MORDFALL LIEBS -- Diskussion

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HP1
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Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

Ungelesener Beitrag von HP1 »

beyourselftonite hat geschrieben: Samstag, 14. Juni 2025, 10:13:35 Ich denke, man hat das veröffentlicht, was man hatte. Man kann tatsächlich die Kommunikation zwischen Frauke und Chris analysieren, nennt sich psycholinguistische Codierungsanalyse. Sicher sind es nur Fragmenten, die man hat, aber da sind Muster im Text, die auffällig sind und dadurch Aussagekraft bekommen.
Natürlich wäre möglich, dass Äußerungen Fraukes zwar im Protokoll in den Ermittlungsakten vorhanden sind, jedoch nicht zur Veröffentlichung herausgegeben wurden und auch von denen, die sie kennen, nicht öffentlich gemacht werden sollen. Äußerungen, die Täterwissen oder einen Ermittlungsansatz beinhalten, jedoch keine Aussicht auf weitergehende Erkenntnisse brächten, wenn sie öffentlich gemacht würden. Ebenfalls denkbar Äußerungen, die augenscheinlich auf diese oder jene Person/Gruppe hinweisen könnten, die jedoch ermittlungstechnisch ausgeschlossen sind und vor öffentlichem Verdacht geschützt werden.
Wie gesagt möglich, und ob irgendwie wahrscheinlich oder eher nicht, das lässt sich über ein glauben (wollen) hinaus wohl kaum beantworten.


Ganz grundsätzlich, die Protokolle sind durch die Stern-Veröffentlichungen bekannt. Dass es sich hierbei weder um die Pressestelle der Polizei/StA handelt noch um einen Service, irgendwelche Hobby-Ermittler mit akkuraten Details gemäß Fallakten zu versorgen, sollte klar sein. Stattdessen ist es ein True Crime Format, dessen Attraktivität für die Leser zwar auf der Echtheit der Fälle beruht, das aber ansonsten ein Unterhaltungsformat ist, das natürlich mit einer gewissen journalistischen Gestaltungsfreiheit im Sinne eines Spannungsbogens umgesetzt wird. Nicht dass der Stern eine Klapperstorchgeschichte präsentieren würde, aber welche Punkte ausführlich und welche nur knapp oder auch gar nicht beleuchtet werden, welchen möglichen Implikationen nachgegangen wird - zumindest in puncto Vollständigkeit ist hier viel Gestaltungstätigkeit eingeflossen.

Besonders augenfällig natürlich die Geschichte um den Aufbruch aus dem Pub. Bellas Geschichte in den Dokus unterschied sich fundamental von dem, was danach der ebenfalls zu der Gruppe gehörende Mr. Fish darüber glaubwürdig und unwidersprochen geäußert hat. Warum? Offensichtlich sollten die weiteren Teilnehmer des Pubbesuchs anonym bleiben, deren Existenz gar nicht erst genannt werden. Also hat Bella eine andere Geschichte zum Besten gegeben, in der nur Frauke, sie selbst und am Rande erwähnt ihr Mann (damals Freund) genannt wurden und man angeblich nicht gleichzeitig aufgebrochen ist (warum auch immer). Ging es da nur darum, die anderen Teilnehmer außen vor zu lassen, oder wären hier weitere Personen (als für den Leser potentiell Verdächtige) eine zu große Ablenkung vom dramaturgischen roten Faden gewesen? Nicht zu beantworten.
Jedenfalls eine deutliche Erinnerung daran, die journalistische Darstellung (auch in den Stern-Veröffentlichungen) nicht im Detail auf die Goldwaage zu legen.

Was allerdings die wiedergegebenen Protokolle angeht, da wurde ja explizit zitiert und eine Veränderung des Wortlauts/Inhalts (bis auf eventuelle Weglassungen seitens EB) erscheint mir unwahrscheinlich - auch, weil es hier ja um den Kern der Story geht. Dass eine junge Frau spurlos aus ihrem Alltag verschwindet und ihre Leiche irgendwann+irgendwo später gefunden wird, das wäre journalistisch eine ausgesprochen dünne Geschichte, sofern sich weder im (Vor-)leben des Opfers noch bei der Ablage etwas nennenswert Aufsehenerregendes finden lässt. Nein, die Anrufe/SMS sind es, die Fraukes Fall für True Crime interessant und gehaltvoll machen - und da würde ich dann schon annehmen, dass das Material nach Möglichkeit vollständig und vor allem unverfälscht wiedergegeben wird. Zumal Stawskis Interesse an dem Fall ja doch merklich über den Job des Storytellings hinausgeht und jedenfalls der Anspruch besteht, auch tatsächlich zur Lösung des Falls nach Möglichkeit beizutragen.

In diesem Sinne würde ich die Protokolle gemäß den Dokus jedenfalls als wahrscheinlich wortgetreu und im Wesentlichen vollständig ansehen (was allerdings nicht heißt, dass die Protokolle die tatsächlichen Gespräche vollständig und wortgetreu wiedergeben würden).


Entscheidend ist die Frage, wie vollständig und im Wortlaut zutreffend die veröffentlichten Protokolle sind.

Zunächst einmal, die beiden SMS Mi+Fr sind anzunehmend wortgetreu wiedergegeben und, sofern hier die EB nicht zensiert haben, auch vollständig.

Von Donnerstag ist nur ein als "Gedächtnisprotokoll" bezeichneter Monolog Fraukes wiedergegeben. Chris war bei dem Anruf nach eigener Aussage aufgeregt, zitternde Hände, und auch wenn der Anruf wohl auch irritierend war (Frauke wirkte ihm benommen, "nicht sie selbst", keine Erklärung, warum sie weg sei), die Reaktion war in erster Linie Erleichterung. Sie hatte sich gemeldet, ihre baldige Heimkehr angekündigt. Es war späterer Abend, Chris war in Lübbecke. Das heißt, dieses Protokoll wurde frühestens am nächsten Tag aufgenommen von der zuständigen Polizeistelle, wo man den Anruf an sich als "Entwarnung" wertete. Kurz, das Protokoll gibt viel eher Fraukes Äußerungen sinngemäß wieder, als was genau gesagt wurde. Auch gibt Chris an, seine Fragen nach dem Warum habe Frauke nicht beantwortet. Diese Fragen sowie Fraukes Reaktion (irgendwie reagiert muss sie ja haben) sind jedenfalls nicht im Protokoll. Explizit im Wortlaut bestätigt ist hier nur die auffällige Anrede "Christos".

Am Freitag soll Frank laut Protokoll nur gefragt haben "Frauke, was machst du, wann kommst du nach Hause?". An anderer Stelle wird jedoch berichtet, Frank (der von einem freiwilligen Fernbleiben ausging) habe ihr eine längere Standpauke gehalten und sie zur unmittelbaren Heimkehr aufgefordert. Davon und ob/wie Frauke darauf irgendwie reagiert hat, kein Wort im Protokoll. Frauke soll bei dem Gespräch unauffällig, normal geklungen haben.
Sowohl in der SMS an Chris als auch im Telefonat mit Frank äußert Frauke, "heute" nach Hause zu kommen. Abends, nach 23 Uhr. Auffällig...

Sa+So scheinen auch als Gedächtnisprotokoll eher zusammengefasst/abgekürzt notiert zu sein, allerdings finden sich in beiden Gesprächen auffällige Formulierungen, die so in einer sinngemäßen Darstellung wohl eher nicht vorkommen würden.
Samstag das dreimalige "bin in PB".
Sonntag mir auffällig "kann ich dir erklären" (statt wie zuvor am Freitag das "kann ich nicht sagen"). Außerdem und vor allem die Formulierung "Erkläre ich dir, wenn ich zu Hause bin" statt "kann ich nicht sagen" oder einer Wiederholung von "kann ich dir erklären".
Aus den Dokus ist nicht bekannt, dass Chris Sa+So einen auffälligen Eindruck von Frauke gehabt hätte. Eine solche Äußerung gibt es nur zu Donnerstag, und natürlich zum völlig abweichenden letzten Telefonat am Dienstag.

Dienstag dann telefonierten Chris und Karen zu zweit mit Frauke. Die beiden haben unmittelbar nach dem Gespräch versucht, ein vollständiges und wortgetreues Protokoll zu erstellen. Laut Karen sei man sich allerdings bei manchen Äußerungen nicht sicher gewesen und es würden auch Teile fehlen. Spricht man das Dienstag-Protokoll betont langsam und mit kleinen Pausen zwischen den einzelnen Äußerungen, dann dauert das nur etwa halb so lang wie das Gespräch laut Providerdaten tatsächlich dauerte. Das nur als Anhaltspunkt, dass hier wohl mehr als nur ein oder zwei kurze Äußerungen fehlen. Es ist auch nicht auszuschließen, dass die Reihenfolge nicht überall stimmt, bzw. wenn einzelne Äußerungen fehlen, dann wurden so oder so manche Äußerungen nicht aufeinander folgend getätigt, auch wenn es im Protokoll den Anschein hat.
Die Äußerungen Fraukes, zu denen sich Chris und/oder Karen explizit geäußert haben (wie Frauke dabei gewirkt habe, was es bei ihnen bewirkt habe), die jedenfalls dürften recht wortgenau protokolliert sein.


Tja, soweit.

Einige Äußerungen Fraukes, so wie sie protokolliert wurden jedenfalls, finde ich auffällig, interessant. Weniger im Sinne möglicher geheimer Botschaften, da sehe ich nichts wirklich Auffälliges, und insbesondere konnten da Chris/Karen/Frank, weiteres Umfeld, EB sowie Hobbyermittler oder sonstwer weder damals noch bis heute irgendetwas finden, was wirklich auffällig, einleuchtend oder gar in irgendeiner Weise zielführend gewesen wäre. Natürlich spricht nichts dagegen, hier zu suchen und zu spekulieren, nur ich hab es für mich bald abgehakt gehabt.
Nein, ich meine vielmehr, dass manche Äußerungen Fraukes Rückschlüsse nahe legen darauf, wie ihre Situation damals war, von ihr erlebt und eingeschätzt wurde. Insbesondere ist hier aber interessant, was sie nicht gesagt hat, was nicht stattfand.

Zunächst einmal ist klar, dass Frauke ab einem Zeitpunkt, wohl bereits in der Nacht Dienstag auf Mittwoch, unter der Kontrolle eines Täters (oder auch mehrerer) stand. Auf andere Szenarien, wo sie (auch nur zunächst) tatsächlich selbstbestimmt weggeblieben wäre, gibt es keine substantiellen Hinweise, keine plausble Hypothese, die nicht völlig haltlos aus der Luft gegriffen wäre.

Dennoch gibt es Punkte, die angesichts eines das Geschehen bestimmenden Täters irritieren:

Der "Elefant im Raum" ist doch das Warum. Klar kann Frauke einfach nur ihre Heimkehr ankündigen (wiederholt, ohne dass dies tatsächlich stattfindet...), aber die eigentliche Frage, die das Umfeld 24/7 beschäftigt (so lange sie tatsächlich nicht zurückgekommen ist) und deren Beantwortung einzig geeignet wäre, hier zu beruhigen, ist das Warum.
Ein Täter mit Kontrolle darüber, was Frauke sagt, der hätte sie doch garantiert irgendeine Erklärung abgeben lassen. Nicht detailliert (und wohl schnell als BS identifizierbar), sondern irgendwas mit "Auszeit, Pause, jemand von früher getroffen, was Großes dazwischen gekommen", wie auch immer. Auch wenn das Umfeld dann tatsächlich genauso schlau wäre wie vorher, wäre der implizit oder explizit allgegenwärtigen Frage an Frauke "Warum" Genüge getan und die Perspektive eröffnet, dass sich letztendlich schon alles aufklären würde. Egal wie unbestimmt und dünn, es wäre beruhigender als die Frage wieder und wieder unbeantwortet zu lassen, während ein ums andere Mal die angekündigte Heimkehr nicht stattfindet. Aus Tätersicht erscheint mir das unmittelbar nahe liegend, dafür braucht es keinerlei besondere Überlegung oder Erkenntnisse. Die irritierende Leere des unbeantworteten "Warum" ist doch überpräsent, ohne dass man da viel überlegen muss.
Auf mich macht das den Eindruck, dass Frauke zwar nichts über ihre tatsächliche Situation sagen durfte (selbstredend), aber dass sie soweit auch nicht genötigt wurde, irgendetwas Unwahres daherzulügen. Interessant, oder nicht?

Hierzu der Punkt, wo sie tatsächlich die Unwahrheit (oder besser: etwas Unzutreffendes?) sagt, nämlich ihre Ankündigungen einer Heimkehr.
Musste sie das sagen? Oder ging sie vielmehr zu diesen Zeitpunkten auch tatsächlich davon aus, wieder (und zwar recht bald) heimzukommen? Ich tendiere stark zu Letzterem - zum einen, weil ihr Wortlaut gemäß Protokoll am Sonntag "erkläre ich dir, wenn ich zu Hause bin" die Perspektive "nach Hause kommen" klar aufzeigt und ich nicht annehme, dass ihr wörtlich vorgegeben wurde, was sie zu sagen hat. UA weil in dem Fall irgendeine Erklärung zu erwarten und die Ankündigung "heute" vom Freitag völlig unsinnig wäre. Zum anderen, weil ich den Verlauf des letzten Telefonats so deute, dass sie selbst da noch einen verzweifelten Rest Hoffnung hatte heimzukommen, wenn sie sich an die Vorgabe hält, nichts über ihre Situation zu sagen. Ich meine, am Dienstag wurde ihr definitiv nicht vorgegeben, was sie genau sagen soll (wäre bei Länge und Verlauf des Gesprächs gar nicht möglich gewesen), am Dienstag verliert sie mehrfach mehr oder weniger die Fassung, antwortet affektiv statt kontrolliert, und dennoch keine Preisgabe zu ihrer Situation außer dem "ja, nein, nein" (Ausrutscher, sofort korrigiert) und dem "ich lebe noch" (mMn eine spontan affektive Antwort auf "wir räumen auch dein Zimmer" - gemeint als "wir lassen dich in Ruhe", von ihr in ihrer mentalen Derangiertheit in Korrelation zu ihrer tatsächlichen Lage missverstanden als "wir räumen dein Zimmer leer").
Klar kann man versuchen, das etwa mit einem unmittelbaren Drohszenario durch den Täter oder so zu erklären. Aber mal so gesehen, hätte ein derart dominant kontrollierender Täter (sinngemäß mit einem Messer an ihrem Hals) sie nach diesen Ausrutschern weiter telefonieren lassen, und zwar so erheblich lang? Hätte es nicht eine merkliche Pause bei Frauke, oder Hintergrundgeräusche an diesen Gesprächspunkten geben müssen, wenn der Täter da seine Drohung unmittelbar und deutlich bekräftigt hätte? Vor allem, wäre Frauke nach einem solchen Ausrutscher ("ja, nein, nein") weiterhin so "redselig" gewesen, wenn ihr der Täter da unmittelbar als Warnung "die Pistole auf die Brust gesetzt" hätte? Ich bin überzeugt, sie wäre an der Stelle ziemlich verstummt, oder aber völlig zusammengebrochen. Ist aber beides nicht passiert.
Nein, die einzige mir sinnhafte Deutung des letzten Telefonats in der Gesamtschau ist die, dass Frauke während der Woche tatsächlich an ihre Heimkehr glaubte und am Dienstag diesen Glauben so nicht mehr hatte, daran jedoch in verzweifelter Hoffnung festhielt. Sich in ihrem mentalen Befinden nicht durchgehend an die Vorgabe des Stillschweigens über ihre Situation halten konnte, dies dennoch im Wesentlichen und bis zuletzt ("Bis bald", laut Protokoll) daran hielt. Und ein Täter, der mit Sicherheit anwesend war, der das Gespräch jedoch trotz ihren Ausrutschern "laufen ließ".

Hätte der Täter im Einzelnen vorgegeben, was Frauke genau sagt, dann hätte er nicht nur meiner Einschätzung nach jedenfalls irgendeine vage Begründung für ein selbstbestimmtes Fernbleiben (für ein paar Tage, wie auch immer) angebracht, sondern er hätte sich auch die tägliche Wiederholung (Aufwand, Risiko) mit einem einfachen "ich meld mich in ein paar Tagen wieder" oder so sparen können.
Eine Deutungsmöglichkeit, warum die Anrufe täglich kamen, wäre ja die, dass täglich auch ihre Freilassung tatsächlich im Raum stand, man in puncto Anrufe/Wirkung also gar nicht weiter als bis zum nächsten Tag (oder Abend des selben Tages) dachte...

Nein, ich habe den deutlichen Eindruck, dass Frauke zwar nichts zu den Umständen ihres Fernbleibens mitteilen durfte, ansonsten aber die Gespräche inhaltlich selbst geführt hat. Gut denkbar wäre jedenfalls noch eine zeitliche Einschränkung, eine Vorgabe, sich kurz zu fassen.

Ein anderer Punkt ist Fraukes Gefasstheit bis einschließlich Sonntag. Ich meine, das sind ab dem Zeitpunkt ihres Verschwindens ganze fünf Tage. Beim ersten Telefonat am Donnerstag erschien sie Chris wie benommen, da kann man natürlich alles Mögliche dazu spekulieren - Drogen/Medis, Schlafentzug, Dehydration, oder auch stressbedingte mentale Zerrüttung. Aber genau letztere zeigt sich dann im Folgenden bis einschließlich Sonntag nicht. Dies war also Donnerstag nicht der Grund für die "Benommenheit", oder sie hat sich danach wieder stabilisiert. Am Freitag im Telefonat mit Frank wirkt sie unauffällig, normal. Zu Samstag und Sonntag hat Chris mW keine Äußerungen getätigt, dass Frauke da nennenswert auffällig gewesen wäre. Insbesondere berichtet Chris nicht, dass ihm bis Sonntag Regungen wie Angst, Verzweiflung, Panik, Fassungsverlust bei Frauke bemerkenswert aufgefallen wären. Und bei jemandem, den man gut kennt, würde man so etwas doch schnell wahrnehmen, jedenfalls. Nein, sie war fünf Tage lang in der Lage, die Telefongespräche zu führen, sich an die Vorgaben zu halten, und dabei soweit normal rüberzukommen, dass ihr Auftreten nicht klar auf Gefangenschaft und drohender Tod hindeutete, Chris/Frank keinen (im Wortsinn) bemerkenswerten Eindruck in eine solche Richtung wahrnahmen. Frank ging auch nach dem Telefonat am Freitag noch von einem freiwilligen Fernbleiben aus, und die Äußerungen von Chris und Karen zum letzten Telefonat zeigen, dass erst hier eine relative Gewissheit bestand, man zuvor (also bei den Telefonaten bis einschließlich Sonntag) lediglich völlig im Unklaren war, lediglich die fatale Möglichkeit(!) sah.
Da nun die Frage: Dass Frauke fünf ganze Tage lang die Contenance behalten hat, was sagt das über ihre damalige Situation und ihre Wahrnehmung dazu aus? War sie von ihr möglicherweise unbekannten Tätern gewaltsam abgegriffen oder in eine Falle gelockt worden, oder ist es aus einer Situation mit einer ihr mutmaßlichen bekannten Person entstanden? War sie in der Zeit fortgesetzten erheblichen Übergriffen ausgesetzt (etwa sexuell, irgendein Motiv muss es ja gegeben haben), oder wurde sie mehr oder weniger gut behandelt? Wurde ihr Leib und Leben wiederholt unmittelbar bedroht oder nicht? Hatte sie von Beginn an Todesangst, oder hatte sie zumindest zunächst (ihr berechtigt erscheinende) Hoffnung/Zuversicht, aus der Nummer wieder herauszukommen?
Ich will hier natürlich keinesfalls ein Bild zeichnen, wonach die Situation irgendwie harmlos gewesen wäre (oder zumindest auf Frauke so gewirkt habe). Oder gar, sie wäre zunächst selbstbestimmt unterwegs gewesen und erst Mo/Di fremdbestimmt gewesen. Aber ich meine, das Maß an bedrohlichen, verletzenden Faktoren muss soweit begrenzt gewesen sein, dass Frauke in der Lage war, die Anrufe fünf Tage lang so zu führen. Insbesondere der Punkt "Todesangst" erscheint mir einschlägig. Nicht vorhandene Hoffnung oder eine unberechtigte, nur verzweifelte Hoffnung hätte sie nicht so lange bei der Stange gehalten, und wäre sie da "mit vorgehaltener Waffe" zu den Anrufen genötigt worden (zweifelhaft, ob das überhaupt möglich gewesen wäre), wäre das Chris/Frank doch jedenfalls aufgefallen. Und es stände im Widerspruch zum passiven Täterverhalten beim letzten Telefonat.
Zum letzten Telefonat nochmal: Frauke lässt auch da nicht wirklich etwas zu ihrer Situation durchblicken, und der nicht eingreifende Täter vermittelt den Eindruck, dass auch er davon ausgeht, dass Frauke sich an die Regeln halten wird als Bedingung, um wieder freigelassen zu werden. Ob er zu dem Zeitpunkt bereits anderweitig entschieden hat (oder das überhaupt je eine Option für ihn war), an der Stelle nicht zu beantworten und auch nicht von Belang.
Aber insgesamt: Es besteht ein gewichtiger Unterschied zwischen begründeter und verzweifelter Hoffnung. Erstere ist geeignet zu beruhigen, sich zu stabilisieren, letztere führt zum genauen Gegenteil, denn sie ist ja eigentlich Verzweiflung, gegen die sich mit unbegründeter Hoffnung zu wehren versucht wird. Erstere meine ich bei Frauke bis Sonntag zu sehen, letztere am Dienstag.
Frauke war nicht dumm, besonders naiv/leichtgläubig oder so. Sie hatte ein Bild von ihrer Situation, das von der Person des Täters (ihr bekannt? sein Auftreten, Verhalten ihr gegenüber), dem Anlass/Motiv (ihr wohl erkennbar, nachvollziehbar!?), ihrer beider Kommunikation bestimmt war. In diesem Kontext, ihrem Bild/Eindruck, ihrer Einschätzung der Situation, müsste ihr eine begründete, hinreichend zuversichtliche Hoffnung auf die Freilassung plausibel, wenn nicht gar (zunächst) nahe liegend oder gar selbstverständlich gewesen sein. Wie gesagt, sie war nicht dumm oder naiv, ein bloßes Behaupten des Täters bei widersprechenden Rahmenbedingungen hätte da keinesfalls ausgereicht.
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Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

Ungelesener Beitrag von Trodat5203 »

@HP1

Deine Ausführungen und Betrachtung dazu finde ich sehr gut, möchte allerdings anmerken, dass Opfer in derartigen Stresssituationen die länger anhalten durchaus temporär oder längerfristig in einen dissoziativen Zustand verfallen können. Das ist ein Schutzmechanismus des Gehirns, der es den Opfern ermöglicht ruhig zu bleiben und noch halbwegs rational denken zu können. Angst, Panik und Verzweiflung können in dem Moment komplett ausgeschaltet sein um zu "funktionieren".

Des Weiteren ist aber doch unter der von dir ausgeführten Betrachtung die Sichtweise des Täters interessant. Was sagt das über ihn aus und über sein Motiv?

Ein Täter für den Macht und Kontrolle die oberste Priorität und das Hauptmotiv gewesen wäre, würde der die Kontrolle über den Gesprächsinhalt abgeben? Ein sexueller Missbrauch als Gipfel der Macht über sein Opfer weil das laut Frau Saimeh die Kontrolle über das Opfer komplettiert und dann aber eine mehrheitlich von Frauke geführte Konversation? Passt für mich nicht wirklich, eigentlich. Würde aber erklären warum das Warum fehlt. So einem Typen wäre es scheißegal, ob das Umfeld eine Antwort darauf bekommt. Der zieht einfach seinen Plan durch.

Was kann das bedeuten? Gab es vllt doch 2 Täter mit unterschiedlicher "Strenge", die Frauke telefonieren ließen, was ihre unterschiedlichen Verfassungen und die variierende "Gesprächigkeit" erklärt? Einen Täter der nachsichtiger oder gütiger mit ihr war? Bzw. einen Täter, der kein Motiv ihr gegenüber hatte, sondern dem anderen Täter half und letztlich mit einer Tötung einverstanden war, da er sich mit strafbar gemacht hatte?

Oder aber war der Täter jemand, der ordentlich nen Nagel im Kopp hat und dachte, er könne sich eine Frau beschaffen, sie besitzen und sie davon überzeugen freiwillig bei ihm zu bleiben und ihn zu lieben und diese Utopie wurde zerstört als Frauke bejahte, dass sie festgehalten wird? Sie revidierte zwar mit einem "Nein, nein" aber im Nachhinein könnte den Täter das vllt doch aus dem Konzept gebracht haben und dazu kommt dann noch das am Ende erwähnte: " Ich wäre jetzt gerne bei euch, ich würde gerne nach Hause." Das schmeckt so einem Freak bestimmt nicht, der erwartet, dass Frauke nur bei ihm sein will.

Ein Täter der ihr nicht unbekannt war, was hätte der für ein Motiv haben können? Warum hat er sie ziemlich "frei" sprechen lassen, warum überhaupt das Risiko von Gesprächen eingehen? Und warum dann die Tötung? Oder war der einfach dumm und ist gar nicht drauf gekommen, dass er sich selbst alles einfacher hätte machen können, wenn er Frauke einen Vorwand fürs Fernbleiben diktiert hätte?

Das Problem an der Sache ist, dass es nichts gibt, was es nicht gibt. Grundsätzlich ist die Menschheit und ihr Tun und Handeln so vielfältig, dass so ziemlich alles in Frage kommt.

Als einziges aussortieren würde ich, dass Frauke von einem Auftragskiller umgebracht wurde, denn da bin ich mir ziemlich sicher, dass der kurzen Prozess gemacht hätte und seine Zielperson nicht noch 1 Woche durch die Gegend kutschiert hätte.
Je mehr du mir weg nimmst desto größer werde ich. Was bin ich?
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Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

Ungelesener Beitrag von HP1 »

@Trodat5203

Ja, das mit dem "Funktionieren" als Schutzmechanismus sehe ich auch. Halte ich allerdings auch deswegen für eher unwahrscheinlich, weil gerade die Telefonate, der Kontakt zu ihrem Lebensalltag, genau solche Situationen wären, wo dieser Schutzmodus durchbrochen wird und zusammenfällt, die emotionale Landschaft "freigelassen" wird. Aber es stimmt natürlich, das lässt sich nicht eindeutig vorhersagen, vor allem auch nicht ohne Frauke persönlich gekannt zu haben.


Deine anderen Punkte möchte ich mit ein paar Fragen beantworten:

Ein Täter, der Frauke halbwegs gut behandelt und wo ihre Freilassung tatsächlich eine echte Option oder gar anfangs der Plan ist, der hätte doch eher eine geringere Hemmschwelle das (tatsächliche oder gefühlte) Entdeckungsrisiko der Anruffahrten wiederholt einzugehen, oder nicht?

Welchen einleuchtenderen Grund gäbe es, täglich aufs Neue zum Anrufen aufzubrechen, wo Frauke dann ihre baldige Heimkehr ankündigt, als wenn diese Heimkehr tatsächlich vorgesehen ist und man bzgl. der Anrufe/Inhalte gar nicht über den nächsten Tag hinaus überlegen müsste? Andernfalls könnte man sie doch einfach sagen lassen "ich meld mich in ein paar Tagen wieder" und das Auto übers Wochenende in der Garage lassen, oder?

Wenn Frauke tatsächlich von ihrer baldigen Freilassung (unter der Bedingung der Kooperation) ausgegangen ist, dann wäre das doch der beste Garant dafür, dass sie nichts ausplaudert, bevor sie gestoppt werden kann, oder nicht? Und wenn das auch noch das geltende Narrativ am Dienstag gewesen wäre, hätte man nicht da doch am ehesten auch eine mental derangierte Frauke weitertelefonieren lassen können? Bis auf die kleinen "Ausrutscher" ist sie ja doch auch bis zum Schluss dabei geblieben.

Natürlich ist soweit offen, bis wann bzw. ob überhaupt der Täter ihre Freilassung tatsächlich als Option oder gar Ziel gesehen haben mag. Aber wäre es für Frauke nicht dann besonders glaubhaft gewesen, wenn es angesichts der Tatumstände nicht auch mehr oder weniger plausibel gewesen wäre?


Die einzelnen Punkte mag man jeweils anders deuten, keine Frage. Ich sehe da halt ein in sich stimmiges Gesamtbild, wo ich bei anderen Ansätzen bisher ausnahmslos auf Irritationen stoße.
Natürlich gibt es nichts, was es nicht gibt. Wie irgendwann mal gesagt, man könnte auch eine Geschichte von der lesbischen Täterin im Rollstuhl aus der inneren Mongolei halbwegs widerspruchsfrei erzählen.
Mehrere Täter, Rache, Eifersucht und Drama, ein geheimes Wissen Fraukes um eine andere Straftat und deshalb eine Verschwörung gegen sie, oder ein unrealistisch aufwändig vertuschter ungeplanter Totschlag aus ihrem Umfeld heraus... ich habe da schon viele Ansätze gelesen und teils diskutiert, letztlich waren es bisher alles Hypothesen, die entweder Widersprüche oder sehr große Unwahrscheinlichkeiten enthielten sowie letztlich ihre Strahlkraft ausschließlich aus der detaillierten Erzählung inklusive konkreter Täterperson(en) bezogen.
Brauche ich hier aber gar nicht - einfach mal Fraukes Äußerung baldiger Heimkehr für bare Münze nehmen (nicht tatsächlich, aber in dem Sinn, dass sie selbst davon ausgegangen ist) und der Rest ergibt sich dann schon fast von allein.

Tja, und der eiskalte, durchgeplante Täter, der die Anrufe um ihrer selbst Willen stattfinden lässt, sei es um Frauke zu quälen oder das Umfeld/EB/Öffentlichkeit... sehe ich so nicht. Ich meine, abgesehen vielleicht vom letzten Anruf sind dafür die Anrufe doch viel zu kurz, zu eintönig, zu unkreativ usw.
Also mir ist das ziemlich offensichtlich, dass die Anrufe nicht Aktion, sondern Reaktion sind.


Wie immer erhebe ich da natürlich keinerlei Anspruch darauf, Recht zu haben. Wenns so einfach wäre, zu einer Gewissheit zu gelangen, dann wäre der Fall ja auch schon längst gelöst.
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Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

Ungelesener Beitrag von ocram84 »

HP1 hat geschrieben: Montag, 16. Juni 2025, 17:27:42
Welchen einleuchtenderen Grund gäbe es, täglich aufs Neue zum Anrufen aufzubrechen, wo Frauke dann ihre baldige Heimkehr ankündigt, als wenn diese Heimkehr tatsächlich vorgesehen ist und man bzgl. der Anrufe/Inhalte gar nicht über den nächsten Tag hinaus überlegen müsste?
Woher weißt du, dass immer zu den Anrufen "aufgebrochen" wurde?
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Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

Ungelesener Beitrag von HP1 »

ocram84 hat geschrieben: Montag, 16. Juni 2025, 19:39:39 Woher weißt du, dass immer zu den Anrufen "aufgebrochen" wurde?
Das weiß ich natürlich nicht. Sie könnte sich auch die ganze Zeit in einem Fahrzeug befunden haben, das sich halt zu den Zeitpunkten der Anrufe sowieso grad an dem jeweiligen Anrufstandort befand.

Wie gesagt, man kann da natürlich jeden Punkt für sich diskutieren und auch zu anderen Ansichten kommen. Ich will da an keiner Stelle behaupten, so muss es gewesen sein. Und jeweils für sich genommen auch bei keinem Punkt, dass ich mir dessen sicher wäre.

Aber es ist halt so, dass ich so zu jedem Punkt bei den Anrufen, der mir sonst Fragen und Irritation erzeugt, eine brauchbare und nicht unwahrscheinliche bzw. detailliert zu konstruierende Erklärung finde und das Gesamte in meinen Augen ein stimmiges Gesamtbild abgibt.
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Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

Ungelesener Beitrag von Trodat5203 »

@HP1
Ja, das mit dem "Funktionieren" als Schutzmechanismus sehe ich auch. Halte ich allerdings auch deswegen für eher unwahrscheinlich, weil gerade die Telefonate, der Kontakt zu ihrem Lebensalltag, genau solche Situationen wären, wo dieser Schutzmodus durchbrochen wird und zusammenfällt, die emotionale Landschaft "freigelassen" wird. Aber es stimmt natürlich, das lässt sich nicht eindeutig vorhersagen, vor allem auch nicht ohne Frauke persönlich gekannt zu haben.
Ich nehme an, dass dieses "Fassung bewahren" auch dem Umstand geschuldet ist, dass Frauke ja - Zitat Karen- "nie wollte, dass andere sich Sorgen machen". Ich halte Frauke für ausgesprochen stark, was das anging.

Vllt war es nie sein Plan sie freizulassen, aber er wusste, dass er Frauke so bei "Laune" halten konnte und um sie gefügiger zu machen.

Vllt war er sowieso permanent mit ihr unterwegs und hatte einen mobilen Festhalteort. Das könnte erklären warum es ihm nicht viel ausmachte. Die Aussicht auf Freilassung hätte sie davon abgehalten etwas zu verraten und sich selbige damit zu verbauen.

Und diesbezüglich frage ich mich eben auch, wie das Ganze für einen Täter im Nachhinein ausgegangen wäre, wenn er sie freigelassen hätte. Ein ihr unbekannter Täter hätte es da sicherlich einfacher gehabt, zumindest wenn Frauke tatsächlich nicht viel über ihn wusste. Aber was hätte sie für eine Legende auftischen können nach einer Woche Auszeit von ihrem gewohnten Umfeld und ihren Verpflichtungen, ohne dass jemand die Wahrheit aus ihr raus gepresst und sie zur Polizei geschleppt hätte? Hier sehe ich für den Täter keine wirklich realistische Chance davon zu kommen. Eigentlich also eine logische Schlussfolgerung, dass er sie umbrachte. Saimeh:"Man weiss, dass das Risiko getötet zu werden steigt, je länger das Opfer bei dem Täter ist"

Mit einem ihr bekannten Täter hätte man natürlich eine Übereinkunft treffen könnte das Ganze als "Fauxpas" einzuordnen und dem Täter vergeben, insbesondere wenn er ihr nach einem möglicherweise anfänglichen Fehler, der überhaupt zum Festhalten führte keine weitere Gewalt antat und sie ihn nur davon überzeugen musste ihn nicht anzuzeigen. Hier ordne ich Frauke als sehr geschickt ein und das hätte bzw hat sie bestimmt versucht. Warum gelang ihr das nicht? Misstraute der Täter ihr, weil sie gerne "lästerte" und konnte sie nicht einschätzen? Oder aber ist es so wie es der Pünktchenmann schilderte: erst das "Aufgebausche" durch die Medien und der Riesenwirbel den Freunde und Familie veranstalteten sorgte dafür, dass er sich in die Ecke gedrängt fühlte und eine Verharmlosung nach Freilassung kaum mehr möglich gewesen wäre? Dann schien er Frauke vllt doch nicht so gut zu kennen, um zu wissen welch Reaktion ihr Fernbleiben auslösen würde? Macht keinen Sinn, denn wie du schreibst: er hätte sich in diesem Falle den Druck von außen selbst nehmen können, indem er die Situation damit entspannt Frauke sagen zu lassen:"Macht euch bitte keine Sorgen, ich bin freiwillig weg, is mir Grad alles zuviel, ich melde mich in ein paar Tagen, ich will Grad meine Ruhe haben. Wir reden wenn ich wieder zurück bin." Kein Radio, keine Zeitung hätte da zunächst über eine Entführung oder Geiselnahme berichtet.



Das Motiv Frauke oder die Angehörigen mit den Anrufen zu quälen sehe ich ebenfalls nicht. Wohl aber die Möglichkeit, dass er sich die Anrufe zu Nutze machte um Frauke gefügiger für bestimmte Handlungen zu machen. Ein Opfer mit Hoffnung auf Freilassung, nach dem Motto:"ich mach das jetzt mit und dann darf ich gehen" ist kooperativer. und um eine Fahndung zunächst abzuwenden, zumindest so lange, wie sie ihm von Nutzen sein sollte. Denn eines ist ja auch interessant: Der Täter hatte auch Gewalt über Fraukes Telefon. Das Telefon ist ja das wesentliche bzw. markante Tatwerkzeug in diesem Fall. Er nutze es aber nach dem 27.06. nicht mehr. Für mich einhergehend mit Fraukes Tod, weshalb ich auch davon überzeugt bin, dass Frauke direkt nach dem letzten Gespräch getötet wurde. Warum?
Ein ihr bekannter Täter hätte so den Tötungszeitpunkt verschleiern können. Er hätte weiterhin Nachrichten zur Beschwichtigung des Umfelds absenden können, so wie das häufig z.b. bei Intimiziden der Fall ist. Er hätte in eine komplett andere Richtung lenken können, in dem er völlig risikofrei nur mit dem Telefon nach Fraukes Tod in eine andere Stadt fährt und dann von dort eine Nachricht schickt die suggeriert, dass Frauke sich abgesetzt hat oder einfach das Handy einschalten, damit es dort geortet werden kann. Man das Telefon vllt zufällig an einem Fluss findet und alle von einem Sturz ins Wasser ausgehen.
Die Nichtnutzung des Handys im Nachhinein kommt mir nicht logisch vor für einen Täter aus ihrem Umfeld. Wohl aber für jemanden für den die Sache erledigt war, nachdem er seinen Plan vollendet und sich seinem Opfer entledigt hatte.
Je mehr du mir weg nimmst desto größer werde ich. Was bin ich?
Trodat5203
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Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

Ungelesener Beitrag von Trodat5203 »

Und dann komme ich Mal noch zu einem weiteren Punkt: die Möglichkeit von Sedierung durch Medikamente/Drogen.

Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Täter, der Frauke "gut behandelte" sie sedieren musste? Klar, sie bekam dadurch vllt weniger mit aber wäre das für einen ihr bekannten Täter von Nutzen gewesen ? Eigentlich nein. Hätte man noch eine Freilassungsabsicht gehabt, hätte man sich durch die Sedierung doch noch tiefer in die Scheiße geritten. Das ist ja etwas, was sicherlich nicht im Sinne der Person ist, die eine wahre Hoffnung auf Freilassung und eine gewisse Augenhöhe mit dem Täter in der Situation haben soll. Mal abgesehen davon, dass ich mich Frage wie wahrscheinlich es ist, dass ein Täter spontan darüber verfügt oder sich in solch einer Situation sehr kurzfristig um die Beschaffung kümmern kann. Denn zwischen Bekanntmachung der Nieheim-Sms am Donnerstag und dem abendlichen Anruf lagen ja nur einige Stunden.
Auch hier bin ich eher der Meinung, dass dies - sofern es der Fall war- dazu diente das Opfer gefügiger und willenloser, beherrschbarer zu machen ohne es so zu brechen, dass man seine Vorhaben nicht mehr umsetzen kann. Dann wurde sie evtl gar nicht speziell für die Anrufe sediert, sondern für gewisse Handlungen, was erklären könnte, warum sie mal klar und mal verwaschen klang. Vllt gab es keine Korrelation zwischen Benommenheit und Anruf.
Je mehr du mir weg nimmst desto größer werde ich. Was bin ich?
MB77
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Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

Ungelesener Beitrag von MB77 »

Die Frage nach Grund ihrer Abwesenheit, das warum ist essentiell. Sie hätte ja wirklich lügen und irgendeine Geschichte erzählen können. Der Täter sagt ihr, was sie zu sagen hat und gut ist. Es gibt aber gar keine Erklärung und darum beruhigten diese Telefonate einfach nicht.

Jede Frau kennt 1000 Notlügen, es sei denn, sie ist tot.
Trodat5203
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Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

Ungelesener Beitrag von Trodat5203 »

MB77 hat geschrieben: Montag, 16. Juni 2025, 21:20:24 Die Frage nach Grund ihrer Abwesenheit, das warum ist essentiell. Sie hätte ja wirklich lügen und irgendeine Geschichte erzählen können. Der Täter sagt ihr, was sie zu sagen hat und gut ist. Es gibt aber gar keine Erklärung und darum beruhigten diese Telefonate einfach nicht.

Jede Frau kennt 1000 Notlügen, es sei denn, sie ist tot.
Nun darf man aber nicht vergessen, dass Frauke diese Notlügen 3 Personen hätte präsentieren müssen die sie sehr sehr gut kannten. Hätte ihr vermutlich keiner abgekauft. Was passierte war doch eher, dass die vom Täter suggerierte Hoffnung sie gehen zu lassen durch Frauke selbst an die Angehörigen weitergetragen wurde, denn auch sie hofften und erwarteten jeden Tag eine Rückkehr.
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Trodat5203
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Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

Ungelesener Beitrag von Trodat5203 »

So glasklar was vor sich ging, scheint das damals keineswegs für die Angehörigen gewesen zu sein. Wir haben einen Bruder der sich nach der Standpauke vom Freitag sicher war, dass nun Schluss mit dem Spektakel sei. Wir haben einen Christos, der sich in einem Interview einige Zeit nachdem Frauke sich schon nicht mehr gemeldet hat sagte:" Ich versteh nicht warum die sich erst immer meldet und jetzt gar nicht mehr." Und der sie fragte, ob sie jemanden kennengelernt hätte. Schwester Karen sagt zwar, dass das letzte Telefonat für sie wie ein Abschied klang aber sagte in diesem Gespräch: "Komm doch nach Hause, wir räumen auch dein Zimmer und keiner fragt dich was passiert ist". Aus Sicht des Täters hätte er sich aufgrund der durch klingenden Planlosigkeit der Fragen bzw Aussagen von Chris und Karen durchaus sicher sein können, dass niemand felsenfest von einer Entführung ausgeht. Dennoch hat er Frauke anschließend das Leben genommen. Das macht auf mich den Eindruck, als ob es ihm ziemlich egal war, was Frauke sagt und was die anderen denken.
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Gastq

Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

Ungelesener Beitrag von Gastq »

Ich habe mal eine Frage, bei der mir ein Ur-Paderborner weiterhelfen könnte. Wann hat der Red Club auf der Mühlenstraße entgültig zugemacht? Im Jahr 2007 war dort schon ein neuer Club drin. Ich versuche eine Erinnerung von jemandem zeitlich einzuordnen. Hat nur indirekt etwas mit dem Fall zu tun aber vermutlich mit einer Person aus dem letzten Stawski Podcast. Evtl. kann Bastian dazu ja etwas sagen?
StaffBro

Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

Ungelesener Beitrag von StaffBro »

HP1 hat geschrieben: Montag, 16. Juni 2025, 13:45:58 Ich meine, am Dienstag wurde ihr definitiv nicht vorgegeben, was sie genau sagen soll (wäre bei Länge und Verlauf des Gesprächs gar nicht möglich gewesen), am Dienstag verliert sie mehrfach mehr oder weniger die Fassung, antwortet affektiv statt kontrolliert, und dennoch keine Preisgabe zu ihrer Situation außer dem "ja, nein, nein" (Ausrutscher, sofort korrigiert) und dem "ich lebe noch" (mMn eine spontan affektive Antwort auf "wir räumen auch dein Zimmer" - gemeint als "wir lassen dich in Ruhe", von ihr in ihrer mentalen Derangiertheit in Korrelation zu ihrer tatsächlichen Lage missverstanden als "wir räumen dein Zimmer leer").
Ja wenn doch alles nur so einfach wäre... MMn. allerdings ziemlich platt und eher tendenziös konstruiert.
Eine "nette" und oberflächliche Interpretation eines Satzes, den es so, allerdings nie gegeben hat!

Richtig lautet die betreffende Kommunikationspassage übrigens:

Karen:
"Wir räumen auch die Wohnung, und keiner fragt dich,
was passiert ist. Komm doch wieder."

Frauke
"Das geht nicht, ich lebe noch!"



Und da würde ich tatsächlich gänzlich anders analysieren und interpretieren. Nämlich so, dass sich Fraukes erster Teil der Antwort, "Das geht nicht" eben auf Karens Aufforderung und Wunsch "Komm doch wieder" bezog und auch das daran angefügte "ich lebe noch" sich ebenfalls einzig und allein auf Karens Wunsch "Komm doch wieder" bezogen hat.

Eine Antwort und zugleich vielsagendes Statement, einer Intelligenten Frauke!

Karens Satz "Wir räumen auch die Wohnung" wird Frauke jedenfalls schon genau so verstanden haben, wie dieser von ihrer Schwester auch gemeint war. Weshalb selbigen zu kommentieren oder darauf einzugehen, an dieser Stelle für Frauke offensichtlich nicht so wichtig erschien, wie es ihr bei Ihrer Antwort auf Karens Frage "Komm doch wieder", der Fall war.

Interessanterweise kommt Frauke allerdings bei der darauffolgenden Frage von Karen, indirekt und unaufgefordert wieder darauf zurück und weiß damit abermals einen weiteren Hinweis auf Ihre Situation preiszugeben:

Karen:
"Bist du mit einer oder mehreren Personen zusammen?"

Frauke
"Bitte frag mich nicht. Ich würde gerne bei euch sein. Ich
würde gerne nach Hause
."



Es gibt in @HP1 Beitrag zwar vieles wo ich unwidersprochen mitgehen würde, allerdings aber auch ebenso viele Punkte, die ich gänzlich anders und sehr viel differenzierter betrachte. Dies also lediglich von mir hier beispielhaft und exemplarisch "herausgepickt" um auch mal einer gegensätzlichen Betrachtungsweise Raum zu geben.

Trodat5203 hat geschrieben: Montag, 16. Juni 2025, 22:07:16 Schwester Karen sagt zwar, dass das letzte Telefonat für sie wie ein Abschied klang aber sagte in diesem Gespräch: "Komm doch nach Hause, wir räumen auch dein Zimmer und keiner fragt dich was passiert ist".
Wie schnell sich sowas doch verselbständigt..
Wenn man doch schon Zitate in Anführungszeichen setzt, dann bitte -der Sorgfalt halber- echte Zitate im originalem Wortlaut verwenden!
Owler
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Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

Ungelesener Beitrag von Owler »

Gastq hat geschrieben: Montag, 16. Juni 2025, 23:10:04 Ich habe mal eine Frage, bei der mir ein Ur-Paderborner weiterhelfen könnte. Wann hat der Red Club auf der Mühlenstraße entgültig zugemacht? Im Jahr 2007 war dort schon ein neuer Club drin. Ich versuche eine Erinnerung von jemandem zeitlich einzuordnen. Hat nur indirekt etwas mit dem Fall zu tun aber vermutlich mit einer Person aus dem letzten Stawski Podcast. Evtl. kann Bastian dazu ja etwas sagen?
Ja schwierig ich finde nur folgendes

„ Im April 2007 baute Nicolas Schiffer die leer stehende Disco mit viel Eigenarbeit und der Hilfe zahlreicher Freunde zum »Cube« um“
Morph

Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

Ungelesener Beitrag von Morph »

Mal in die Position eines Täters reinversetzt, dem das Ganze wirklich entglitten ist und das Ganze geschehen lässt, um Familie und EB von keinem Fremdverschulden zu überzeugen, ergo Einstellen der anfänglichen Maßnahmen, in etwa so wie der eine „Gast“ es schilderte:

Was müsste passieren, damit ihr als Täter zu 100% überzeugt seid, dass das Opfer von dem ganzen Geschehen nichts erzählt, zur Polizei geht etc. ?

Ich glaube das war am Ende die mentale Hürde, er oder sie konnte sich dessen nie wirklich sicher sein, weshalb es das tragische Ende geben musste.
Trodat5203
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Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

Ungelesener Beitrag von Trodat5203 »

StaffBro hat geschrieben: Dienstag, 17. Juni 2025, 00:58:21
Wie schnell sich sowas doch verselbständigt..
Wenn man doch schon Zitate in Anführungszeichen setzt, dann bitte -der Sorgfalt halber- echte Zitate im originalem Wortlaut verwenden!
Hast du Recht. Danke für die Korrektur. Spielt für mich aber auch keine wesentliche Rolle, ob sie Zimmer oder Wohnung sagte, denn an dieser Stelle gehe ich voll mit dir mit. Ich interpretiere das ebenso, dass sich sowohl das "Das geht nicht" als auch das "ich lebe noch" auf die Bitte von Karen nach Hause zu kommen bezog. Das "ICH LEBE NOCH" sollte mMn zudem aufzeigen, dass sie sich in einer lebensbedrohlichen Lage befindet und fürchtet nicht mehr lebend nach Hause zu kommen.
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HHmoin

Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

Ungelesener Beitrag von HHmoin »

Und das mit den Dreiecken hab ihr euch angeschaut?
Es gibt ja auch Liebesdreiecke meistens ist in solchen Konstellationen mind. eine Person eifersüchtig.

Ich überlege ob es ein Reinigungsritual gegeben hat um die Seele zu säubern..
Avi

Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

Ungelesener Beitrag von Avi »

Morph hat geschrieben: Dienstag, 17. Juni 2025, 13:09:16 Mal in die Position eines Täters reinversetzt, dem das Ganze wirklich entglitten ist und das Ganze geschehen lässt, um Familie und EB von keinem Fremdverschulden zu überzeugen, ergo Einstellen der anfänglichen Maßnahmen, in etwa so wie der eine „Gast“ es schilderte:

Was müsste passieren, damit ihr als Täter zu 100% überzeugt seid, dass das Opfer von dem ganzen Geschehen nichts erzählt, zur Polizei geht etc. ?

Ich glaube das war am Ende die mentale Hürde, er oder sie konnte sich dessen nie wirklich sicher sein, weshalb es das tragische Ende geben musste.
Ich denke vielleicht ist an dem Abend irgendetwas passiert, was er so nicht wollte, hat sie vergewaltigt oder er versucht. Oder sie aus welchen Gründen auch immer geschlagen, vielleicht hatte sie ein blaues Auge oder sonst was, dass er sie erst nicht gehen lassen konnte.
Wahrscheinlich hat er ihr nicht geglaubt , dass sie nichts sagt und dann doch so entschieden.
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Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

Ungelesener Beitrag von Hamburger »

Shadow hat geschrieben: Montag, 16. Juni 2025, 11:42:32
[...]
Faktor 1 / Der erste Telefonanruf:
da sind wir uns fast alle einig , galt zur Beruhigung der Polizei.
Durch Öffentliche Zeitungsartikel gab es Entwarnung-
Nach dem 1. Anruf hätte er einfach abtauchen können , um alle Zeit der Welt zu haben.

[...]
Es gab keinerlei Entwarnung in den Medien. Am Tag nach dem 1. Anruf informierte die Polizei die Presse über diesen Anruf und erklärte, die Ermittlungen fortzusetzen.

In der "Neuen Westfälischen" vom 24.6.2006 (Printausgabe, die also schon am Freitagabend, den 23.6.2006 gedruckt wurde) war unter der Überschrift "Vermißte 21-Jährige meldet sich" zu lesen:

"Am Donnerstagabend hat sich die seit Dienstagabend
vermisste 21-jährige Frauke Liebs aus Paderborn per Handy bei einem
Bekannten gemeldet.

Befürchtungen der Angehörigen, der Vermissten könnte etwas zugestoßen
sein, hätten sich damit nicht bestätigt, sagte Polizeisprecher Michael
Biermann. Der Aufenthaltsort der jungen Frau sei allerdings auch weiterhin
unbekannt.

Auch blieben die Gründe des Verschwindens der als zuverlässig geltenden
Auszubildenden vorerst ungewiss. Da der plötzliche Kontaktabbruch zu
Angehörigen und Bekannten bislang nicht erklärt werden könne, werde weiter
in alle Richtungen ermittelt, um die Umstände aufzuklären, sagte Biermann."

Weitere Informationen in den Medien über den Stand der polizeilichen Ermittlungen gab es in den Tagen von Fraukes Entführung nicht.
Hamburger
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Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

Ungelesener Beitrag von Hamburger »

HP1 hat geschrieben: Montag, 16. Juni 2025, 13:45:58
[...]

Der "Elefant im Raum" ist doch das Warum. Klar kann Frauke einfach nur ihre Heimkehr ankündigen (wiederholt, ohne dass dies tatsächlich stattfindet...), aber die eigentliche Frage, die das Umfeld 24/7 beschäftigt (so lange sie tatsächlich nicht zurückgekommen ist) und deren Beantwortung einzig geeignet wäre, hier zu beruhigen, ist das Warum.
Ein Täter mit Kontrolle darüber, was Frauke sagt, der hätte sie doch garantiert irgendeine Erklärung abgeben lassen. Nicht detailliert (und wohl schnell als BS identifizierbar), sondern irgendwas mit "Auszeit, Pause, jemand von früher getroffen, was Großes dazwischen gekommen", wie auch immer. Auch wenn das Umfeld dann tatsächlich genauso schlau wäre wie vorher, wäre der implizit oder explizit allgegenwärtigen Frage an Frauke "Warum" Genüge getan und die Perspektive eröffnet, dass sich letztendlich schon alles aufklären würde. Egal wie unbestimmt und dünn, es wäre beruhigender als die Frage wieder und wieder unbeantwortet zu lassen, während ein ums andere Mal die angekündigte Heimkehr nicht stattfindet. Aus Tätersicht erscheint mir das unmittelbar nahe liegend, dafür braucht es keinerlei besondere Überlegung oder Erkenntnisse. Die irritierende Leere des unbeantworteten "Warum" ist doch überpräsent, ohne dass man da viel überlegen muss.

[...]

Welche Erklärung wäre denn wirklich glaubwürdig gewesen? Eine Behauptung Fraukes, sie habe sich am späten Abend auf ihrem Nachhauseweg spontan entschlossen, eine "Auszeit" zu nehmen (und sei dann abgetaucht, ohne sich noch eben in ihrer Wohnung Zahnbürste, Nacht- und Unterwäsche, Wechselkleidung etc. zu holen), wäre nach meiner Ansicht jedenfalls völlig unglaubwürdig gewesen.

Ich sehe nicht, dass der Täter Frauke eine überzeugende Erklärung hätte geben lassen können. Jeder Versuch, ihr Verschwinden durch detaillierte Angaben zu begründen, hätte nach meiner Ansicht für den Täter die potentielle Gefahr bedeutet, gerade dadurch umso größeren Argwohn zu erregen und den Verdacht eher zu bestätigen, dass Frauke nicht freiwillig fernblieb. Ein Täter, der Frauke nicht nahe stand, hätte doch die Glaubwürdigkeit einer „Erklärung“ nicht zuverlässig einschätzen können. (Und einen Frauke nahe stehenden Täter schließe ich nach dem Scheitern der Mordermittlungen unter Östermann aus.)


Ich sehe auch nicht, dass bei allen Anrufen das „Warum“ im Vordergrund stand.

Bei dem ersten Anruf wirkte Frauke sehr benommen und ihre Stimme klang verwaschen – je weniger sie sagte, desto besser unter diesen Umständen. Aber das Wenige, das sie Chris mitteilte, enthielt durchaus das, was die Familie einigermaßen hätte beruhigen können.

Nach Chris' Gedächtnisprotokoll sagte Frauke beim 1.Anruf:
„Hallo Christos, ich wollte sagen, dass es mir gut geht und dass ich bald nach Hause komme. Sage Mama und Papa und den anderen Bescheid."

Von dem „Christos“ (dessen Bedeutung der Täter nach meiner Vermutung zu diesem Zeitpunkt nicht verstand) abgesehen, war weniger das, was Frauke sagte oder nicht sagte, beunruhigend, sondern wie sie es sagte – benommen und mit verwaschener Stimme. Aber darauf hatte der Täter offenbar keinen Einfluss – jedenfalls nicht kurzfristig.

Beim zweiten Gespräch am Samstag, das sie mit ihrem Bruder führte und bei dem sie normal klang, war der Grund ihres Verschwindens zweitrangig angesichts ihrer Ankündigung, noch „heute“ nach Hause zu kommen.

Frank: „Frauke, was machst Du, wann kommst Du nach Hause?"
Frauke: „Ich komme heute nach Hause, auch nicht zu spät. Ich bin in Paderborn, frag nicht, ich komme nach Hause."
Frank: „Wo bist Du denn?"
Frauke: „Kann ich nicht sagen."

Interessant finde ich hier, dass Frauke erklärt, in Paderborn zu sein. Auch in dem Gespräch mit Chris am Samstag, in dem sie ihre Versicherung wiederholt, „heute“ nach Hause zu kommen, betont sie (laut Gesprächsprotokoll) sogar dreimal, in Paderborn zu sein.

Das dreimalige „Ich bin in Paderborn“ legt nach meiner Auffassung die Vermutung sehr nahe, dass dem Täter diese Behauptung sehr wichtig war. Nach meiner Meinung gäbe es dafür einen plausiblen Grund: Wenn der Täter mit der Aussicht auf Fraukes baldige Heimkehr Sorgen beschwichtigen wollte, konnte dieser Effekt durch die „Tatsache“, wieder in Paderborn, also (nach dem Aufenthalt in Nieheim) schon fast zu Hause zu sein, verstärkt werden.

Aber obgleich zuerst Fraukes Ankündigung, „heute“ nach Hause zu kommen, bei ihrer Familie und ihren Freunden für immense Erleichterung sorgte, nahmen mit der Enttäuschung Angst und Verzweiflung bei ihnen wieder zu.

Aber hier stellt sich nach meiner Ansicht die Frage: Worum ging es dem Täter denn bei den Anrufen? Wollte er Fraukes Familie und Chris beruhigen – oder nicht vor allem die Polizei von ihrem Verdacht auf ein Verbrechen abbringen?

Die erste Reaktion von Frauke nach der 1. SMS aus Nieheim, die gegen 1 h in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch geschrieben, kam am späteren Donnerstagabend – wenige Stunden, nachdem die Polizei öffentlich erklärt hatte, Ermittlungen aufgenommen zu haben.

Und im Unterschied zu Fraukes Familie und Chris gelang es dem Täter bei der Polizei, sie mit den ersten Anrufen von einem freiwilligen Verschwinden Fraukes zu überzeugen. Das war für den Täter entscheidend – nicht die Angst der Angehörigen, die ohne Unterstützung der Polizei hilflos waren.

Nach meiner Überzeugung ist es sehr wichtig, die Anrufe in ihrer Wirkung auf die Polizei zu sehen. Von diesen Reaktionen der Polizei war allerdings in den Medien nichts zu erfahren.
Hamburger
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Re: MORDFALL LIEBS -- Diskussion

Ungelesener Beitrag von Hamburger »

HP1 hat geschrieben: Montag, 16. Juni 2025, 17:27:42
Ein Täter, der Frauke halbwegs gut behandelt und wo ihre Freilassung tatsächlich eine echte Option oder gar anfangs der Plan ist, der hätte doch eher eine geringere Hemmschwelle das (tatsächliche oder gefühlte) Entdeckungsrisiko der Anruffahrten wiederholt einzugehen, oder nicht?

Welchen einleuchtenderen Grund gäbe es, täglich aufs Neue zum Anrufen aufzubrechen, wo Frauke dann ihre baldige Heimkehr ankündigt, als wenn diese Heimkehr tatsächlich vorgesehen ist und man bzgl. der Anrufe/Inhalte gar nicht über den nächsten Tag hinaus überlegen müsste? Andernfalls könnte man sie doch einfach sagen lassen "ich meld mich in ein paar Tagen wieder" und das Auto übers Wochenende in der Garage lassen, oder?
Eine Entführung bzw. Freiheitsberaubung ist ein Schwerverbrechen. Die Art, wie das Opfer behandelt wurde, hat zwar Einfluss auf das Gerichtsurteil, aber eine "halbwegs gute" Behandlung reicht keineswegs aus, um den Täter glimpflich davon kommen zu lassen. Zudem kann es, glaube ich, keinen Zweifel daran geben, dass es für Frauke qualvoll gewesen sein muss, dem Täter tage- und nächtelang völlig hilflos ausgeliefert zu sein - auch wenn ihr Vergewaltigungen und andere Torturen erspart blieben.

Mit Blick auf die Reaktionen der Polizei hat es sich jedenfalls für den Täter gelohnt, in den ersten Tagen der Anrufe das Auto nicht in der Garage zu lassen.
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