Möglich, ja. Aber sehr wahrscheinlich? Es geht hier um Erfahrungswerte. Zwei Dinge, die Saimeh sagt, sind für mich wichtig: Eine junge Frau in der eigenen Verfügungsgewalt haben, das ist eine Fantasie junger Männer. Zudem nimmt die Kriminalität mit steigendem Lebensalter ab. Da ist jetzt die Frage, ob das Verbrechen überhaupt geplant war. Denn nur dann, könnte man ja von einem Täter ausgehen, der diese Fantasie verwirklichen wollte und somit Saimeh nach ein eher junger Mann sein müsste. Das mal dahingestellt, weil ich selbst auch eher nicht von einem geplanten Verbrechen ausgehe. Bleibt aber ihre zweite Aussage, die einfach ein statistisches Faktum darstellt. Je älter, desto weniger kriminell. Spricht also eher für einen jungen Mann. Wir müssen, nehmen wir die Freiwilligkeit des Zustiegs in das Fahrzeug an, darüber hinaus annehmen, dass Frau den Täter entweder kannte, er somit ganz grob in ihrem Alter war oder dass Frauke zumindest schnell Vertrauen zum Täter fasste. Es wäre natürlich auch nicht unmöglich, dass sie zu einem älteren Mann stieg, aber das Szenario eines eher jungen Mannes scheint doch schon deutlich wahrscheinlicher. Man muss sich ja nur einmal vorstellen, man geht als junge Frau im Dunkeln allein nach Hause. Zu wem würde man eher ins Auto steigen? Einem jungen oder einem alten Mann? Kann man sicher nicht völlig pauschalisieren, da spielen auch weitere Faktoren mit rein, aber ganz grundsätzlich ist es doch wahrscheinlicher anzunehmen, dass man hier vielleicht eine gemeinsame Gesprächsbasis hatte, die mit jemandem im eigenen Lebensalter doch leichter herzustellen ist.
Was können wir aufgrund der Fakten noch über den Täter lernen?
Der Täter muss einen Bezug zum Auffindeort haben. Diese Stelle, und da lege ich mich fest, findet man nicht zufällig beim Rumfahren. Der Täter kannte den Ablageort. Da erinnere ich gern an das Interview des Herbram-Walder Ortsvorstehers, der argumentierte, wenn er eine Leiche entsorgen wolle und er fährt nun damit in den bayerischen Wald, dann könne er nicht wissen, ob er dabei unbeobachtet bleibe und ob sie nicht schon am nächsten Tag gefunden würde. Der Täter müsste schon unglaublich viel Glück gehabt haben, wenn er diesen Ort an der L817 zufällig gefunden hätte. Da spricht doch vieles eher dafür, dass er die Stelle kannte. Zudem zeigt auch die Kriminalstatistik, dass Täter Leichen tatsächlich häufig dort entsorgen, wo sie sich auskennen. Also meist nahe ihres Wohnortes. Insofern gibt die Empirie den Ausführungen des Ortsvorstehers Recht. Zudem kam der erste Anruf seiner Ablenkungstaktik genau aus der entgegenliegenden Richtung der Region Herbram/Asseln, betrachtet man Paderborn als Mittelpunkt. Das sieht schon sehr danach aus, als wollte da jemand nicht, dass man in dieser Richtung sucht.
Des Weiteren muss der Täter die Industriegebiete gut genug gekannt haben; um zu wissen, dass er sie von dort aus gefahrlos telefonieren lassen kann. Besonders gut muss er sich in Mönkeloh ausgekannt haben, denn der Anruf erfolgt tagsüber an einem Samstag.
Der Täter muss auch einen Bezug in die Region in und um Bad Driburg haben. Ich würde hier auf den Bereich nördlich von BD zwischen BD und Nieheim tippen, der in der Funkzelle Nieheim-Entrup liegt. Die Straßen dort oben sind bergiges Waldgebiet und dorthin fährt man nachts nur, wenn man sich da auskennt.
Der Täter muss einen Helfer gehabt haben. Eine junge Frau jeden Abend in ein Fahrzeug zu laden, mit ihr nach Paderborn zu fahren, sie telefonieren zu lassen und dann wieder zurück zum Festhalteort zu fahren, sie auszuladen usw. Das kann man unmöglich alleine bewerkstelligen. Zudem hat er sie ja eine Woche lang festgehalten. Alleine das ist logistisch schon sehr schwer zu bewerkstelligen, wenn man alleine handelt. Darüber hinaus muss man davon ausgehen; dass wir nach jemandem suchen, der so eine Person in seinem nahen Umfeld hat, der er vertrauen konnte. Ich schrieb hier schon einmal: meiner Meinung nach ist so eine Konstellation nur mit einem Bruder oder einem sehr engen Freund möglich.
Der Täter muss zudem eine gute und schnelle Anbindung an die Anruforte gehabt haben, die es ihm relativ gefahrlos ermöglichte, mit Frauke dorthin zu fahren. Entweder lebte er also in der Nähe oder er hatte dort eine Möglichkeit der Unterbringung, die als Festhalteort diente. Hövelhof ist dabei gesondert zu betrachten, weil dies der erste Anruf war, der lediglich vom eigentlichen Festhalteort ablenken sollte und wo man eventuell ein höheres Risiko eingehen musste und somit eine etwas höhere Fahrzeit in Kauf nahm.
Meine persönliche Annahme zum Tathergang: Der Täter konnte Frauke zur Mitfahrt bewegen. Er kann demnach nicht völlig unsympathisch gewesen sein. Man fuhr über die B64 nach Bad Driburg. Diese Straße kannte Frauke ja durch ihre Mutter. Das wird später wichtig, weil sie ja mit dem 3x Mama einen Hinweis auf Bad Driburg gibt. Wahrscheinliches Ziel der Fahrt war der McDonald in BD. Von dort aus sollte es dann eigentlich zurück nach Paderborn gehen. Der Täter verließ die Stadt allerdings nach Norden in Richtung Nieheim. Auf einem der Waldwege kam es dann zu einem Annäherungsversuch seitens des Täters. Auf die Zurückweisung Fraukes hin geschah irgendetwas, das die Situation eskalieren ließ. Möglicherweise liegt hier die Erklärung für den fehlenden Schneidezahn. Es kam zum Übergriff. Der Täter will die Tat verdecken, zögert die Entscheidung eine Woche lang hinaus und kommt am Ende zu dem Entschluss, dass er Frauke nicht gehen lassen kann.
Nochmal zusammengefasst ergeben sich die folgenden Punkte:
Punkt 1: bei dem Täter handelt es sich um einen jungen Mann. Zwischen 20 und 30.
Punkt 2: der Täter hat einen Bezug zum Ablageort an der L817.
Punkt 3: der Täter kannte sich in den Industriegebieten gut aus.
Punkt 4: der Täter kannte die Region in und um Bad Driburg in Richtung Nieheim.
Punkt 5: der Täter hatte entweder einen Bruder/nahen Angehörigen oder einen sehr engen Freund als Helfer.
Punkt 6: der Täter hatte eine gute Anbindung zu den Anruforten. Entweder weil er günstig gelegen lebte oder weil er eine Möglichkeit als Festhalteort in der Nähe hatte.
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