@Gast0815
In Deinem
Beitrag vom 09.01.2025 bist Du auf Sebastians vermeintliche Geständnisse bei der Hausparty und gegenüber dem JVA-Zeugen eingegangen. Danke dafür. Auf die darin an mich gerichteten Fragen möchte ich nun mit einiger Verspätung antworten.
Hausparty
Selbstverständlich ist einzubeziehen, dass an demselben Tag Verenas polizeiliche Vernehmung stattgefunden hatte. Verenas sachliche Desorientierung und emotionale Aufgebrachtheit dabei offenbaren die Nachrichten an ihre Mutter und an Sebastian nur allzu deutlich. Dass die wirre Stimmung und Aufregung bis zum Abend anhielten, liegt auf der Hand – ebenso deren Übertragung auf andere Teilnehmer der Hausparty, also auch auf Sebastian.
Diesen Zusammenhang in der Beweiswürdigung außer acht gelassen zu haben, ist viel zu kurz gedacht, wie Du richtig sagst.
Gast0815 hat geschrieben: ↑Donnerstag, 09. Januar 2025, 10:36:03
…
Aus meiner Sicht ist das ein schwerer Fehler. Denn die Ereignisse dieses Tages hätten mitberücksichtigt werden MÜSSEN,
so erkennt man nicht, ob sich das Gericht mit diesen wichtigen Ereignissen an diesem Tage überhaupt auseinandergesetzt hat.
…
Genauso ist es.
JVA-Zeuge Adrian M.
Täterwissen ist die Kenntnis von Umständen, die nicht bereits der Öffentlichkeit durch die Presse oder dem Angeklagten durch Akteneinsicht bekannt waren. Ganz wesentlich wäre im vorliegenden Fall die Offenbarung des konkreten Tatwerkzeugs gewesen. Doch genau dieses vermochte Sebastian nicht zu benennen – weil er es wahrscheinlich schlicht nicht wusste.
Hätte der Adressat eines Geständnisses nicht genau an diesem spannenden Punkt nachgebohrt? Getrieben von purer Neugier? So lange, bis er eine befriedigende Antwort erhalten hätte? Ein Reporter der Bild-Zeitung hätte nicht lockergelassen! Stattdessen: nichts.
An keiner Stelle geht das Gericht auf diese Auffälligkeit ein.
Bemerkenswert bleibt, dass der Zeuge nicht berichtete, Sebastian habe das Opfer von hinten angegriffen. Geschah dies aus Vorsicht, um sich nicht in Widersprüche zu verstricken? Dieser Punkt erscheint mir noch etwas nebulös. Allerdings hielt der Zeuge seine Aussage hinsichtlich
aller Details zur Tat und zum Tatort sehr allgemein und oberflächlich.
Zu den „drei Phrasen“ des Zeugen:
• Was anderes bleibt übrig, als ein Opfer bewusstlos geschlagen zu haben, wenn das Opfer schwere Kopfverletzungen aufweist und letztlich ertrunken ist? Beide Bedingungen waren durch die Presse bekannt. Ebenso war bekannt, dass anfangs auch ein Unfall in Betracht gezogen wurde, weshalb Würgen, Drosseln oder dergleichen ausscheiden.
• Das Opfer missbrauchen oder vergewaltigen zu wollen ist das naheliegendste Motiv, das auch ein Autor trivialer Romane wählen würde. Zumal ihm Sebastian seine Schwierigkeiten mit dem anderen Geschlecht offenbart hatte.
• Auf das „Stückchen weiter weg vom Eiskeller“ bin ich bereits hier eingegangen:
viewtopic.php?p=284258#p284258
Ein „notorischer Lügner“ ist im Wortsinne dafür bekannt, dass er lügt. Keineswegs tut er dies immer. Das wäre viel zu anstrengend. Aber er tut es regelmäßig und noch dazu so routiniert und gewieft, dass er damit möglichst nicht auffliegt.
Gerade hierfür gibt es hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der Glaubhaftigkeit seiner Aussage zahlreiche Anhaltspunkte, die vom Gericht allesamt unter den Teppich gekehrt wurden. Die Ablehnung des Beweisantrags der Verteidigung zur Einholung eines aussagepsychologischen Glaubwürdigkeitsgutachtens wird den Traunsteiner Richtern in der Revision sehr wahrscheinlich auf die Füße fallen.
Gast0815 hat geschrieben: ↑Donnerstag, 09. Januar 2025, 10:36:03
… [Das Urteil] setzt sich nicht damit auseinander, was der Zeuge möglicherweise für Schlüsse aus den Erzählungen des Angeklagten [hätte] ziehen können, um – im Falle einer Falschaussage – seine Aussagen mit tatrelevanten Dingen zu schmücken. …
@Catch22: Würde so etwas … eine Revision mitbegründen können?
Ja. Denn dies sind – vor allem ohne ein Glaubwürdigkeitsgutachten – logische Lücken in der Beweiswürdigung.
Ob dem JVA-Zeugen strafrechtlich eine Falschaussage (§§
153,
154,
161 StGB) nachgewiesen werden kann, ist für die Revision (anders als in einem Wiederaufnahmeverfahren, §
359 Nr. 2 StPO) ohne Belang.
Für den Zeugen jedoch könnte das brenzlig werden: Neben der Strafbarkeit wegen Falschaussage käme auch Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft (§§
239,
25 Abs. 1 Alt. 2 StGB) zum Nachteil Sebastians in Betracht. Verheerende Auswirkungen auf die wirtschaftliche Perspektive des Zeugen hätte die zivilrechtlich daraus resultierende Schadenersatzpflicht (§§
823,
253 BGB; greift auch bei fahrlässiger Falschaussage, die jedoch nur unter Eid auch strafbar ist): z. B. Kosten der Verteidigung, Verdienstausfall, jahrelange Verzögerung der Ausbildung (Anspruch auf Ersatz des am Ende des Erwerbslebens fehlenden Einkommens) und Schmerzensgeld. Ein Sechser im Lotto müsste her …