Nach einigem Tohuwabohu, das diesen Thread durchzieht, möchte ich meine Einschätzung zum aktuellen Stand im Fall Hanna W. beisteuern:
1. Todesursache
2. Armbanduhr
3. Tatort
4. Tatzeit
5. Bärbach-Querungen
6. Inhaftierter Tatverdächtiger
7. Vorläufiges Fazit + Ausblick
8. 9 Pressemitteilungen der Polizei
1. Todesursache
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Am 04.10.2022 hieß es:
Soko-Leiter KD Butz am 06.10.2022:
Allein die
Möglichkeit eines Unfalls schließt beispielsweise Folgendes aus:
• Erwürgen (keine Würgemale),
• Erdrosseln (keine Drosselmarken),
• Tatwaffe (Schuss- oder Stichwaffe),
• Tatwerkzeug (außer stumpfes Werkzeug, z. B. Stein).
In Betracht kommt
stumpfe Gewalt (höchstwahrscheinlich gegen den Kopf), die aber nicht unmittelbar todesursächlich gewesen sein muss. Sollte Hanna etwa bewusstlos (nach stumpfer Gewalt gegen den Kopf) ins Wasser gelangt sein, wäre auch ein
Ertrinken denkbar.
Weshalb schlussendlich ein Unfall ausgeschlossen wurde, wurde nicht kommuniziert.
2. Armbanduhr
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Aufgefunden wurde die Uhr aufgrund von
Zeugenhinweisen*:
* Vorsorglich: Etwaige Aufzeichnungen von Überwachungskameras und dergleichen sind keine Zeugenhinweise!
Dies kann nur bedeuten, dass Hinweise – etwa von Ohrenzeugen – vorlagen, die zu einer ersten Absuche im Bereich des Bärbachs bzw. des Seilbahnparkplatzes führten. Im Bachbett des Bärbachs wurde sodann die
Uhr gefunden (Polizeifotos vom 08.10.2022). Bei einer weiteren, durch die Polizei zuvor öffentlich angekündigten Suche am 12.10.2022 wurde dort auch Hannas
Ring gefunden – jedoch nicht „neben“ dem Fundort der Uhr, sondern „
in unmittelbarer Nähe“ bzw. „
unweit“ der Uhr (in vielleicht einem Meter Entfernung?).
Obwohl die Uhr einige Zeit im Wasser gelegen haben muss, zeigen die Polizeifotos
keine Wasserschäden und die Uhr war noch funktionstüchtig. Zudem führte der Bärbach zum (späteren) Zeitpunkt des Auffindens des Rings
kein Wasser mehr, wie auf Pressefotos jener Suchaktion zu erkennen ist; möglicherweise war dies auch schon Tage zuvor der Fall.
Daher vermute ich, dass an bzw. in der Uhr durchaus
DNA des Trägers gesichert werden konnte. Gerade zwischen Gehäuse und Gehäusedeckel sammelt sich im Laufe der Zeit reichlich biologische Substanz des Uhrenträgers, die von außen mit bloßem Auge kaum zu erkennen ist. Wer bei einer vergleichbaren Uhr schon einmal die Batterie gewechselt hat, kennt dieses Phänomen. Da augenscheinlich kein (oder allenfalls eine minimale Menge) Wasser in die Uhr eingedrungen ist, gehe ich davon aus, dass DNA des Uhrenträgers ausreichend erhalten geblieben und somit bekannt sein dürfte.
Die Polizei erklärte hierzu nur:
Wozu diese Aussage? Sollte der Fahndungsdruck auf den Täter hierdurch erhöht werden?
Offen ließ die Polizei bisher, ob sie die Uhr überhaupt in einem Zusammenhang mit Hannas Tod sieht. Die
räumliche Nähe zum Fundort des Rings allerdings, die
zeitliche Nähe zu einem möglichen Tatgeschehen (aufgrund der mutmaßlich nur kurzen Verweildauer der Uhr im Wasser) und die Art der
Beschädigung des Uhrenarmbands legen ein
Kampfgeschehen am Fundort nahe. Damit dürfte die Uhr m. E. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dem Täter zuzuordnen sein.
3. Tatort
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Auf den Fundort von Armbanduhr und Ring hinweisende (Ohren-?) Zeugen grenzen den Tatort (zumindest den eines Übergriffs) auf den Fundort am
Bärbach ein.
Den Tatort weiter aufwärts am Schleichergraben Richtung Brückl zu verorten in der Annahme, der Ring sei erst später vom im Bach treibenden Körper abgestreift worden, widerspricht der Tatsache, dass der Fundort von Uhr und Ring durch Zeugenhinweise lokalisiert wurde. Zeugen also haben Wahrnehmungen akustischer oder optischer Art im Bereich des Bärbachs auf Höhe des Seilbahnparkplatzes gemacht – und
nicht etwa am entfernter verlaufenden
Schleichergraben.
Nicht bekannt wurde bislang, ob ein Tatgeschehen links (Kampenwandstraße) oder rechts (Parkplatz) des Bärbachs angenomnen wird.
4. Tatzeit
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Laut den Angaben von KD Butz in der XY-Sendung kam Hanna um ca. 23.15 Uhr im Eiskeller an und verließ diesen um
2.26 Uhr nach rechts in Richtung der Kampenwandstraße (was vermutlich durch Aufzeichungen aus Überwachungskameras ermittelt wurde).
Angesichts der kurzen Wegstrecke zum Bärbach dürfte die Tatzeit
unmittelbar nach 2.30 Uhr liegen (deshalb auch das mit 2 bis 3 Uhr bezeichnete Zeitfenster für den Zeugenaufruf in der XY-Sendung, das natürlich weiter gefasst ist als die angenommene Tatzeit und nicht identisch mit dieser, wie hier manch einer irrig annimmt).
5. Bärbach-Querungen
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Bis zur Mündung in die Prien quert der Bärbach mehrere Wege und Straßen.
Bieten
alle diese Unterquerungen tatsächlich genügend Raum, damit ein lebloser Körper (bewusstlos oder tot) unter Berücksichtigung eines
hohen Pegelstands und des
Auftriebs ungehindert hindurchgelangt?
Kann ein Ortskundiger hierzu fundiertes Wissen beisteuern?
6. Inhaftierter Tatverdächtiger
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Der
Umfang des Uhrenarmbands dürfte, wie @papaya weiter oben herausgearbeitet hatte, kaum zum Handgelenk des recht schmächtigen tatverdächtigen Joggers passen.
viewtopic.php?p=206711#p206711
Und auch eine Übereinstimmung der nach meiner Einschätzung an der Uhr gesicherten
DNA mit der des Tatverdächtigen konnte offenkundig nicht festgestellt werden. Folgerichtig wurde dem Ermittlungsrichter mit dem Antrag auf Erlass eines Haftbefehls kein DNA-Gutachten vorgelegt – und auch nicht dem Pflichtverteidiger RA Baumgärtl im Wege der (bislang eingeschränkten) Akteneinsicht.
Hinzu treten Zweifel, ob der eher klein gewachsene und schmächtige Tatverdächtige überhaupt in der Lage gewesen wäre, eine sportliche und große junge Frau mit reiner Körperkraft (ohne Einsatz eines Tatwerkzeugs) zu überwältigen und schließlich bewusstlos zu schlagen oder zu Tode zu bringen, ohne dabei ganz erhebliche, weithin sichtbare
Abwehrverletzungen davonzutragen. Möglicherweise jedoch wies der Jogger nach der Tat derartige Verletzungen auf, was Zeugen der Polizei mitgeteilt haben könnten; öffentlich bekannt wurde dazu allerdings nichts.
Nach der Aktenzeichen-XY-Sendung ging ein konkret
personenbezogener Hinweis bei der Polizei ein (Alfred Hettmer, ab Min. 0:24:
www.facebook.com/ZDFAktenzeichenXY/vide ... 089204945/). In der Presse wurde berichtet, der Jogger sei durch einen Hinweis nach der XY-Sendung ins Visier geraten, observiert und schließlich festgenommen worden.
Der Haftbefehl basiere auf dem dringenden Tatverdacht des Mordes, hieß es in den Medien. Daraus lässt sich zum einen eine vorsätzliche Tötung (
Totschlag) schlussfolgern, zu der zum anderen noch ein
Mordmerkmal hinzutreten muss (z. B. Heimtücke, Rache, Eifersucht oder Verdeckung einer Straftat). Ob der Tötungsvorwurf auf einem
Tun oder einem
Unterlassen beruht (falls Hanna z. B. nach einem Kampf bewusstlos in den Bach gefallen, dort später ertrunken wäre und der handlungspflichtige Täter sie nicht gerettet hätte), wurde ebenso wenig veröffentlicht wie das angenomnene Mordmerkmal.
Insgesamt stützt sich der Tatvorwurf wohl allein auf vage Zeugenaussagen und daraus resultierende Schlussfolgerungen – ein fragiles Gebilde ohne jeden Sachbeweis. Ein unmittelbarer Beweis für die Täterschaft existiert offenbar nicht.
Einem
dringenden Tatverdacht (hohe Wahrscheinlichkeit der Täterschaft, Voraussetzung eines Haftbefehls) zuwider läuft der
Zeitfaktor: Je mehr Zeit verstreicht, um so höher steigen die Anforderungen an die Beweislage. Die Soko steht also gewaltig unter Druck. Kommen im Laufe der Ermittlungen alsbald keine wesentlichen neuen Beweise oder Beweisanzeichen (Indizien) hinzu, kann es leicht passieren, dass der Tatverdächtige noch vor Weihnachten wieder auf freien Fuß kommt (Haftprüfung, Haftbeschwerde; zuständig wäre übrigens nicht zwangsläufig derselbe Richter, der den Haftbefehl erlassen hat).
In der Tat halte ich es für durchaus wahrscheinlich, dass der inhaftierte Jogger trotz aller Unkenrufe nicht der Täter ist. Womöglich hat nach XY ein Aschauer Zeitgenosse spontan beschlossen, einen missliebigen Unsympathen an den Pranger zu stellen. Und die Soko arbeitet weiter mit enormem Aufwand daran, den Uhrenträger zu ermitteln, denn der Jogger wird's nicht sein.
7. Vorläufiges Fazit + Ausblick
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Falls der derzeit inhaftierte Tatverdächtige der Täter sein sollte, steht der Soko noch eine wahre Herkulesaufgabe bevor hinsichtlich der Beweisführung …
Andernfalls ist aber auch die Ermittlung des Uhrenträgers kein Kinderspiel, ebenso die noch nicht bekannten Eiskeller-Gäste zu identifizieren und zu vernehmen sowie die Videos auszuwerten – allesamt unerlässlich, selbst wenn der Täter gar nicht im Eiskeller gewesen sein sollte.
Wesentliche Frage: Beziehungs- oder Zufallstat?
Für am wahrscheinlichsten halte ich eine
Beziehungstat (im weitesten Sinne). Das engste Umfeld dürfte längst intensiv überprüft und ausgeschlossen worden sein. Dann bliebe nur noch ein erweitertes Umfeld, z. B. die Famulatur, der Ferienjob, eine flüchtige Bekanntschaft zuvor im Eiskeller oder andere (vielleicht nur scheinbar) flüchtige Bekanntschaften, nicht zwangsläufig nur aus Aschau und in Hannas sonstigem Umfeld nicht zwangsläufig bekannt. Alles in allem eine Stecknadel im Heuhaufen.
Wäre der Täter ebenfalls zuvor im Eiskeller gewesen und Hanna von dort gefolgt oder vorausgeeilt, wäre auch er von den Überwachungskameras erfasst worden. Die Anzahl in Frage kommender junger Männer, die im betreffenden Zeitfenster kurz vor 2.30 Uhr den Eiskeller verlassen haben, dürfte nicht allzu groß sein. Problem: deren Identifizierung (Öffentlichkeitsfahndung erst als letztes Mittel).
Vielleicht wäre ein Massengentest eine gute Option, sofern an der Uhr tatsächlich DNA gesichert werden konnte, wie ich vermute. Problem: die geografische Eingrenzung, auch über die Staatsgrenze hinaus (obwohl in Österreich kein Feiertag war).
Weitere Fragen:
• Wartete der Täter in einem Fahrzeug auf dem Seilbahnparkplatz?
• War Hanna mit dem Täter dort verabredet?
• Wann und wie hätte eine solche Verabredung getroffen worden sein können (kein Mobilfunk im Eiskeller und wohl auch kein offenes W-LAN)?
• Was hat es mit dem Abholer auf sich, von dem angeblich ein Nachbar der Familie W. der Bildzeitung berichtet haben soll?
• Wie wahrscheinlich ist es, dass ein in den Bach geratenes Smartphone nicht sofort auf den Grund sinkt und dort verbleibt, sondern von der Strömung abgetrieben und etwa in eine unscheinbare Spalte oder unter einen Stein im Bachbett gespült wird, wo es bei der Absuche auch per Recco-Boje nicht gefunden werden könnte?
• Wie wahrscheinlich ist es umgekehrt, dass der Täter Hannas Smartphone an sich nahm, um das Bekanntwerden etwaiger Chats, Fotos oder Telefonbucheinträge zu verhindern?
• Wurden bereits alle ein- und abgehenden Telefonate und Mails (jeweils via Provider) der letzten Wochen überprüft, ob es hier neue, bislang in Hannas Umfeld unbekannte Kontakte gab?
8. 9 Pressemitteilungen der Polizei
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Meist ist der exakte Wortlaut dieser spröden und ungelenken Texte um vieles ergiebiger als das, was die gehetzte Tagespresse daraus zusammenwurstet. Leider wurden einige der Pressemitteilungen später noch bearbeitet bzw. sogar erheblich gekürzt.
Hier eine Auflistung aller bisherigen Pressemitteilungen der Polizei:
• 04.10.2022: Leiche gefunden – Tötungsdelikt – Soko „Club“ eingerichtet
www.polizei.bayern.de/aktuelles/pressem ... en/036123/
• 05.10.2022: Bitte um Foto- und Videomaterial – Medien-Upload-Portal
www.polizei.bayern.de/aktuelles/pressem ... en/036166/
• 06.10.2022: Erste Bilanz
www.polizei.bayern.de/aktuelles/pressem ... en/036271/
• 10.10.2022: Soko „Club“ ermittelt weiter
www.polizei.bayern.de/aktuelles/pressem ... en/036478/
• 11.10.2022: Update zum Stand der Ermittlungen
www.polizei.bayern.de/aktuelles/pressem ... en/036554/
• 14.10.2022: Armbanduhr (Fotos) und Ring gefunden – Bitte um Hinweise
www.polizei.bayern.de/aktuelles/pressem ... en/036831/
• 19.10.2020: Jogger als wichtiger Zeuge gesucht – Besitzer der Armbanduhr noch nicht bekannt
www.polizei.bayern.de/aktuelles/pressem ... en/037188/
• 28.10.2022: Gäste aus dem „Eiskeller“ bitte melden – Soko weitet Ermittlungen aus – Nachtrag am 10.11.2022 zu Aktenzeichen XY
www.polizei.bayern.de/aktuelles/pressem ... en/037740/
• 19.11.2022: Tatverdächtiger in U-Haft – Ermittlungen noch nicht abgeschlossen
www.polizei.bayern.de/aktuelles/pressem ... en/039112/
• Medien-Upload-Portal:
https://medienupload-portal02.polizei.bayern.de/
• Presseportal (filtern nach „Polizeipräsidium Oberbayern Süd“):
www.polizei.bayern.de/aktuelles/pressemitteilungen/