Natürlich wäre möglich, dass Äußerungen Fraukes zwar im Protokoll in den Ermittlungsakten vorhanden sind, jedoch nicht zur Veröffentlichung herausgegeben wurden und auch von denen, die sie kennen, nicht öffentlich gemacht werden sollen. Äußerungen, die Täterwissen oder einen Ermittlungsansatz beinhalten, jedoch keine Aussicht auf weitergehende Erkenntnisse brächten, wenn sie öffentlich gemacht würden. Ebenfalls denkbar Äußerungen, die augenscheinlich auf diese oder jene Person/Gruppe hinweisen könnten, die jedoch ermittlungstechnisch ausgeschlossen sind und vor öffentlichem Verdacht geschützt werden.beyourselftonite hat geschrieben: ↑Samstag, 14. Juni 2025, 10:13:35 Ich denke, man hat das veröffentlicht, was man hatte. Man kann tatsächlich die Kommunikation zwischen Frauke und Chris analysieren, nennt sich psycholinguistische Codierungsanalyse. Sicher sind es nur Fragmenten, die man hat, aber da sind Muster im Text, die auffällig sind und dadurch Aussagekraft bekommen.
Wie gesagt möglich, und ob irgendwie wahrscheinlich oder eher nicht, das lässt sich über ein glauben (wollen) hinaus wohl kaum beantworten.
Ganz grundsätzlich, die Protokolle sind durch die Stern-Veröffentlichungen bekannt. Dass es sich hierbei weder um die Pressestelle der Polizei/StA handelt noch um einen Service, irgendwelche Hobby-Ermittler mit akkuraten Details gemäß Fallakten zu versorgen, sollte klar sein. Stattdessen ist es ein True Crime Format, dessen Attraktivität für die Leser zwar auf der Echtheit der Fälle beruht, das aber ansonsten ein Unterhaltungsformat ist, das natürlich mit einer gewissen journalistischen Gestaltungsfreiheit im Sinne eines Spannungsbogens umgesetzt wird. Nicht dass der Stern eine Klapperstorchgeschichte präsentieren würde, aber welche Punkte ausführlich und welche nur knapp oder auch gar nicht beleuchtet werden, welchen möglichen Implikationen nachgegangen wird - zumindest in puncto Vollständigkeit ist hier viel Gestaltungstätigkeit eingeflossen.
Besonders augenfällig natürlich die Geschichte um den Aufbruch aus dem Pub. Bellas Geschichte in den Dokus unterschied sich fundamental von dem, was danach der ebenfalls zu der Gruppe gehörende Mr. Fish darüber glaubwürdig und unwidersprochen geäußert hat. Warum? Offensichtlich sollten die weiteren Teilnehmer des Pubbesuchs anonym bleiben, deren Existenz gar nicht erst genannt werden. Also hat Bella eine andere Geschichte zum Besten gegeben, in der nur Frauke, sie selbst und am Rande erwähnt ihr Mann (damals Freund) genannt wurden und man angeblich nicht gleichzeitig aufgebrochen ist (warum auch immer). Ging es da nur darum, die anderen Teilnehmer außen vor zu lassen, oder wären hier weitere Personen (als für den Leser potentiell Verdächtige) eine zu große Ablenkung vom dramaturgischen roten Faden gewesen? Nicht zu beantworten.
Jedenfalls eine deutliche Erinnerung daran, die journalistische Darstellung (auch in den Stern-Veröffentlichungen) nicht im Detail auf die Goldwaage zu legen.
Was allerdings die wiedergegebenen Protokolle angeht, da wurde ja explizit zitiert und eine Veränderung des Wortlauts/Inhalts (bis auf eventuelle Weglassungen seitens EB) erscheint mir unwahrscheinlich - auch, weil es hier ja um den Kern der Story geht. Dass eine junge Frau spurlos aus ihrem Alltag verschwindet und ihre Leiche irgendwann+irgendwo später gefunden wird, das wäre journalistisch eine ausgesprochen dünne Geschichte, sofern sich weder im (Vor-)leben des Opfers noch bei der Ablage etwas nennenswert Aufsehenerregendes finden lässt. Nein, die Anrufe/SMS sind es, die Fraukes Fall für True Crime interessant und gehaltvoll machen - und da würde ich dann schon annehmen, dass das Material nach Möglichkeit vollständig und vor allem unverfälscht wiedergegeben wird. Zumal Stawskis Interesse an dem Fall ja doch merklich über den Job des Storytellings hinausgeht und jedenfalls der Anspruch besteht, auch tatsächlich zur Lösung des Falls nach Möglichkeit beizutragen.
In diesem Sinne würde ich die Protokolle gemäß den Dokus jedenfalls als wahrscheinlich wortgetreu und im Wesentlichen vollständig ansehen (was allerdings nicht heißt, dass die Protokolle die tatsächlichen Gespräche vollständig und wortgetreu wiedergeben würden).
Entscheidend ist die Frage, wie vollständig und im Wortlaut zutreffend die veröffentlichten Protokolle sind.
Zunächst einmal, die beiden SMS Mi+Fr sind anzunehmend wortgetreu wiedergegeben und, sofern hier die EB nicht zensiert haben, auch vollständig.
Von Donnerstag ist nur ein als "Gedächtnisprotokoll" bezeichneter Monolog Fraukes wiedergegeben. Chris war bei dem Anruf nach eigener Aussage aufgeregt, zitternde Hände, und auch wenn der Anruf wohl auch irritierend war (Frauke wirkte ihm benommen, "nicht sie selbst", keine Erklärung, warum sie weg sei), die Reaktion war in erster Linie Erleichterung. Sie hatte sich gemeldet, ihre baldige Heimkehr angekündigt. Es war späterer Abend, Chris war in Lübbecke. Das heißt, dieses Protokoll wurde frühestens am nächsten Tag aufgenommen von der zuständigen Polizeistelle, wo man den Anruf an sich als "Entwarnung" wertete. Kurz, das Protokoll gibt viel eher Fraukes Äußerungen sinngemäß wieder, als was genau gesagt wurde. Auch gibt Chris an, seine Fragen nach dem Warum habe Frauke nicht beantwortet. Diese Fragen sowie Fraukes Reaktion (irgendwie reagiert muss sie ja haben) sind jedenfalls nicht im Protokoll. Explizit im Wortlaut bestätigt ist hier nur die auffällige Anrede "Christos".
Am Freitag soll Frank laut Protokoll nur gefragt haben "Frauke, was machst du, wann kommst du nach Hause?". An anderer Stelle wird jedoch berichtet, Frank (der von einem freiwilligen Fernbleiben ausging) habe ihr eine längere Standpauke gehalten und sie zur unmittelbaren Heimkehr aufgefordert. Davon und ob/wie Frauke darauf irgendwie reagiert hat, kein Wort im Protokoll. Frauke soll bei dem Gespräch unauffällig, normal geklungen haben.
Sowohl in der SMS an Chris als auch im Telefonat mit Frank äußert Frauke, "heute" nach Hause zu kommen. Abends, nach 23 Uhr. Auffällig...
Sa+So scheinen auch als Gedächtnisprotokoll eher zusammengefasst/abgekürzt notiert zu sein, allerdings finden sich in beiden Gesprächen auffällige Formulierungen, die so in einer sinngemäßen Darstellung wohl eher nicht vorkommen würden.
Samstag das dreimalige "bin in PB".
Sonntag mir auffällig "kann ich dir erklären" (statt wie zuvor am Freitag das "kann ich nicht sagen"). Außerdem und vor allem die Formulierung "Erkläre ich dir, wenn ich zu Hause bin" statt "kann ich nicht sagen" oder einer Wiederholung von "kann ich dir erklären".
Aus den Dokus ist nicht bekannt, dass Chris Sa+So einen auffälligen Eindruck von Frauke gehabt hätte. Eine solche Äußerung gibt es nur zu Donnerstag, und natürlich zum völlig abweichenden letzten Telefonat am Dienstag.
Dienstag dann telefonierten Chris und Karen zu zweit mit Frauke. Die beiden haben unmittelbar nach dem Gespräch versucht, ein vollständiges und wortgetreues Protokoll zu erstellen. Laut Karen sei man sich allerdings bei manchen Äußerungen nicht sicher gewesen und es würden auch Teile fehlen. Spricht man das Dienstag-Protokoll betont langsam und mit kleinen Pausen zwischen den einzelnen Äußerungen, dann dauert das nur etwa halb so lang wie das Gespräch laut Providerdaten tatsächlich dauerte. Das nur als Anhaltspunkt, dass hier wohl mehr als nur ein oder zwei kurze Äußerungen fehlen. Es ist auch nicht auszuschließen, dass die Reihenfolge nicht überall stimmt, bzw. wenn einzelne Äußerungen fehlen, dann wurden so oder so manche Äußerungen nicht aufeinander folgend getätigt, auch wenn es im Protokoll den Anschein hat.
Die Äußerungen Fraukes, zu denen sich Chris und/oder Karen explizit geäußert haben (wie Frauke dabei gewirkt habe, was es bei ihnen bewirkt habe), die jedenfalls dürften recht wortgenau protokolliert sein.
Tja, soweit.
Einige Äußerungen Fraukes, so wie sie protokolliert wurden jedenfalls, finde ich auffällig, interessant. Weniger im Sinne möglicher geheimer Botschaften, da sehe ich nichts wirklich Auffälliges, und insbesondere konnten da Chris/Karen/Frank, weiteres Umfeld, EB sowie Hobbyermittler oder sonstwer weder damals noch bis heute irgendetwas finden, was wirklich auffällig, einleuchtend oder gar in irgendeiner Weise zielführend gewesen wäre. Natürlich spricht nichts dagegen, hier zu suchen und zu spekulieren, nur ich hab es für mich bald abgehakt gehabt.
Nein, ich meine vielmehr, dass manche Äußerungen Fraukes Rückschlüsse nahe legen darauf, wie ihre Situation damals war, von ihr erlebt und eingeschätzt wurde. Insbesondere ist hier aber interessant, was sie nicht gesagt hat, was nicht stattfand.
Zunächst einmal ist klar, dass Frauke ab einem Zeitpunkt, wohl bereits in der Nacht Dienstag auf Mittwoch, unter der Kontrolle eines Täters (oder auch mehrerer) stand. Auf andere Szenarien, wo sie (auch nur zunächst) tatsächlich selbstbestimmt weggeblieben wäre, gibt es keine substantiellen Hinweise, keine plausble Hypothese, die nicht völlig haltlos aus der Luft gegriffen wäre.
Dennoch gibt es Punkte, die angesichts eines das Geschehen bestimmenden Täters irritieren:
Der "Elefant im Raum" ist doch das Warum. Klar kann Frauke einfach nur ihre Heimkehr ankündigen (wiederholt, ohne dass dies tatsächlich stattfindet...), aber die eigentliche Frage, die das Umfeld 24/7 beschäftigt (so lange sie tatsächlich nicht zurückgekommen ist) und deren Beantwortung einzig geeignet wäre, hier zu beruhigen, ist das Warum.
Ein Täter mit Kontrolle darüber, was Frauke sagt, der hätte sie doch garantiert irgendeine Erklärung abgeben lassen. Nicht detailliert (und wohl schnell als BS identifizierbar), sondern irgendwas mit "Auszeit, Pause, jemand von früher getroffen, was Großes dazwischen gekommen", wie auch immer. Auch wenn das Umfeld dann tatsächlich genauso schlau wäre wie vorher, wäre der implizit oder explizit allgegenwärtigen Frage an Frauke "Warum" Genüge getan und die Perspektive eröffnet, dass sich letztendlich schon alles aufklären würde. Egal wie unbestimmt und dünn, es wäre beruhigender als die Frage wieder und wieder unbeantwortet zu lassen, während ein ums andere Mal die angekündigte Heimkehr nicht stattfindet. Aus Tätersicht erscheint mir das unmittelbar nahe liegend, dafür braucht es keinerlei besondere Überlegung oder Erkenntnisse. Die irritierende Leere des unbeantworteten "Warum" ist doch überpräsent, ohne dass man da viel überlegen muss.
Auf mich macht das den Eindruck, dass Frauke zwar nichts über ihre tatsächliche Situation sagen durfte (selbstredend), aber dass sie soweit auch nicht genötigt wurde, irgendetwas Unwahres daherzulügen. Interessant, oder nicht?
Hierzu der Punkt, wo sie tatsächlich die Unwahrheit (oder besser: etwas Unzutreffendes?) sagt, nämlich ihre Ankündigungen einer Heimkehr.
Musste sie das sagen? Oder ging sie vielmehr zu diesen Zeitpunkten auch tatsächlich davon aus, wieder (und zwar recht bald) heimzukommen? Ich tendiere stark zu Letzterem - zum einen, weil ihr Wortlaut gemäß Protokoll am Sonntag "erkläre ich dir, wenn ich zu Hause bin" die Perspektive "nach Hause kommen" klar aufzeigt und ich nicht annehme, dass ihr wörtlich vorgegeben wurde, was sie zu sagen hat. UA weil in dem Fall irgendeine Erklärung zu erwarten und die Ankündigung "heute" vom Freitag völlig unsinnig wäre. Zum anderen, weil ich den Verlauf des letzten Telefonats so deute, dass sie selbst da noch einen verzweifelten Rest Hoffnung hatte heimzukommen, wenn sie sich an die Vorgabe hält, nichts über ihre Situation zu sagen. Ich meine, am Dienstag wurde ihr definitiv nicht vorgegeben, was sie genau sagen soll (wäre bei Länge und Verlauf des Gesprächs gar nicht möglich gewesen), am Dienstag verliert sie mehrfach mehr oder weniger die Fassung, antwortet affektiv statt kontrolliert, und dennoch keine Preisgabe zu ihrer Situation außer dem "ja, nein, nein" (Ausrutscher, sofort korrigiert) und dem "ich lebe noch" (mMn eine spontan affektive Antwort auf "wir räumen auch dein Zimmer" - gemeint als "wir lassen dich in Ruhe", von ihr in ihrer mentalen Derangiertheit in Korrelation zu ihrer tatsächlichen Lage missverstanden als "wir räumen dein Zimmer leer").
Klar kann man versuchen, das etwa mit einem unmittelbaren Drohszenario durch den Täter oder so zu erklären. Aber mal so gesehen, hätte ein derart dominant kontrollierender Täter (sinngemäß mit einem Messer an ihrem Hals) sie nach diesen Ausrutschern weiter telefonieren lassen, und zwar so erheblich lang? Hätte es nicht eine merkliche Pause bei Frauke, oder Hintergrundgeräusche an diesen Gesprächspunkten geben müssen, wenn der Täter da seine Drohung unmittelbar und deutlich bekräftigt hätte? Vor allem, wäre Frauke nach einem solchen Ausrutscher ("ja, nein, nein") weiterhin so "redselig" gewesen, wenn ihr der Täter da unmittelbar als Warnung "die Pistole auf die Brust gesetzt" hätte? Ich bin überzeugt, sie wäre an der Stelle ziemlich verstummt, oder aber völlig zusammengebrochen. Ist aber beides nicht passiert.
Nein, die einzige mir sinnhafte Deutung des letzten Telefonats in der Gesamtschau ist die, dass Frauke während der Woche tatsächlich an ihre Heimkehr glaubte und am Dienstag diesen Glauben so nicht mehr hatte, daran jedoch in verzweifelter Hoffnung festhielt. Sich in ihrem mentalen Befinden nicht durchgehend an die Vorgabe des Stillschweigens über ihre Situation halten konnte, dies dennoch im Wesentlichen und bis zuletzt ("Bis bald", laut Protokoll) daran hielt. Und ein Täter, der mit Sicherheit anwesend war, der das Gespräch jedoch trotz ihren Ausrutschern "laufen ließ".
Hätte der Täter im Einzelnen vorgegeben, was Frauke genau sagt, dann hätte er nicht nur meiner Einschätzung nach jedenfalls irgendeine vage Begründung für ein selbstbestimmtes Fernbleiben (für ein paar Tage, wie auch immer) angebracht, sondern er hätte sich auch die tägliche Wiederholung (Aufwand, Risiko) mit einem einfachen "ich meld mich in ein paar Tagen wieder" oder so sparen können.
Eine Deutungsmöglichkeit, warum die Anrufe täglich kamen, wäre ja die, dass täglich auch ihre Freilassung tatsächlich im Raum stand, man in puncto Anrufe/Wirkung also gar nicht weiter als bis zum nächsten Tag (oder Abend des selben Tages) dachte...
Nein, ich habe den deutlichen Eindruck, dass Frauke zwar nichts zu den Umständen ihres Fernbleibens mitteilen durfte, ansonsten aber die Gespräche inhaltlich selbst geführt hat. Gut denkbar wäre jedenfalls noch eine zeitliche Einschränkung, eine Vorgabe, sich kurz zu fassen.
Ein anderer Punkt ist Fraukes Gefasstheit bis einschließlich Sonntag. Ich meine, das sind ab dem Zeitpunkt ihres Verschwindens ganze fünf Tage. Beim ersten Telefonat am Donnerstag erschien sie Chris wie benommen, da kann man natürlich alles Mögliche dazu spekulieren - Drogen/Medis, Schlafentzug, Dehydration, oder auch stressbedingte mentale Zerrüttung. Aber genau letztere zeigt sich dann im Folgenden bis einschließlich Sonntag nicht. Dies war also Donnerstag nicht der Grund für die "Benommenheit", oder sie hat sich danach wieder stabilisiert. Am Freitag im Telefonat mit Frank wirkt sie unauffällig, normal. Zu Samstag und Sonntag hat Chris mW keine Äußerungen getätigt, dass Frauke da nennenswert auffällig gewesen wäre. Insbesondere berichtet Chris nicht, dass ihm bis Sonntag Regungen wie Angst, Verzweiflung, Panik, Fassungsverlust bei Frauke bemerkenswert aufgefallen wären. Und bei jemandem, den man gut kennt, würde man so etwas doch schnell wahrnehmen, jedenfalls. Nein, sie war fünf Tage lang in der Lage, die Telefongespräche zu führen, sich an die Vorgaben zu halten, und dabei soweit normal rüberzukommen, dass ihr Auftreten nicht klar auf Gefangenschaft und drohender Tod hindeutete, Chris/Frank keinen (im Wortsinn) bemerkenswerten Eindruck in eine solche Richtung wahrnahmen. Frank ging auch nach dem Telefonat am Freitag noch von einem freiwilligen Fernbleiben aus, und die Äußerungen von Chris und Karen zum letzten Telefonat zeigen, dass erst hier eine relative Gewissheit bestand, man zuvor (also bei den Telefonaten bis einschließlich Sonntag) lediglich völlig im Unklaren war, lediglich die fatale Möglichkeit(!) sah.
Da nun die Frage: Dass Frauke fünf ganze Tage lang die Contenance behalten hat, was sagt das über ihre damalige Situation und ihre Wahrnehmung dazu aus? War sie von ihr möglicherweise unbekannten Tätern gewaltsam abgegriffen oder in eine Falle gelockt worden, oder ist es aus einer Situation mit einer ihr mutmaßlichen bekannten Person entstanden? War sie in der Zeit fortgesetzten erheblichen Übergriffen ausgesetzt (etwa sexuell, irgendein Motiv muss es ja gegeben haben), oder wurde sie mehr oder weniger gut behandelt? Wurde ihr Leib und Leben wiederholt unmittelbar bedroht oder nicht? Hatte sie von Beginn an Todesangst, oder hatte sie zumindest zunächst (ihr berechtigt erscheinende) Hoffnung/Zuversicht, aus der Nummer wieder herauszukommen?
Ich will hier natürlich keinesfalls ein Bild zeichnen, wonach die Situation irgendwie harmlos gewesen wäre (oder zumindest auf Frauke so gewirkt habe). Oder gar, sie wäre zunächst selbstbestimmt unterwegs gewesen und erst Mo/Di fremdbestimmt gewesen. Aber ich meine, das Maß an bedrohlichen, verletzenden Faktoren muss soweit begrenzt gewesen sein, dass Frauke in der Lage war, die Anrufe fünf Tage lang so zu führen. Insbesondere der Punkt "Todesangst" erscheint mir einschlägig. Nicht vorhandene Hoffnung oder eine unberechtigte, nur verzweifelte Hoffnung hätte sie nicht so lange bei der Stange gehalten, und wäre sie da "mit vorgehaltener Waffe" zu den Anrufen genötigt worden (zweifelhaft, ob das überhaupt möglich gewesen wäre), wäre das Chris/Frank doch jedenfalls aufgefallen. Und es stände im Widerspruch zum passiven Täterverhalten beim letzten Telefonat.
Zum letzten Telefonat nochmal: Frauke lässt auch da nicht wirklich etwas zu ihrer Situation durchblicken, und der nicht eingreifende Täter vermittelt den Eindruck, dass auch er davon ausgeht, dass Frauke sich an die Regeln halten wird als Bedingung, um wieder freigelassen zu werden. Ob er zu dem Zeitpunkt bereits anderweitig entschieden hat (oder das überhaupt je eine Option für ihn war), an der Stelle nicht zu beantworten und auch nicht von Belang.
Aber insgesamt: Es besteht ein gewichtiger Unterschied zwischen begründeter und verzweifelter Hoffnung. Erstere ist geeignet zu beruhigen, sich zu stabilisieren, letztere führt zum genauen Gegenteil, denn sie ist ja eigentlich Verzweiflung, gegen die sich mit unbegründeter Hoffnung zu wehren versucht wird. Erstere meine ich bei Frauke bis Sonntag zu sehen, letztere am Dienstag.
Frauke war nicht dumm, besonders naiv/leichtgläubig oder so. Sie hatte ein Bild von ihrer Situation, das von der Person des Täters (ihr bekannt? sein Auftreten, Verhalten ihr gegenüber), dem Anlass/Motiv (ihr wohl erkennbar, nachvollziehbar!?), ihrer beider Kommunikation bestimmt war. In diesem Kontext, ihrem Bild/Eindruck, ihrer Einschätzung der Situation, müsste ihr eine begründete, hinreichend zuversichtliche Hoffnung auf die Freilassung plausibel, wenn nicht gar (zunächst) nahe liegend oder gar selbstverständlich gewesen sein. Wie gesagt, sie war nicht dumm oder naiv, ein bloßes Behaupten des Täters bei widersprechenden Rahmenbedingungen hätte da keinesfalls ausgereicht.