MauriceMüller hat geschrieben: ↑Dienstag, 08. April 2025, 11:23:57
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Die Telefonate und deren Umstände wirken jedoch wenig glaubwürdig und hätten die Ermittlungen genauso gut verstärken können.
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Das stimmt und ich halte das für einen
außerordentlich wichtigen Punkt.
Wie Du habe ich den Eindruck, dass der Täter bei der Wahl der Orte für die Telefonate und für die Ablage der Leiche überlegt vorging.
Aber schon bei dem 1. Anruf konnte sich aber der Täter wohl kaum sicher sein, dass Frauke überzeugend wirkte. Warum also setzte er die Anrufe fort und ging damit das immer größere Risiko ein, von der Polizei gefasst zu werden?
Mit jedem Anruf wurde das Muster der Standorte deutlicher: Immer waren es Industrie- bzw. Gewerbegebiete an der Peripherie Paderborns mit einem unkomplizierten Zugang zur B64.
Die Orte der ersten 3 Anrufe lagen immerhin noch relativ weit voneinander entfernt, aber das änderte sich mit dem 4. Anruf. Für den 4. Anruf kehrte der Täter in die Nähe des 2. Anruf zurück, und der 5. Anruf, der auch noch deutlich länger als die vorangegangenen dauerte, fand in unmittelbarer Nähe des 4. Anrufs statt. W
enn die Polizei weitermittelt hätte, hätte der Täter in der Falle gesessen, die er selbst geschaffen hätte.
Ich sehe für dieses Verhalten des Täters
nur eine Erklärung: Nach meiner Überzeugung muss es dem Täter gelungen sein, in den Tagen von Fraukes Entführung einen völlig unauffälligen Kontakt zu einer Person aus Fraukes engstem Kreis zu haben. (Um jedem Missverständnis vorzubeugen, betone ich, dass die völlige Unschuld und Ahnungslosigkeit dieser Person außer Zweifel steht.)
Wir wissen heute (in groben Zügen), wie die Polizei damals reagierte, aber den Medien war zu dieser Zeit davon nichts zu entnehmen.
Ich halte es für interessant, die Reaktionen der Polizei (soweit uns bekannt) und das Vorgehen des Täters in zeitliche Korrelation zu setzen.
Der
1. Anruf (am Donnerstagabend, wenige Stunden nach Bekanntgabe der polizeilichen Ermittlungen) konnte Chris und Fraukes Familie nicht von Fraukes freiwilligem Verschwinden überzeugen, aber die Polizei war trotzdem geneigt, ihn als Entwarnung aufzufassen. Sie hätte allerdings auch sehr gute Gründe für eine gegenteilige Einschätzung gehabt ((Chris Anrede mit „Christos“, Fraukes „verwaschene“ Aussprache etc.).
Der
2. Anruf (am Fraitagabend) war geeignet, die Zweifel der Polizei an einem Verbrechen zu verstärken.
Von Fraukes Handy wurde eine SMS an Chris gesandt. Fraukes Bruder, der eine automatische Meldung erhielt, dass Fraukes Handy erreichbar war, rief sofort seine Schwester an – und Frauke konnte den Anruf ihres Bruders entgegennehmen. Das suggerierte, Frauke könne über ihr Handy frei verfügen. (Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Täter mit der vorangegangenen SMS einen Rückruf – vermutlich von Chris – provozieren wollte, um genau diesen Eindruck zu erwecken.)#
Der
3. Anruf (Samstag) fand am frühen Nachmittag statt.
Über seine Wirkung auf die Polizei sagte später Östermann, offensichtlich in kollegialer Loyalität um eine zurückhaltende Formulierung bemüht:
„
Wenn es bei der Polizei vielleicht noch den Verdacht gab, die Frauke werde festgehalten, dann wurde er durch diesen Anruf tagsüber weiter abgeschwächt.“
Und
nach diesem 3. Anruf änderte sich das Verhalten des Täters. Er suchte nicht mehr einen neuen Ort für die nächsten beiden Telefonate auf, sondern fuhr für das 4. Gespräch in die Nähe des Ortes zurück, an dem bereits das 2. Gespräch stattfand. Und das 5. (letzte) Gespräch, das auch das mit Abstand längste war, wurde in unmittelbarer Nähe des Standortes geführt, an dem schon dass 4. Telefonats stattfand.
Für die Polizei wären das außerordentlich günstige Voraussetzungen gewesen, den Täter beim letzten Anruf zu fassen – wenn sie weiterermittelt hätte.
Aber die Polizei hatte keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen gesehen. Das hat sie damals
nie öffentlich kommuniziert, aber in ihrem Verhalten gegenüber Fraukes Angehörigen machte sie daraus keinen Hehl. Ingrid Liebs berichtete, dass sie in diesen Tagen von einem Beamten barsch angefahren worden sei: Was sie denn wolle – ihre Tochter habe sich doch gemeldet.
Chris und Fraukes Familie waren zunehmend verzweifelt, von der Polizei im Stich gelassen zu werden. Wenn der Täter die Gelegenheit gehabt hätte, in den Tagen von Fraukes Gefangenschaft beispielsweise mit dem völlig unschuldigen und ahnungslosen Chris zusammenzutreffen, hätte er wissen können,
dass die Polizei ihn bei den letzten beiden Anrufen (dem 4. und 5.) nicht fassen würde.
Es gibt noch
eine weitere Merkwürdigkeit, die für meine Vermutung spricht:
Nur in ihrem 1. Anruf sprach Frauke Chris mit Christos an. Weder Chris und Fraukes Familie noch später die Mordkommission zweifelten daran, dass diese besondere Anrede ein unterschwelliger Hinweis Fraukes auf den Ernst ihrer Lage war.
Aber warum verzichtete Frauke in den späteren Gesprächen mit Chris auf dieses Warnsignal? Wenn der Täter gewusst hätte, dass Chris Fraukes Hinweis verstanden hat, wäre die Antwort klar.
Nach meiner Ansicht könnte es sich bei einer Wiederaufnahme von Ermittlungen lohnen, (den - ich muss es wiederholen – vollkommen unschuldigen und ahnungslosen) Chris zu fragen, zu wem er in den Tagen von Fraukes Entführung Kontakt hatte. Und das beträfe keineswegs nur Leute, mit denen er verabredet war, sondern vor allem jene unscheinbaren Personen, mit denen er mehrfach und (scheinbar?) ganz zufällig zusammentraf.