der Relation», sagt auch Bruggmann, der in Laupen einen Zug besprayte. «Ich habe eine Sach­beschädigung begangen, dazu stehe ich. Aber deswegen einen Hund auf mich loszulassen, was mich fast einen Arm kostete – das war nicht verhältnismässig.»
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Re: OFF-TOPIC-BEREICH

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https://www.in.gr/2023/09/15/greece/pei ... tiki-voli/

Piräus – Videodokument in: Der Moment des Mordes ist schockierend – Er der Mörder hatte auch freie Hand.
In 9 Sekunden der kaltblütige Mord mitten auf der Straße – Die Bilder sind sehr grausam!
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Re: OFF-TOPIC-BEREICH

Ungelesener Beitrag von U.s.1 883 »

Jonathan Overfeld und die Reise in seine Erinnerungen
Zum Lesen
Crime Story Der Mann ohne Gedächtnis
© Space creator/Shutterstock, Joachim Gern (Montage stern Crime)
von Kuno Kruse
01.10.2023, 19:34 29 Min.
Er hat all seine Erinnerungen verloren. Dann bricht er auf, zu einer Reise in seine Vergangenheit. Sie führt ihn an einen finsteren Ort
Der Mann ohne Gedächtnis
Gelesen von Peter Kaempfe
Aktueller Zeitpunkt 39:28
/
Dauer 1:00:43

Der Geruch ist ihm zuwider. Er streicht sich übers Kinn. Die Haut ist glatt. Das muss sein Rasierwasser sein. Sein Blick gleitet die Knopfleiste hinunter. Weißes Oberhemd, Krawatte und Blazer in gedecktem Blau, dazu Jeans.
Warum sitzt er auf dieser Parkbank?
Er steht auf, geht ein paar Schritte. Die Gegend kommt ihm fremd vor. Wie ist er hierhergekommen? War er eingenickt? Dieses Aftershave irritiert ihn. Weiße Plastikstühle, ein Café. Er setzt sich.
„Was kann ich Ihnen bringen?“
Was soll er der Kellnerin jetzt antworten? Er dreht den Kopf in Richtung Nachbartisch, sagt: „Das da.“
Er versucht, etwas vom Rauch einzuziehen, der von dem jungen Paar am Nachbartisch herüberweht. Die Kellnerin serviert ihm heiße Milch. „Ihr Cappuccino!“
Er probiert. Der Schaum schmeckt nach Kaffee.
„Kann ich sonst noch etwas bringen?“
Der Zigarettenqualm lenkt seine Aufmerksamkeit wieder zu dem jungen Paar. Er nickt in die Richtung. „Das da!“ Und bekommt Apfelkuchen.
Er legt einen Geldschein auf den Tisch. Aber die Bedienung akzeptiert keine Schweizer Franken. Da ist noch ein brauner Schein in der Jacketttasche. D-Mark sind es nicht. Er will den Schein zurückziehen, die Kellnerin lächelt. „Fünfzig Euro? Kein Problem, das kann ich rausgeben.“
Er winkt ab. „Stimmt so.“ Er will schon fragen: Das hier ist doch Deutschland, oder? Er bremst sich.
Später wird er diese Zeitspanne, in der er nicht weiß, was ein Cappuccino ist, aber am Kiosk genau auf die blaue Packung mit seiner Tabakmarke „Schwarzer Krauser“ zeigen kann, als die Phase des „Das-da“ beschreiben. Er spürt, dass Frühling ist, weiß aber nicht, in welchem Jahr. Er weiß, wofür das Autokennzeichen „HH“ steht, kann sich aber nicht erinnern, wie er nach Hamburg gekommen ist und ob er hier lebt. Er ist sich selbst entfallen wie anderen eine PIN. Noch ahnt er nicht, dass es vielleicht gute Gründe dafür geben könnte.
Die Zettel
Woher kommen diese Zettel, die Overfeld in seinen Taschen findet?
Zuerst kehren die Worte zurück. Da ist „ein Rummelplatz“, über den er an diesem Tag im April 2005 irrt, „eine Kirche“, in die er sich setzt. Also, noch einmal von vorn: Er ist … ja, wer ist er? Ihm fällt sein eigener Name nicht ein. Alter? Beruf? Frau? Kinder? Eltern? Freunde – oder vielleicht Feinde? Das Karussell der Fragen dreht sich immer schneller.
Vielleicht sind Medikamente schuld? In seiner Tasche ist keine Tablettenpackung. Irgendjemand hat ihm eine Droge verabreicht! Aber wer? Und warum? Er zittert. Ruhig, keine Angst. Und jetzt keine Tränen! Das ist nur ein Aussetzer.
Ein Ausweis, ja, der könnte ihm auf die Sprünge helfen. In seinen Taschen ist keiner. Auch kein Führerschein, nur ausgerissene Seiten: „Konto in Zürich auflösen zum 01.05.05 persönlich“ steht da. Und auf der Rückseite: „Dr. R.: 16.30 Uhr pp. Übergabe der Akten. 15 000 Eingang bestätigt, Rest 14.05.05 p.p.“
Dieser Text ist in stern Crime erschienen. Das Magazin erzählt Fallgeschichten wahrer Verbrechen auf umfangreiche und detaillierte Weise
Was bedeutet das?
„Anwalt in Frankfurt bezahlen, 1250,-. Wednesday: Zwei für Esse. 10 000,- in Höhe 5000,-.Thursday: A.P.S., Wirso 21 000,-.“
Alles Geldsummen?
Sie werden immer höher: „Dr. R.: 125 000,-.“
Ist das überhaupt seine Schrift?
Psychiatrie
Notaufnahme, Krankenhaus St. Georg. „Herr Doktor, mir muss jemand irgendwas ins Glas getan haben.“ Er wird untersucht. Kein Hirnschlag. Kein epileptischer Anfall. Keine Kopfverletzung. EKG normal. Die Laborwerte bleiben ohne Befund. Keine Spur von Drogen im Blut (später werden auch keine im Haar gefunden), keine Medikamente, kein Alkohol. Anamnese nicht möglich, da keinerlei Erinnerung. Ein Fall für die Psychiatrische.
Der Krankenwagen bringt ihn zum Klinikum Hamburg Nord, Ochsenzoll.
„Fugue.“ Der behandelnde Psychiater schlägt noch einmal in der Fachliteratur nach. Das französische Wort stammt aus dem 19. Jahrhundert. Es bedeutet „Weglaufen“, oft über Hunderte Kilometer. Auslöser sind Ausweglosigkeit, Angst, Panik. So ein Fall sei ihm in seiner bisherigen Praxis noch nicht begegnet, sagt der Psychiater. Diese Form einer dissoziativen Amnesie ist eher etwas aus Romanen. Aber sein Patient ist tatsächlich in Panik.
„Bin ich in ein Verbrechen verwickelt?“, fragt er die Polizistin, die gekommen ist, um ihm persönlich das Ergebnis des Abgleichs seiner Fingerabdrücke mitzuteilen.
Sie kann ihn beruhigen: „Dann wüssten wir längst, wer Sie sind.“
Selbst seinen Namen hat Jonathan Overfeld vergessen
© Joachim Gern
Die Unbekannte aus Berlin
Eine Frau ruft aufgeregt in der Klinik an. Sie will sofort kommen. Er passt perfekt auf die Beschreibung in der Vermisstenanzeige, die sie aufgegeben hat: Mann, 57 Jahre alt, knapp 1,80 Meter groß, schlank, Haarfarbe: grau. Besonderes Kennzeichen: An beiden Händen ist der kleine Finger verkrüppelt.
Der Name im Ausweis: Heinz-Jürgen Overfeld. Aber jeder nenne ihn Jonathan, erzählt die Frau am Telefon. Er und sie seien lange ein Paar gewesen und noch immer enge Freunde. Sie heiße Jutta.
Doch so sehr er sich auch anstrengt, da ist nichts: kein Jonathan Overfeld, keine Jutta, keine Wohnung in irgendeiner Weisestraße, nicht der gemeinsame Hund, von dem sie am Telefon gesprochen hat. Berlin-Neukölln? War er jemals in Berlin? Aber sie wird ja kommen, alles wird sich aufklären.
Doch Jutta kommt nicht. Nicht am Abend, nicht am nächsten Morgen. Sie ruft beim Arzt an und sagt ab: „Es ist besser für uns beide.“
Jonathan Overfeld fragt sich: Was soll das heißen: Besser für beide?
Seine kleinen Finger sind wirklich krumm.
Schubladen
Der Psychiater, der Jonathan Overfeld behandelt, nimmt Kontakt zu Hans Markowitsch auf, Professor für Physiologische Psychologie an der Universität Bielefeld. Er wird Overfeld später erklären, warum er eine Landkarte lesen, Briefe schreiben, sich scheinbar normal unterhalten kann, aber nicht weiß, wer er ist.
Das Gehirn verfügt über unterschiedliche Gedächtnissysteme. Nicht alle fallen bei einer Amnesie aus. Da ist das für die Motorik: Radfahren, einmal gelernt, immer gekonnt. Das Schalten der Gänge im Auto, tanzen, der Griff in die Gitarrensaiten – routinierte Bewegungsabläufe, fest verankert im prozeduralen Gedächtnis und in Millisekunden abrufbar.
Dann gibt es das perzeptuelle Gedächtnis: Ob Golf oder Lamborghini, wir ordnen beides als Auto ein. Unterscheiden Äpfel von Birnen. Erkennen eine Landschaft wieder, egal, ob Hitze oder Schnee.
Das semantische Gedächtnis speichert kontextloses Weltwissen: Paris ist die Hauptstadt von Frankreich. Das wissen wir; aber nicht, von wem wir das wann erfahren haben. Trotz Amnesie könnte jemand bei „Wer wird Millionär?“ viel Geld gewinnen, nur bei den persönlichen Zwischenfragen von Günther Jauch müsste er passen.
Das episodische Gedächtnis wird zuletzt ausgeformt. Es speichert unser Leben, erzeugt lebhafte Bilder voller Details, lässt sie uns vor- und zurückspulen. Es schafft ein Bewusstsein von uns selbst. Das ist der anfälligste Teil. Der Teil, der Jonathan Overfeld abhandengekommen ist.
Als sein Gehirn später untersucht wird, zeigt sich im PET-Scanner, mit dem Stoffwechselaktivitäten im Gewebe dargestellt werden können, ein typisches Bild: Die Regionen vorn rechts liegen weitgehend lahm. Zerstört sind sie nicht. Es gleicht eher einem Systemabsturz. In Gefahr oder seelischer Not werden Stresshormone kaskadenartig ausgeschüttet. Sie überfluten das Gehirn, die Rezeptoren der Nervenbahnen werden blockiert. Fakten und Gefühle laufen nicht mehr synchron, Empfindungen, nicht mehr an Erinnerungen geheftet, irren unverarbeitet umher.
Hans Markowitsch spricht gern von verschlossenen Schubladen. Psychologen benutzen den Begriff der Abspaltung. Der Betroffene will sich unbewusst nicht erinnern, sagen sie. Hirnforscher sagen: Er kann es auch nicht!
Trotzdem tauchen Erinnerungen und Empfindungen wieder auf, können sich einige Schubladen auch wieder öffnen.
Das Klavier
Die Verlegung an die Berliner Charité soll ein Schritt zurück in sein Leben sein. Es ist Sonntagmorgen, einer dieser leeren Vormittage nach schlaflos leerer Nacht. Sonnenlicht fällt in den Aufenthaltsraum der psychiatrischen Station, als Jonathan Overfeld den Klavierdeckel anhebt. Er setzt die Hände auf die Tasten, und sie beginnen zu spielen. Das „Ave Maria“ aus dem Präludium C-Dur des ersten Teils des „Wohltemperierten Klaviers“ von Johann Sebastian Bach. Er braucht dafür keine Notenblätter. „Es war einfach in mir“, wird Overfeld später sagen, wenn er sich an diesen Tag erinnert.
Immer wieder ist es ein Klavier, das freisprengt, was lange irgendwo in Jonathan Overfeld verschüttet war
© privat
Er bemerkt nicht, dass andere Patienten auf den Stühlen hinter ihm Platz nehmen. Sein Publikum applaudiert, und in diesem Moment, der einer des Glücks hätte sein können, da habe er plötzlich ins Entsetzen geblickt, sagt Jonathan Overfeld.
Er sieht einen Ort an der Nordsee, eine Halle, er selbst am Flügel, ein Junge mit blondem Haar. Kinderchöre. Kameras. Vorweihnachtskonzert für eine Fernsehsendung. Er müsse gleich noch einmal spielen, sagte eine Dame, sehr groß, schlank, in Begleitung zweier Herren. Im Auto fuhren sie zu einer Villa. Aber anders als versprochen warteten dort keine Gäste auf ihn, da war nur ein Flügel auf einem weißen Teppich.
Er durfte Sekt trinken, ein ganzes Glas, und noch eines. Er war stolz. Sie wollten ihn einführen in das Künstlerleben. Er sollte sich ausziehen. Er verstand nicht. Der jüngere der Männer drohte, ihm den Finger abzuschneiden. Er sollte sich auf eine Liege legen. Der Mann beugte sich über ihn, schmierte ihn mit Honig ein und mit Sahne. Er leckte an seiner Haut.
In der Berliner Charité schlägt Jonathan Overfeld das Klavier zu, springt auf, der Hocker fällt um, er rennt über den Stationsflur. Er ist jetzt wieder der kleine Jürgen mit weißem Hemd und Fliege, der so schön beim Hochamt spielte. Der mit den Ellenbogen auf die Orgeltasten hämmerte und die Bässe durch die Kirche dröhnen ließ,sodass die Gemeinde erschrak. Der aufsprang und in den Wald rannte, zu seinem Baumhaus.
Er kletterte hinauf, nahm einen Ast, es war Winter. Seine klamme Hand lag auf dem Holzbalken. Er holte aus.
Jonathan Overfeld ist schweißnass. Alles war so deutlich. Hat er sich so seine Finger zertrümmert? Der Arzt gibt ihm eine Spritze. Zur Beruhigung.
Die Suche
Manchmal vergehen Wochen, manchmal Monate, bis sich wieder eine Schublade öffnet. Bis wieder eine Erinnerung langsam in Overfeld einsickert oder ihn plötzlich überschwemmt: Bilder oder Gefühle aus längst vergangener Zeit. Uneingeordnet und unzusammenhängend. War er in das Baumhaus gestiegen, nachdem er sich vor den Männern hatte ausziehen müssen? Es sind Flashbacks, immer aus seiner Kindheit, die Overfeld neue Hinweise darauf geben, wie er zu dem Mann geworden sein könnte, der er ist.
Der Hirnforscher Hans Markowitsch warnt Overfeld vor unangenehmen Entdeckungen. Bei dissoziativen Amnesien finde sich im Hintergrund oft ein Unrecht, manchmal auch ein Verbrechen. Aber Overfeld hält das nicht davon ab, sich auf eine Reise zu begeben, die sich über fast ein Jahrzehnt erstrecken und ihn zurück in seine eigene Vergangenheit führen wird. Auf dieser Reise wird Overfeld, begleitet vom Autor dieses Textes, Orte besuchen und Menschen begegnen, um die kleinen Fragmente, Erinnerungssplitter und Gedächtnisscherben zu dem Mosaik zusammenzusetzen, das er sein Leben nennt. Darauf basiert dieser Text, der Overfelds Wahrnehmungen und Empfindungen nur aus einem Grund so detailliert schildern und rekonstruieren kann: weil Overfeld bereit war, sich dem Reporter anzuvertrauen.
2008 erscheint der erste Artikel über Jonathan Overfeld im stern. Auch dadurch treten viele Menschen, die er längst vergessen geglaubt hat, wieder in Overfelds Leben. Doch am Ende wird es Jahre dauern, bis auch die Ereignisse zu Jonathan Overfeld zurückkehren, die die Ursache für seine Amnesie sein könnten und von denen er sich wünscht, dass er sie nie hätte erleben müssen.
Einsamkeit
Sein erster Weg aus der Klinik führt zu einer Wohnung in Neukölln, Hinterhof, Seitenflügel. Der Name steht auf der Klingel: Jonathan Overfeld. Der Schlüssel, den ihm diese Jutta geschickt hat, passt. Im Flur Kartons, alle durchwühlt. Overfeld steigt darüber hinweg in den Wohnraum: Ein abgewetztes Sofa, zwei alte Sessel, alles wirkt unbehaust. Kein Fotoalbum, kein Bild, weder in den Regalen noch in den Schubladen. Nirgendwo Briefe, keine Zeugnisse. Die einzigen Spuren zu ihm selbst sind eine blaue Packung „Schwarzer Krauser“ und ein Keyboard.
Jonathan Overfeld steht da wie gelähmt, sagt: „Wie kann jemand nur so wohnen?“
Er zieht zurück in die Wohnung, notiert morgens in sein Tagebuch: „Ich laufe durch den Park und weine.“ Abends: „Keine Unterhaltung, kein Streit, kein Lachen.“ Auf einer Parkbank setzt sich ein Spatz auf seinen angebissenen Apfel. „Endlich ein Lebewesen, vor dem ich keine Angst habe.“
Viele Tagebuchseiten sind gefüllt mit „Gedanken, die mich in den Wahnsinn treiben“. Overfeld will diese Blockade durchbrechen. Aber da ist nur Konfusion und Panik. Einmal steht er an einem Bahngleis, und zwei Lichter kommen auf ihn zu. Hell, da ist ein Sog, sich jetzt einfach ins Licht fallen zu lassen. Doch etwas packt ihn, reißt ihn zurück. Der Obdachlose sagt: „Ey Alter, lass man, ich wollte auch schon mal springen.“
Tante Resi
Schon in den ersten Tagen, noch in Hamburg, haben sich in Overfelds Erinnerung wie aus einem Nebel Marienfiguren gelöst. Er konnte die blutenden Hände des Gekreuzigten erkennen, Kerzen, einen Altar, eine Orgel. Kann das mein Elternhaus sein?, fragte er sich. Erst später sei ihm auch Tante Resi erschienen, sagt Overfeld. Ihr aufgeräumtes Ziegelhaus, der Weiher mit der Insel.
„Als der Junge zu mir kam, hatte er schon keine Tränen mehr“, sagt Resi Rademacher. Sie ist eine 90-jährige Dame mit schlohweißer Dauerwelle und gestärkter Bluse, die im Rollstuhl sitzt und für ihre Besucher Kuchen backt. Sie lebt in Westfalen, in Hauenhorst, einem Dorf nahe der Ems, als Overfeld und sie sich, in Begleitung des Reporters, nach fast 40 Jahren wiedersehen. Beide bleiben auf vorsichtiger Distanz.
Im Haus von Tante Resi verbrachte er vier Jahre.
© Joachim Gern
Jonathan, der damals noch Jürgen hieß, sei ihr zugelaufen wie anderen eine Katze, erzählt Rademacher. Eines Tages, es muss das Jahr 1961 gewesen sein, hatte der Neunjährige im Hoftor gestanden und geweint. Wie sich herausstellte, war Jürgen aus einem Kinderheim in Bottrop ausgerissen, das ist 100 Kilometer entfernt. Er wollte nicht zurück, und Tante Resi wollte ihn gern bei sich behalten. Sie gab ihm zu essen und auch ein Bett.
Tante Resi war Heilpraktikerin mit einem vollen Wartezimmer, die, daran erinnert sich Overfeld wieder, „alle mit ihrem gewinnenden Lächeln bezaubern konnte“. Nur mit der Dame vom Amt war es schwierig. Lange musste Tante Resi, die damals noch ein „Fräulein“ war, mit ihr verhandeln, bis sie den Jungen aufnehmen durfte.
Jonathan hieß als Kind Jürgen
© privat
Röntgenbilder, die bei einer Routineuntersuchung aufgenommen wurden, zeigten, dass Jürgen bereits elf Knochenbrüche erlitten hatte. Tante Resi war seine sechste Lebensstation, wie Overfeld später herausfindet. Von der Mutter nach der Geburt 1951 nicht angenommen, hatte er das erste Lebensjahr in einem Säuglingsheim verbracht. Dann lebte er gut zwei Jahre lang bei einer ersten Pflegefamilie, danach fünf Jahre im Heim. Bis 1959 war er bei einer zweiten Pflegefamilie, die ihn zur Feldarbeit statt zur Schule schickte. Danach kam er in das Kinderheim St. Konrad in Bottrop. Und dann zu Tante Resi. „Da wollte ich ihm einfach nur gut sein“, sagt sie.
Doch was hatte sie für Sorgen mit ihm! Immer nur Widerworte und mit schmutzigen Schuhen ins Haus. Der Organist gab Jürgen Klavierunterricht. Note eins in Mathe und Musik, aber schlecht in „Betragen“, ungezogen und faul. Nicht einmal der Rektor, der so erbarmungslos die Rute führte, wurde dieses Knaben Herr.
Zur Strafe in die Speisekammer gesperrt, trank Jürgen den Saft aus den Einmachgläsern. Nachts läuteten die Kirchenglocken, weil er beim Küster das Uhrwerk verstellt hatte. Oft weinte Tante Resi, sie war gutherzig und griff doch selbst zum Stock, „zu seinem Besten“, wie sie sagt.
Als sie dann heiratete, habe Jürgen stumm und traurig dagesessen. Ihren Mann hatte sie über eine Anzeige im katholischen „Liboriusblatt“ gefunden. Mit Onkel Erichs Einzug füllte sich das Haus mit Marienfiguren, Putten, Leuchtern und einem Altar. Eine inbrünstige Gemeinde, der die Frömmigkeit der römischen Kirche nicht genügte, strömte zu ihm und nannte ihn bald „Bischof“.
Auch Klaus Rademacher und seine Schwester Petra lebten damals als Pflegekinder bei Tante Resi. Später wurde Rademacher, den Tante Resis Schwager adoptierte, Medizinpädagoge. Er erinnert sich noch genau an diese Zeit. Alle drei Kinder mussten auf Erbsen knien und einen Rosenkranz beten, erzählt er. Onkel Erich, der neue Herr im Haus, habe ihnen erklärt, dass sie so am Leiden Christi teilhätten. Besonders auf Jürgen hatte Onkel Erich es abgesehen. Er wollte ihn „brechen“, prügelte auf dieses „Ausbund“ ein. Rademacher sagt, er könne auch noch die irren Schreie der Gläubigen hören, die sich, ausgerüstet mit Weihwasser und Weihrauch, um den Exorzisten an Jürgens Bett versammelten.
Mit Onkel Erich war auch dessen Mutter eingezogen, sie wünschte sich bald Enkelkinder von eigenem Blut. Die fremde Brut musste raus. Vier Jahre hatten Jürgen, Klaus und Petra bei Tante Resi gelebt.
Overfeld sagt, für ihn seien es trotz allem die schönsten seiner Kindheit gewesen.
Die Jahre bei Tante Resi bezeichnet Overfeld trotz allem als die schönsten seiner Kindheit
© privat
Die grauen Männer
Vorbeifahrende Lkws lassen das Haus an der Durchgangsstraße erbeben. Overfeld streicht Wände und Türen seiner neuen Wohnung, richtet sich ein. Er sucht einen Neuanfang, Anonymität in einem anderen Stadtteil. Reinickendorf, weitab von Neukölln.
Eines Abends, es ist bereits nach Mitternacht, klingelt es an der Haustür. Overfeld sagt, er habe auf die Wanduhr geschaut und das Licht gelöscht. Zwanzig Minuten nach zwölf, wer sollte so spät zu ihm wollen? Wer könnte überhaupt wissen, dass er jetzt hier wohnt?
Er horcht. Da ist nur das Hämmern seiner Schläfen. Er wartet. Hört Schritte auf der Treppe, dann vor der Wohnungstür. Es klingelt wieder. Die Schritte entfernen sich.
Vom Balkon aus erkennt er zwei Männer in dunklem Anzug. Sie verlassen das Haus. In seinem Briefkasten findet er einen Zettel, den er später auch dem Reporter zeigt:
„Herr Overfeld, unser Auftraggeber hat uns autorisiert, Sie finanziell großzügig zu bedenken … Für Sie sind die Unterlagen wertlos. In den nächsten Tagen werden wir Sie aufsuchen und erwarten Ihre Entscheidung. Bitte bedenken Sie, das Angebot ist sehr großzügig, zumal in Ihrer jetzigen Situation.
Gruß M+P“
Overfeld kennt weder M. noch P. Er weiß nicht, welche Unterlagen gemeint sind. Er findet keine Ruhe, vergräbt den Kopf ins Kissen. Der Verkehrslärm an der mehrspurigen Straße verstärkt seine Schlaflosigkeit. Zimmerdecken erdrücken ihn. Über Monate habe er sich im Schlafsack nachts in einen Wald am Tegeler See gelegt, sagt Overfeld. Einmal finden Spaziergänger ihn im Schnee, fast erfroren. In der warmen Wohnung aber rasen wieder die Autos durch seine kurzen Schlafphasen.
Eine Spedition ruft an. Aber Overfeld hat keine Möbel bestellt. Als er von einem Spaziergang zurückkehrt, steht auf einmal eine Palme im Zimmer. Overfeld ruft Kai-Uwe Christoph an, seinen Psychologen, einen Mann von großer Zugewandtheit, milde und doch sehr klar. Christoph kommt, beruhigt.
Tage später: Der Kühlschrank ist leergeräumt, Joghurtbecher, Margarine, Fisch, alles auf den Tisch getürmt. Wer treibt solchen Schabernack? Christoph kommt, beruhigt.
Die Wohnungstür steht offen, alle Schubladen sind herausgezogen. Christoph kann Overfeld jetzt nicht mehr beruhigen. Eine neue Abspaltung? Eine Inszenierung? Die Möbelbestellung, die Palme, die aufgetürmten Lebensmittel – war er das alles selbst?
Christoph bringt Overfeld in eine Klinik. Der Arzt sagt: „Jetzt schlafen Sie erst einmal.“ Aber die grauen Männer? „Phantome“, sagt Overfeld später immer wieder, „hinterlassen doch keinen Brief.“
Die Narbe
Eine Judith schreibt ihm. Eine alte Kinderliebe. Am Telefon ist er aufgeregt, weiß nicht sicher, wer sie ist. Aber als sie sich wiedersehen, auf einem Bahnhof, keimt in Overfeld eine tiefe Verbundenheit neu auf.
Judith Riesener, die als Mädchen viele Sommer bei Tante Resi verbracht hatte, ist der erste Mensch, den Overfeld wieder in den Arm nehmen kann. Sie ist verwitwet, arbeitet als leitende medizinisch-technische Assistentin in einer Klinik in Brühl. Sie wird Overfeld zur Zuflucht und Lebensstütze, ist bald ordnende Hand in seinem Leben. Gemeinsam unternehmen sie Reisen, aus der Kinder- erwächst eine Erwachsenenliebe. Bei Judith verwandelt sich der nervöse Jonathan aus Berlin wieder in den spitzbübischen, aber so verletzbaren Jürgen.
Overfeld findet Arbeit in einer Gärtnerei, zieht zurück nach Neukölln, ist in seiner neuen Stammkneipe „Froschkönig“ wieder unter Menschen, die bald Freunde werden. Doch immer wieder erlebt er dissoziative Episoden, häufig wenn er Klavier spielt, sich in Improvisationen verliert. Dann kommt Overfeld erst Stunden oder Tage später wieder zu sich, befindet sich plötzlich am Bahnhof in Dresden, Magdeburg oder Schwerin. Stets hat er eine Fahrkarte in der Tasche, aber nie irgendeine Erinnerung daran, wie er dorthin gekommen ist.
Die Frage, was seine Amnesie ausgelöst haben könnte, wird für Overfeld immer drängender. Beinahe täglich trifft er sich mit Jutta, seiner ehemaligen Freundin, auf die er in der Psychiatrie vergebens gewartet hat. Von ihr erfährt Overfeld, dass sie beide vor zwanzig Jahren in einer der Casino-Spelunken an der Potsdamer Straße in Berlin-Schöneberg arbeiteten. Sie habe an der Bar gestanden, erzählt Jutta ihm, er sei der neue Croupier gewesen. Schnell im Kopf, geschickt mit den Karten, sauber in der Abrechnung. Einer, dem Rinor, der Albaner, vertrauen konnte, auch in geheimen Casinos auf dem Ku’damm und beim Inkasso.


Irgendwann seien sie beide dort ausgestiegen, sagt Jutta, und gemeinsam nach Italien gegangen. Overfeld denkt wieder an die Zettel, die er in Hamburg in seiner Jackentasche gefunden hat. Konnten die Geldsummen, die er darauf notiert hatte, etwas mit dieser Zeit zu tun haben? Hatte er seine Kontakte zum Zockermilieu reaktiviert? Aber was hat es dann mit den Unterlagen auf sich, von denen etwas in dem Schreiben steht, das er in seinem Briefkasten gefunden hat? Und was ist mit den zwei Männern im dunklen Anzug? Sie tauchen nie wieder auf.
Overfeld findet heraus, dass er eine Zeit lang bei einer Immobilienverwaltung gearbeitet hat. Er meint, sich wieder an Akten zu erinnern, die er dort gestohlen zu haben glaubt. Schriftstücke aus den 40er-Jahren über jüdisches Eigentum im alten Hansaviertel in Berlin. Wollte er vielleicht jemanden erpressen?
Er sucht und sucht, aber er findet nichts. Keine Unterlagen. Keinen Anhaltspunkt. Nur ein Datum: Dass er bei der Immobilienverwaltung gearbeitet hat, ist mehr als zwanzig Jahre her.
Dreht er langsam durch?
Overfeld beschließt, nicht länger nach dem Auslöser für die Amnesie zu fragen. Er beginnt, nach etwas anderem zu suchen, nach dem, was ihn rasend macht und schlaflos hält. Nach der Ursache für all das.
Markowitsch hat ihm gesagt, dass eine solch schwere Amnesie vornehmlich Menschen ereilt, die tiefe Narben in ihrer Seele trügen. Vielleicht, glaubt Overfeld, ist das der Schlüssel zu allem: die Narbe, die sich zehn Zentimeter lang über seinen Bauch zieht.
Sie ist alt und schmerzt, wenn er sie berührt.
Heimkinder
Warum hat er sich nur überreden lassen? Warum ist er nach Paderborn gefahren, zu diesem Treffen ehemaliger Heimkinder? Das ganze Gerede von Prügel, Zellen und Bettnässern – was hat das mit ihm zu tun? Overfeld kennt kein Salvator Kolleg in Hövelhof. Er hat diesen Namen nur in dem Brief einer Versicherung gefunden. Es ging um eine Augenverletzung, die er sich dort als Zögling mit einer Zwille zugezogen haben soll. Tatsächlich ist er auf einem Auge fast blind.
Jetzt steht er, begleitet vom Reporter, mit unbekannten Männern seines Alters in der Aula eines Nonnenklosters. „Weißt du das nicht mehr?“, fragt der Fremde neben ihm am Stehtisch, ein Riese mit sonorer Stimme in einem guten Anzug. „Erinnerst du dich nicht mehr an Lupo?“
Manchmal ist es ein Geruch oder ein Geschmack auf der Zunge; oft sind es Bilder, manchmal genügen Worte oder Namen; jetzt stößt „Lupo“ die Tür zu einem dunklen Verlies in Jonathan Overfelds Seele auf. Lupo, der lange, dünne Wolf mit der großen Nasenspitze. Der Name einer Comicfigur, die in Overfelds Kindheit populär gewesen war.
„Lupo!“, entfährt es Overfeld, „Lupo! Das war Bruder Clemens!“
Ihm wird heiß. Er braucht Luft, muss hier raus. Er stößt die große Glastür auf und rennt.
Die Männer am Resopaltisch schweigen. Jeder von ihnen hat an diesem Tag seine eigenen Erinnerungen, schambesetzt und wutdurchdrungen, mitgebracht. Jeder kennt die drei Arrestzellen, in denen sie für alles Mögliche – für Widerworte, Arbeitsbummelei oder Fluchtverdacht – eingesperrt wurden, meistens tage-, manchmal wochenlang.
Auch er habe nun wieder alles vor sich sehen können, sagt Jonathan Overfeld später: einen Tisch, einen Stuhl, festgeschraubt. Als Pritsche ein paar Bretter auf einem Betonsockel. Keine Matratze, kein Kissen, nur eine kratzige Wolldecke für die Nacht, unter der er, bekleidet mit nichts als einer Unterhose, im Winter fror. Im Sommer war es, als würde die Zelle glühen: der Gestank von Urin und Kot aus dem Blecheimer, der Durst unerträglich.
Abends öffnete sich die Eisentür. Lupo, schmächtig, hochgewachsen, aber fast mädchenhaft in seiner Kutte mit der Kordel daran, habe Kakao und Kuchen auf einem kleinen Silbertablett gebracht und zwei Zigaretten, Marke Overstolz. So erinnern sich Overfeld und die anderen ehemaligen Heimkinder daran.
Ein tröstendes Streicheln, ein Schluck vom Kakao, mit dem seien Schwindelgefühle und Willenlosigkeit gekommen.
Das Salvator Kolleg
Das vierstöckige Jugendstilhaus liegt am Rande des Teutoburger Waldes in der Heide- und Moorlandschaft der Senne. Erbaut wurde es von den Brüdern des katholischen Salvatorianer-Ordens Anfang des vergangenen Jahrhunderts. Mit seinen Sälen und Zimmern, den Gärten und Gewächshäusern, Feldern, Ställen und Fabrikhallen sollte das Salvator Kolleg nach dem Willen des Ordensgründers ein Ort „zum Heil der Seelen“ sein: für Waisen, Verlassene, Verstoßene, für Kinder der Sünde und sündige Kinder, für kleine Diebe und größere Rabauken – ausschließlich Jungen.
Jonathan Overfeld fährt noch am selben Tag gemeinsam mit dem Reporter dorthin. 15 Kilometer sind es von Paderborn bis Hövelhof. Schon auf der Fahrt kehrt vieles zu ihm zurück. Die Jüngeren schliefen in Sälen, fällt ihm wieder ein. Ihre Gruppen wurden von Nonnen geleitet. Die Älterenunterstanden den Mönchen und hatten Zimmer, deren Türen nur von außen zu öffnen waren. Abends war Aufschluss zum Abendessen im großen Speisesaal mit den langen Holztischen. Tagsüber arbeiteten die Jungen in der hellbraun gestreiften Anstaltskleidung in den Fabrikhallen.
Ein Ort zum „Heil der Seelen“: Im katholischen Salvator Kolleg waren ausschließlich Jungen untergebracht
© Joachim Gern
Sie drehten Metallfedern in die Rahmen der Schlaraffia-Matratzen. Am Band fertigten sie Hella-Glühbirnen für Autorücklichter. Reden verboten, Pinkeln um zehn Uhr, dann noch einmal in der Mittagspause. Wie auf der Galeere habe der Aufseher mit einem Draht auf die Jungen eingeprügelt, erinnert sich Overfeld später. Und so bestätigen es auch die anderen Heimkinder.
Overfeld war 14 Jahre alt, als er weg von Tante Resi, mit einer Zwischenstation in einem anderen Heim, aufs Salvator Kolleg geschickt wurde. Fast vier Jahre verbrachte er dort, ehe er floh. Den Willen brechen, um die Jungen wiederaufzubauen, das sei das Konzept gewesen. „Nur dass sie alle gebrochen haben“, sagt Overfeld, „aber keinen wiederaufgebaut.“
Inzwischen ist aus dem Salvator Kolleg ein modernes Jugendheim der Caritas geworden, für Jungen ab 14 Jahren. Ordensleute gibt es hier keine mehr. Overfeld betritt die Eingangshalle, ist schon fast an der Glasscheibe der Pförtnerloge vorbei, als man ihn zurückruft. Er dürfe hier nicht einfach durchlaufen.
Aber Overfeld wird mehrmals wiederkommen. Der Heimleiter wird ihm zunächst auch gestatten, die Kapelle mit den abendrotfarbenen Decken- und Wandmalereien aufzusuchen und sich an die Orgel zu setzen, auf der er früher so häufig spielte. Über dem Altar steht eine goldüberzogene Christusstatue. Jesus streichelt einem knienden Jungen über das Haar.
Bei dem Treffen in Paderborn haben die ehemaligen Heimkinder Adressen ausgetauscht. Overfeld wird in den folgenden Jahren zu einem festen Knoten im Netz der ehemaligen Zöglinge werden. Was sie verbindet, ist die Erinnerung an die Mönche und an das, was sie ihnen niemals verzeihen werden.
Da ist Pater Gabriel, der erbarmungslos prügelnde Direktor „Zack-Zack“. Da ist Bruder Ingbert, „die schnellste Hand von Hövelhof“. Da ist Bruder Martin, der zielsicher mit dem Schlüsselbund wirft. Da sind Bruder Clemens, Spitzname „Lupo“, der sanfte Besucher der Nacht, und sein Pendant, der brutale Ignatius. Und da ist Pater Vincens.
„Kugelblitz“ nannten die Jungen ihn. Weil Pater Vincens sich oft von hinten angeschlichen haben soll, schnell und leise, und dann mit einem steinharten Knoten am Ende der Kordel, die er um seine Kutte trug, zugeschlagen haben soll. Gezielt auf die Hoden. Häufig soll er den Jungen die Beichte abgefordert haben. Alles Sündige hätten sie ihm zeigen sollen, gleich an ihm selbst. Danach hätten sie einen Rosenkranz beten müssen. So erzählen es die ehemaligen Heimkinder. So erzählt es auch Jonathan Overfeld.
Nachts sei dann auch Pater Vincens mit ein paar Flaschen Bier in die Arrestzellen gekommen. Nackt sei er unter seiner Kutte gewesen. Wenn er aufgewacht sei, sagt Overfeld, hätten zwischen seinen Beinen getrocknetes Blut und Sperma geklebt.
Mecki
Es muss doch hier sein, dieses verfluchte Wirtshaus. Overfeld steht direkt an der Straße, die vom Salvator Kolleg nach Paderborn führt, gegenüber vom Schloss Neuhaus. Aber anders als Overfeld vermutet hat, befindet sich dort kein Gasthof im Fachwerkstil. Alles, was er sieht, ist ein weiß verputztes Haus.
Spielt ihm sein Gehirn einen bösen Streich? Kann er seinen Erinnerungen nicht trauen? Er hat doch alles wieder so klar vor sich gesehen! Auch den Mann, den sie Mecki nannten.
Immer wieder wird Overfeld mit dem Phänomen der „false memories“ konfrontiert. Gemeint ist damit, dass seine Erinnerungen nur eingeredet seien. Aber das könne nicht sein, sagt Overfeld. Er versucht jede Erinnerung zurückzuverfolgen. Auch die, die ihn ganz am Anfang überkam, als er in der Berliner Charité Klavier spielte. Der Ort an der Nordsee. Er findet heraus, dass er damals bei Tante Resi gelebt haben muss und dass es sich bei dem Ort um Emden gehandelt haben könnte, wo Tante Resis Bruder lebte. Aber mehr ist da nicht. Es bleibt eine Lücke. Overfeld muss damit leben.
Doch auch wenn er nicht jeden einzelnen losen Faden, den er zu fassen kriegt, vertäuen kann – die Bilder in seinem Kopf seien so scharf, die Erregungen so unmittelbar, sagt er, als wären sie gerade eben passiert. So ist es auch mit den Erinnerungen an Mecki und das Wirtshaus.
Darf er seiner Erinnerung vertrauen? Overfeld sagt, die Bilder in seinem Kopf seien so scharf, als wäre es gerade passiert
© Joachim Gern
Meist war es schon dunkel, sagt Overfeld, wenn die Mönche ihn und seinen besten Freund Heinz sedierten und auf die Rückbank des roten Autos drückten. Es war nicht weit zu dem Wirtshaus, in dem ihre Körper anderen Männern zur Verfügung gestellt wurden. Die Mönche schleppten die Jungen durch einen Hintereingang in eine Art Clubzimmer, in dem ein Sofa, viele Kerzen und an der Wand ein alter Holzschrank mit Schnitzereien standen. Unten, in der Mitte, waren drei Schubladen. In die unterste habe er Worte eingeritzt, erinnert sich Overfeld: „Helft mir“. Und: „Help.“ Das englische Wort vielleicht deshalb, glaubt er, weil zu den Gästen in dem Lokal auch britische Soldaten gehörten. Die Kasernen waren ganz in der Nähe.
Overfeld hält eine Nachbarin an, die gerade vorbeigeht. Den Gasthof, sagt sie, gebe es schon lange nicht mehr. Aber sie kennt noch den Wirt. Er steht im Telefonbuch.
Wie sich herausstellt, hat er das Wirtshaus erst übernommen, als Overfeld schon nicht mehr am Salvator Kolleg war. Aber an den Schrank könne er sich noch erinnern, sagt der Wirt. Er habe ihn aufarbeiten lassen und später verkauft. „Kann gut sein, dass da in der Schublade etwas eingeritzt war.“ Auch Pater Vincens kennt er. An den Wochenenden sei der oft in seinem Sonntagsanzug im Ort gewesen.
Overfeld sieht erleichtert aus. Er hat sich nicht getäuscht. Und da ist ja auch die Narbe auf seinem Bauch. Der beste Beweis dafür, dass er sich nichts eingebildet hat. Auch nicht die Sache mit Mecki. Overfeld sagt, sie nannten ihn Mecki nach dem Comic-Igel aus der Zeitschrift „Hörzu“. Er war ein Soldat gewesen, eines seiner Augen stand schief, und auf dem Daumen hatte er einen dunklen Hautfleck.
An einem der Wochenenden habe die Wirkung des Sedativums früher nachgelassen, da habe er sich von Mecki losgerissen und sei durch den Hintereingang des Wirtshauses hinausgerannt, erzählt Overfeld. Doch Mecki habe ihm nachgesetzt, ihn gestellt, das Stiletto aufspringen lassen. Er habe nicht ausweichen können, als Mecki ihm die Klinge in den Bauch gestochen habe.
Wochenlang habe er danach im Krankenzimmer gelegen, sagt Overfeld, gepflegt von Bruder Clemens. Kein Arzt habe die Wunde versorgt.
Jahrzehnte später ist die Narbe auf seinem Bauch verwachsen, aber sie bleibt so tief, dass Overfeld einen Finger hineinlegen kann.
Erst im Jahr 2011, Jonathan Overfeld ist 60 Jahre alt, wird sie von einem Chirurgen korrigiert. Die Kosten der Operation zahlen die Salvatorianer aus einem Entschädigungsfonds.
Verjährt
Pater Alfons Minas war eine asketische Erscheinung, ein Intellektueller im Gewand eines Paters. Im Jahr 1971, Overfeld ist längst getürmt und lebt in Amsterdam, übernimmt Minas die Leitung des Salvator Kollegs. Er verändert vieles. Er ersetzt die starren Klinken durch bewegliche Türknäufe. Er verwandelt die Fabrikhallen in Werkstätten, in denen die Jungen Ausbildungen in 21 verschiedenen Berufen machen können. Bis 2002 leitet Pater Minas das Salvator Kolleg, inzwischen ist er verstorben. Aber noch zu Lebzeiten berichtet er dem Reporter davon, dass einige seiner Mitbrüder unmittelbar vor seiner Ankunft „andernorts neue Aufgaben übernommen“ hätten.
Pater Vincens wurde Gefängnisseelsorger in Berlin. Eine lokale Berühmtheit und ein gern gesehener Gast im Regionalfernsehen, ausgezeichnet mit der goldenen Ehrennadel des Ortsverbands der Feldjäger der Bundeswehr und dem Bundesverdienstkreuz.
Als Overfeld davon erfährt, wird er wütend. Diese Scheinheiligkeit, diese Fassade. Er muss jetzt mit ihm reden. Pater Vincens ist vom Salvator Kolleg vorgewarnt worden. Ein Jonathan Overfeld sei in Hövelhof gewesen, begleitet von einem Reporter.
Overfeld fährt allein zum Büro des Paters in Berlin. Aus seinem Jackett lugt ein Kabel hervor. Pater Vincens reißt Overfeld das Jackett von den Schultern. Das Kabel führt, anders als der Pater offenbar vermutet hat, nicht zu einem versteckten Mikrofon, es gehört zu Overfelds Walkman. Pater Vincens kommandiert ihn sehr schnell hinaus, er solle doch seinen Frieden mit Gott finden, habe der Pater zu ihm gesagt, erinnert sich Overfeld. Und auch: „Man muss auch einmal vergessen können.“
Pater Vincens stirbt im Juni 2022 im Alter von 92 Jahren. Er hat stets bestritten, einen der Jungen aus dem Salvator Kolleg sexuell missbraucht zu haben. Er wurde deswegen nie angeklagt. Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wurde eingestellt. Schwerer sexueller Missbrauch verjährt nach 20 Jahren. Und als Overfeld und auch die anderen ehemaligen Heimkinder ihre Anschuldigungen im stern öffentlich machen, ist die Frist längst verstrichen.
Overfeld versucht trotzdem, durch Beschwerden bei Staatsanwaltschaft und Gericht, Ermittlungen zu erzwingen. Vergeblich. Allerdings setzen die Salvatorianer Pater Minas als Missbrauchsbeauftragten ein. Kurz nachdem er 1971 die Leitung des Kollegs übernommen hatte, zeigte er Bruder Clemens an, der sich an einem der Jungen vergangen hatte. Bruder Clemens wurde wegen Missbrauchs verurteilt. Nun richtet Minas einen Entschädigungsfonds für weitere Opfer ein. Bis auf Pater Vincens sind alle Beschuldigten zu diesem Zeitpunkt bereits gestorben. Ein kirchliches Strafverfahren gegen Pater Vincens wird nicht eingeleitet. Pater Vincens soll zukünftig lediglich keine Schulgottesdienste mehr leiten, heißt es.
Bei seiner polizeilichen Vernehmung erfährt Overfeld, so schildert er es, dass er schon einmal, in den 60er-Jahren, eine Anzeige gegen Pater Vincens und das Salvator Kolleg erstattet habe. Overfeld war das entfallen. Erkundigt man sich heute bei der Staatsanwaltschaft, heißt es dort, Belege für eine solche Anzeige konnten nicht gefunden werden.
Overfeld jedoch hat keine Zweifel mehr. Im März 2016 erstattet er bei der Staatsanwaltschaft in Paderborn eine Anzeige gegen Pater Vincens. Es ist eine Anzeige wegen einer anderen Straftat, einer, die nicht verjährt: Mord.
Georg
Zuerst ist Overfeld der Wellensittich wieder eingefallen. Der spazierte dem Georg, wenn er auf dem Bett lag, über den nackten Hintern. Das sah lustig aus. Mit dem Namen ist Overfeld sich allerdings nicht sicher. Georg könnte auch Günter oder womöglich ganz anders geheißen haben. Was Overfeld jedoch genau weiß, ist, dass Georg – oder Günter – blonde Locken hatte und zu den Prinzen gehörte. Die wurden so genannt, weil die Brüder sie besonders gern hatten. Hatte einer der Prinzen Süßigkeiten oder erzählte, dass er mit dem Autoscooter gefahren war, wussten die anderen, was ihm dafür widerfahren war. Georg und Jürgen waren einige Zeit auf demselben Flur eingeteilt. Georg hatte keine Eltern, niemanden, der ihm mal ein Paket schickte.
Jürgen war inzwischen in die Gruppe der Älteren, der Rebellen, aufgerückt. Deshalb wunderte er sich, dass der Jüngere am wöchentlichen Duschtag nackt und zitternd auf ihn wartete. „Weil du öfter abhaust“, sagte Georg. Als die anderen unter der Dusche standen, zog Georg einen Brief aus der Hose, die neben ihm auf der Bank lag. „Kannst du den das nächste Mal mitnehmen?“
Die Ordensbrüder lasen jeden Brief, der das Kolleg erreichte oder verlassen sollte. Dieser wäre nie durchgekommen. Auf dem Umschlag stand in runden Buchstaben die Anschrift des Jugendamts. „Ich habe alles aufgeschrieben, was die machen“, habe Georg zu ihm gesagt, erinnert sich Overfeld.
Doch plötzlich sei Pater Vincens hereingeplatzt, habe Georg den Umschlag aus der Hand gerissen, habe den Brief überflogen und befohlen: „Ihr bleibt hier!“ Pater Vincens sei mit dem Brief rausgerannt, sagt Overfeld. Starr vor Angst hätten die beiden Jungen auf der Lattenbank gesessen. Sie kannten Vincens’ Raserei, wussten, welcher Furor gleich über sie kommen würde. Minuten später habe Vincens die Tür wieder aufgestoßen. Neben ihm habe Bruder Ignatius gestanden, ein gedrungener Koloss.
Die beiden Ordensbrüder hätten sie gepackt, erinnert sich Jonathan Overfeld. Die nackten Jungen den langen Gang entlang zu den Kellerräumen gestoßen, von den Heimkindern „Katakomben“ genannt.
Wie gelähmt sei er gewesen, als ihn Pater Vincens an einen der Ringe, die in die Wand eingelassen waren, gekettet habe, sagt Overfeld. Ein Schlag mit dem Eisenrohr habe ihn getroffen. Dann habe Pater Vincens sich Georg zugewandt, ihn angeschrien, ihn geohrfeigt, den undankbaren Judas. Ignatius habe mit dem Eisenrohr zugeschlagen. Immer wieder habe Ignatius zugeschlagen, auf Georgs Arme, zwischen die Beine, auf Kopf und Nacken. Pater Vincens zündete eine Kerze an und sang liturgische Verse.
Dann noch ein Schlag, und der schmächtige Kinderkörper sei aufgerissen. Eine tiefe Wunde, die vom Ohr über den Nacken bis zum Rücken klaffte. Georg habe jetzt nicht mehr geschrien, sagt Overfeld. Er habe in einem See aus Blut gelegen. Dann habe sich die Tür geöffnet. Darin habe Karl gestanden, auch einer der Älteren.
Der späte Zeuge
Im Gespräch braucht er immer wieder eine Minute totaler Konzentration. Die Stimme darf nicht wegbrechen, denn dann kommen die Tränen. Karl M., ein stattlicher Mann, der keine klaren Worte scheut, gehört zu den wenigen ehemaligen Heimkindern, die es in ihrem späteren Leben zu beruflichem Erfolg und privatem Glück gebracht haben. Vielleicht weil er bereits 17 Jahre alt war, als er auf das Salvator Kolleg kam.
Karl M. war 17, als er aufs Salvator Kolleg kam
© privat
Karl M. hatte im Lokal seiner Mutter einen Mann zusammengeschlagen. Der hatte Karls Mutter, die an Multipler Sklerose erkrankt war und unter Gleichgewichtsstörungen litt, als Alkoholikerin beschimpft. Das Jugendamt empfahl der Mutter die freiwillige Fürsorgeerziehung. Das würde ihrem Sohn das Gefängnis ersparen.
Seine eineinhalb Jahre auf dem Salvator Kolleg hat Karl M. lange irgendwo auf dem Dachboden seines Lebens abgestellt. Doch als sogar die „Tagesschau“ anfängt, über die Situation der Heimkinder in der Nachkriegszeit zu berichten, rücken immer wieder Erinnerungen in seine Gedanken, seine Nächte.
Am 11. Mai 2021, fünf Jahre nach Overfeld, bringt auch Karl M. bei der Staatsanwaltschaft in Paderborn einen Mord an einem Zögling des Salvator Kollegs zur Anzeige. Und dessen Vertuschung durch Pater Vincens. Der ungefähre Tatzeitpunkt: Herbst 1968. Die mutmaßlichen Täter: Pater Vincens und Bruder Ignatius.
Overfelds Anzeige war zu diesem Zeitpunkt bereits im Sande verlaufen. Allerdings hatte das Salvator Kolleg selbst noch zuvor eine Anzeige wegen Mordverdacht erstattet. Worauf sich diese Anzeige stützte, ist heute nicht mehr zu rekonstruieren. Aber es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie auf Overfelds Schilderung beruhte. Fest steht, dass die Polizei Paderborn im Jahr 2014 Ermittlungen einleitete.
Im sogenannten dicken Buch des Salvator Kollegs, in dem die Pater sämtliche Neuzugänge verzeichneten, fand sie acht Jungen mit den Namen Georg oder Günter. Die Polizei schloss diese acht Jungen jedoch als Opfer aus, da es in den Personalakten des Kollegs auch später noch Eintragungen zu ihnen gab. Dafür, dass diese Eintragungen manipuliert gewesen sein könnten, entdeckten die Beamten keine Anhaltspunkte.
Noch Jahrzehnte später verfolgt Karl M., was er dort erlebte
© Joachim Gern
Karl M. sagt, er habe damals in der Werkstatt im Kellergang ein gedrechseltes Stück Holz für eine Schnitzarbeit gesucht. Dann habe er Schreie gehört, er habe eine Tür geöffnet, aus der im selben Moment Bruder Ignatius herausgekommen und an ihm vorbeigestürmt sei. Links, an ein Heizungsrohr gekettet, habe er Jürgen Overfeld gesehen. „Hau ab! Hau ab, sonst bist du auch noch dran!“, habe Jürgen gerufen. Aber er, Karl, habe die Tür weiter aufgedrückt. Am Ende des Raumes habe er Pater Vincens stehen sehen, ein Eisenrohr in der Hand. Neben dem Pater habe ein Junge gelegen, gekrümmt, abwärts vom Ohr habe eine lange Wunde geklafft. Dann sei er abgehauen, sagt Karl M.
Overfeld und Karl M. haben ihre Erinnerungen später ausgetauscht. Aber sie beide beteuern, sie hätten sich ursprünglich unabhängig voneinander erinnert. Ihre Beschreibungen sind fast identisch. Nur in einem wesentlichen Punkt unterscheiden sie sich: Bei Overfeld hält Ignatius das Eisenrohr. Karl M. meint, in dem Moment, in dem er die Tür öffnete, hätte Vincens es in der Hand gehabt.
Das Moor
Das Zimmer von Karl M. lag im Parterre auf der Rückseite des lang gestreckten Gebäudes, mit seitlichem Blick in Richtung Moor. Heute ist das Moor trockengelegt, damals sah es wie eine im Wasser stehende Wiese aus. Für die Jungen war es verbotenes Gebiet und durch einen kniehohen Zaun vom Gelände des Salvator Kollegs getrennt.
Am Abend desselben Tages, an dem er die Männer im Keller überraschte, sagt Karl M., habe er am Fenster seines Zimmers gesessen, als er beobachtet habe, wie zwei Ordensleute etwas ins Moor schleppten. Eine Rolle oder einen Teppich, so groß, dass ein Mensch hineinpasste. Einer der Mönche sei rückwärts gegangen, sodass die Außenlampe am Gebäude sein Gesicht beleuchtet habe. Karl M. schwört: „Das war Pater Vincens!“. Den zweiten Bruder habe er nicht erkennen können. Auf den sei das Licht von hinten gefallen.
Karl M. und auch Jonathan Overfeld berichten, die hätten von verschiedenen Fenstern des Kollegs etwas im Moor beobachtet
© Joachim Gern
Auch Jonathan Overfeld berichtet, dass er abends am Fenster gesessen und etwas gesehen habe. Er erinnert sich daran, wie Pater Vincens gemeinsam mit Bruder Ignatius so etwas wie einen Sack getragen habe.
Und noch ein dritter Junge saß an diesem Abend am Fenster. Werner F. musste sich etwas abkühlen von einer heftigen Rauferei. Auch er sagt, er habe zwei Ordensbrüder gesehen, die einen Sack oder Ähnliches in Richtung Moor getragen hätten.
Aus Werner F. ist inzwischen ein stämmiger Mann geworden, von Beruf Fernfahrer. Overfeld und er haben sich in einem Internetforum kennengelernt. An einem Tag im Oktober 2013 treffen sie sich, begleitet vom Reporter, vor dem Salvator Kolleg. Werner F. ist mit seiner Frau aus Hamm gekommen. Jonathan gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Judith, die eine kleine Kamera dabeihat.
Judith filmt, wie die beiden Männer nacheinander und unabhängig voneinander den Ort suchen, an dem Pater Vincens und Bruder Ignatius ihrer Erinnerung nach das Bündel abgelegt haben sollen. Ohne sich dabei gegenseitig zu beobachten, zeigen Overfeld und Werner F. am Ende nur mit fünf Meter Abweichung auf fast dieselbe Stelle.
Die Wahrheit
Zuletzt sei Jonathan wieder so unglücklich und getrieben gewesen, sagt seine Freundin Judith Riesener, irgendetwas habe wieder in ihm gearbeitet: „Er war innerlich so zerrissen.“
Jonathan Overfeld war bis zu seinem Lebensende immer noch ein Getriebener
© Joachim Gern
Jonathan Overfeld wird 69 Jahre alt. Er stirbt am 1. Oktober 2020 an den Folgen eines Schlaganfalls. Knapp ein Jahr später stellt die Staatsanwaltschaft Paderborn ihre Ermittlungen gegen Pater Vincens noch zu dessen Lebzeiten ein.
Karl M. teilt sie mit, dass seine Aussagen mit denen des Zeugen Overfeld „im Kerngeschehen nicht immer in Übereinstimmung zu bringen sind, sodass im Falle der Anklageerhebung nicht mit einer Verurteilung des Paters Vincens zu rechnen wäre“.
Pater Vincens, so schreibt die Staatsanwaltschaft, habe die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bestritten und bezüglich des Zeugen Overfeld angegeben, dieser sei „sehr fantasiebegabt“.
Karl M. sagt: „Was ich gesehen habe, das habe ich gesehen. Davon lasse ich mich nicht abbringen. Das sitzt zu tief drin.“ Nach der Leiche eines Jungen mit dem Namen Georg oder Günter wurde nie gegraben.
So bleibt die Wahrheit versenkt. Vielleicht liegt sie noch immer im Moor.
Der Autor
Wer kennt diesen Mann? Es war eine Suchmeldung in der Hamburger Lokalpresse, die den stern-Reporter KUNO KRUSE zur Psychiatrischen Klinik Ochsenzoll in Hamburg fahren ließ. Der völlig aufgelöste Mann, auf den er dort im Jahr 2005 traf, drehte mit zitternden Händen seine Zigaretten. Er wusste nicht, wer er war, woher er kam und wie er hieß. Jonathan Overfeld hatte alle seine Erinnerungen verloren. Eine Autofahrt nach Berlin wurde dann zum Beginn einer jahrelangen Recherche über Overfelds vergessenes Leben. Begleitet von Kruse reiste Overfeld an Orte aus seiner Vergangenheit und begegnete Menschen aus seiner Kindheit. Darüber schrieb Kruse das 2010 erschienene Buch „Der Mann, der sein Gedächtnis verlor“. Doch auch in den Jahren danach kehrten weitere schockierende Erinnerungen zu Overfeld zurück, über die Kruse
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Die Illusion der Demokratie lebt von der Vertuschung staatlicher Rechtsbrüche, und leider verliert sich selbst die Standfestigkeit ursprünglich integerer Persönlichkeiten allzu oft in den Sümpfen der Politik.
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Re: OFF-TOPIC-BEREICH

Ungelesener Beitrag von U.s.1 883 »

https://www.msn.com/de-de/nachrichten/p ... ctype=news



Irre Mordserie: Wie Johann (†24) und Heinrich (†21) in Köln endlich gestoppt wurden
Artikel von Ayhan Demirci (ade) • 19 Std.

Sie waren Schwerverbrecher und eine Sensation: Ein neues Buch aus dem Greven-Verlag widmet sich der Geschichte der Heitger-Brüder und wie sie mit ihren „Spießgesellen eine Blutspur durch halb Deutschland zogen“.
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Re: OFF-TOPIC-BEREICH

Ungelesener Beitrag von U.s.1 883 »

Heute findet gegen den Versuch einer gesetzliche Regelung ambulanter Zwangsbehandlung in Baden Württemberg in Zwiefalten eine Demonstration vor dem Tagungsort statt. Ganz offen wird das geplantes Massaker an dem Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit und dem Grundrecht aus Art 13: Die Wohnung ist unverletzlich in Bild und Text der Einladung als „Weichenstellung“ angekündigt. Zitat daraus: Ein Ausweg könnte eine richterlich verfügte, ambulante Behandlungsweisung, also die verpflichtende Duldung einer notwendigen Behandlung, sein.
Der Gesetzgebungsversuch zur ambulanten Zwangsbehandlung war am 4.3.2004 von allen Fraktionen des Bundestages in einer 3/4 stündigen Plenardebatte abgelehnt worden! Das Protokoll der Bundestagesdebatte ab Seite 8409 hier: https://dserver.bundestag.de/btp/15/15094.pdf Dabei hat auf Seite 8414 die Abgeordnete Sibylle Laurischk erstmal im Parlament öffentlich festgestellt: In Deutschland besteht die Freiheit zur Krankheit.
Diese Stellungnahme wurde verteilt.

Warum-wir-NEIN-sagen-mit-einfacher-Sprache.pdf
Warum nein sagen. Verteilte Stellungnahme
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Heute findet gegen den Versuch einer gesetzliche Regelung ambulanter Zwangsbehandlung in Baden Württemberg in Zwiefalten eine Demonstration vor dem Tagungsort statt. Ganz offen wird das geplantes Massaker an dem Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit und dem Grundrecht aus Art 13: Die Wohnung ist unverletzlich in Bild und Text der Einladung als „Weichenstellung“ angekündigt. Zitat daraus: Ein Ausweg könnte eine richterlich verfügte, ambulante Behandlungsweisung, also die verpflichtende Duldung einer notwendigen Behandlung, sein.
Der Gesetzgebungsversuch zur ambulanten Zwangsbehandlung war am 4.3.2004 von allen Fraktionen des Bundestages in einer 3/4 stündigen Plenardebatte abgelehnt worden!
Die Illusion der Demokratie lebt von der Vertuschung staatlicher Rechtsbrüche, und leider verliert sich selbst die Standfestigkeit ursprünglich integerer Persönlichkeiten allzu oft in den Sümpfen der Politik.
Gast

Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

Ungelesener Beitrag von Gast »

Wie kommt man dazu" allesMist" in" alles mist" abzuwandeln...habe ich nicht geschrieben....ist nicht in Ordnung....solche Verunglimpfung
z3001x
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Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

Ungelesener Beitrag von z3001x »

Gast hat geschrieben: Samstag, 04. November 2023, 13:06:55Wie kommt man dazu" allesMist" in" alles mist" abzuwandeln...habe ich nicht geschrieben....ist nicht in Ordnung....solche Verunglimpfung
Ist ein Skript. Ist hier so. Beruht auf historisch gewachsenen, kollektiven schlechten bis unterirdischen Erfahrungen mit diesem Medium, speziell der Moderation und ihrer Zensurwut sowie systematischen Verformung des Meinungsspektrums, außerdem Verleumdung von Usern, die nicht über ihr Stöckchen springen. Nimms hin, oder schreib woanders 🤷
(Anschluss-Diskussion zu diesem Thema allenfalls in einem Offtopic-Thread).
Gast

Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

Ungelesener Beitrag von Gast »

z3001x hat geschrieben: Samstag, 04. November 2023, 14:13:30 Ist ein Skript. Ist hier so. Beruht auf historisch gewachsenen, kollektiven schlechten bis unterirdischen Erfahrungen mit diesem Medium, speziell der Moderation und ihrer Zensurwut sowie systematischen Verformung des Meinungsspektrums, außerdem Verleumdung von Usern, die nicht über ihr Stöckchen springen. Nimms hin, oder schreib woanders 🤷
(Anschluss-Diskussion zu diesem Thema allenfalls in einem Offtopic-Thread).
Schön gesagt, du sprichst mir aus dem Herzen
Gast

Re: OFF-TOPIC-BEREICH

Ungelesener Beitrag von Gast »

Gibts die Bildbreitenbeschränkung hier noch
https://www.het-forum.de/viewtopic.php? ... te#p130739
z3001x
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Re: OFF-TOPIC-BEREICH

Ungelesener Beitrag von z3001x »

Gast hat geschrieben: Freitag, 10. November 2023, 15:59:55 Gibts die Bildbreitenbeschränkung hier noch
https://www.het-forum.de/viewtopic.php? ... te#p130739
Nö, war auf dem alten Server, wird jetzt automatisch skaliert, wenn's zu groß ist. Max Bild-Dateigröße ist jetzt bei 1000 kb.
lindenstein
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Re: MORDFALL JUTTA HOFFMANN (15 †), LINDENFELS, 1986

Ungelesener Beitrag von lindenstein »

Du bemerkst schon, dass deine Einlassungen gegengelesen werden und das nicht immer gut ist?

Es ist doch alles ok wie es ist.. warum hast du keine Ruhe?
Alle meine Beiträge spiegeln meine Meinung und ich kann auch völlig daneben liegen.
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Phil Durchblick
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Re: MORDFALL JUTTA HOFFMANN (15 †), LINDENFELS, 1986

Ungelesener Beitrag von Phil Durchblick »

lindenstein hat geschrieben: Samstag, 11. November 2023, 21:47:02 Du bemerkst schon, dass deine Einlassungen gegengelesen werden und das nicht immer gut ist?

Es ist doch alles ok wie es ist.. warum hast du keine Ruhe?
Meist du mich? Keine Ruhe scheinst du zu haben, da bald der Prozess losgeht! Richtig? Alles, was du zusammengesponnen hast, wird sich in Luft auflösen! Ich habe keinen Grund, nervös zu sein!

:lol:
lindenstein
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Re: MORDFALL JUTTA HOFFMANN (15 †), LINDENFELS, 1986

Ungelesener Beitrag von lindenstein »

Phil Durchblick hat geschrieben: Samstag, 11. November 2023, 21:51:35 Alles, was du zusammengesponnen hast, wird sich in Luft auflösen!
Wenn du es doch besser schon immer gewusst hast, werde ich dich ggf. als Wissende der oder dem Richter empfehlen.
Alle meine Beiträge spiegeln meine Meinung und ich kann auch völlig daneben liegen.
z3001x
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Re: MORDFALL JUTTA HOFFMANN (15 †), LINDENFELS, 1986

Ungelesener Beitrag von z3001x »

So, auf Nachfrage walte ich meines Amtes, auch wenn ich keine Lust drauf hab, daher:
Bitte keine rein persönlich gemünzten Beiträge ohne on-topic Anteil. Und auch nicht fortfahren mit dem in der Luft liegenden Schlagabtausch.
Ich verschieb die letzten Beiträge dann auch gleich/demnächst mal ins OT.
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