So...
Der "Schrauber in Nieheim" hat nun meine Gedanken (und meinen freien Vormittag) beflügelt und ich habe, ganz entgegen meinen Gewohnheiten, ein konkretes spekulatives Szenario runtergeschrieben. Geht von dem "Schrauber" aus, ist aber größtenteils auch auf einen möglichen Täter unabhängig von Fraukes Erwähnung verwendbar.
Was mich dazu veranlasst hat:
Die Anrufe (als Solche und inhaltlich) irritieren - in meinen Augen sind sie bei vielen möglichen Hergängen, Tatanlässen/Motiven und Täter-Opfer-Beziehungen (oder auch "Fehlen" einer solchen) unplausibel. Ich meine hier ein Szenario gezeichnet zu haben, das die Anrufe (gerade auch inhaltlich) nicht nur halbwegs stimmig macht, sondern uU regelrecht motiviert.
Der Täter, sein Handeln, der Tatanlass sind nicht unwahrscheinlich - im statistischen Sinn.
Ebenso ist kein großer unwahrscheinlicher Zufall nötig - außer vielleicht dem Umstand, dass die Tat bislang nicht aufgeklärt wurde. Aber das gilt im Grunde für jeden Hergang, der keine gründlich und sehr gut geplante Tat annimmt - und bei einer solchen wären die Anrufe mE unplausibel.
Ein Schwerpunkt, der mir (bekanntermaßen) manchmal etwas zu kurz kommt, ist das Nachvollziehen und abwägen von Täter-(und Opfer-)handeln in Extremsituationen. Da wird mE doch gerne zu rational, zu vernünftig, zu sehr am eigenen Erleben orientiert gedacht und argumentiert. Ich meine, es hier ganz gut getroffen zu haben, erwarte gleichzeitig hier den größten Widerspruch. Wenn ordentlich begründet und formuliert, immer her damit.
Wie immer, alles nur Spekulation, ich würde (grundsätzlich) keinen Cent drauf wetten, dass es so war. In dem Sinne werde ich meine Spekulation wohl auch nicht groß "verteidigen" - je nach Reaktionen wäre das auch schlicht zu viel Arbeit.
Also, los gehts...:
Frauke fragt zeitnah vor ihrem Verschwinden ihre Mutter, wo Nieheim liege. Auf deren Nachfrage hin äußert sie, sie kenne da so einen „Schrauber aus Nieheim“.
Ging es um günstige Autoreparaturen (gut jemanden zu kennen, der sowas günstig machen kann), vielleicht die Möglichkeit, einen gebrauchten und restaurierten Roller günstig zu kaufen, oder hatte sie ein persönliches Interesse? Wohnt er in Nieheim, oder hat er dort eine Garage/Schuppen zum „Schrauben“, wohnt aber andernorts? Weiß man nicht.
Jedenfalls, die Person ist nie identifiziert worden, bzw. wenn, ist das nicht öffentlich bekannt.
Offenkundig jedenfalls die Übereinstimmung mit der SMS aus Nieheim Dienstag Nacht und dem kurzen Einschalten ihres Handys eben dort „Stunden nach dem letzten Telefonat“. Und als „Männerbekanntschaft“ (im allgemeinen Sinn) ohne (bekannte) Bezüge zu ihrem sonstigen Umfeld angesichts des Mangels an TV jedenfalls potentiell verdächtig.
Mögliches Szenario: Frauke lernt irgendwo diesen „Schrauber“ kennen, hat vielleicht eher Interesse an der Möglichkeit günstiger Reparaturen oÄ. Vielleicht hat er da auch etwas „dick aufgetragen“, um ihr Interesse zu wecken, sie zu beeindrucken – ihm geht es dabei jedenfalls eher darum, irgendwie bei ihr „anzudocken“.
Vielleicht werden Telefonnummern ausgetauscht, vielleicht nicht. Ein telefonischer Kontakt findet allerdings wohl nicht statt, Fraukes telefonische Kontakte auch vor dem Verschwinden wurden wohl überprüft, dabei fand sich augenscheinlich kein geeigneter „Schrauber aus Nieheim“.
Jedenfalls, am Abend des Verschwindens begegnet Frauke auf dem Heimweg dem Schrauber. War er ebenfalls irgendwo zum public viewing in PB, vielleicht sogar im gleichen Pub und ist Frauke nach 23 Uhr gefolgt? Denkbar auch, dass sie ihn dort bemerkt und kurz gewunken hat, ohne dass Isabella oder Jamie das bemerkt hätten. Oder er war vor der Diskothek „Kapitol“, die auf einer naheliegenden Heimweg-Route von Frauke liegt. Nach 23 Uhr wäre eine gängige Zeit, um dort anzukommen, sich davor aufzuhalten. Oder sein Interesse an ihr war so ausgeprägt, dass er ihre Wohnadresse herausfand und dort (evtl. wiederholt) gewartet hat, um ihr „zufällig“ zu begegnen? Vielleicht wusste er ihren Namen, hatte jedoch nicht ihre Nummer.
Jedenfalls – sie treffen aufeinander (für Frauke jedenfalls „zufällig“), er legt es darauf an, eine Gelegenheit herbeizuführen, die geeignet ist, ihr näher zu kommen.
„Ich hab da gerade einen geilen Roller am Start, will ich verkaufen, schaut sich morgen jemand an. Wär vielleicht was für dich, müsstest du aber entscheiden, bevor der andere Interessent morgen kommt…“. Wie auch immer, er gibt Frauke eine ausreichend gute Motivation, mit ihm nach Nieheim zu fahren, „nur kurz“. Vielleicht fand sie ihn ja auch sympathisch/interessant, vielleicht gab es eine/n gemeinsamen Bekannte/n, der/die ihn schon länger kannte, vielleicht verlief das vorherige Kennenlernen anregend, vertrauenerweckend – jedenfalls, Frauke sieht keine Gefahr darin mitzufahren.
Frauke galt allgemein als zuverlässig und hatte dem wartenden Chris zugesagt, nach dem Spiel heimzukommen (sie hatte keinen Schlüssel). Allerdings wusste sie nicht genau, wo Nieheim liegt, nach der Nachfrage bei der Mutter wusste sie vielleicht vage „hinter Bad Driburg“- nach Bad Driburg fährt man etwa 20 Minuten. Der „Schrauber“ würde sie in dem Szenario wohl auch mit einem „ist nicht so weit, sind bald wieder hier“ überredet haben. Es ist kurz nach 23 Uhr, 2x20 Minuten, kurz den Roller anschauen – sie wäre nicht viel später als Mitternacht zu Hause, vielleicht eine gute halbe Stunde später als wenn sie nach dem Spiel zu Fuß heimgelaufen wäre. Das ist natürlich alles etwas „kleingerechnet“, aber eben genau die Weise, wie sie sich in dieser Situation eine Entscheidung für diesen „Ausflug“ guten Gewissens erklären/rechtfertigen würde. „Chris geht eh nicht vor 0/1 Uhr ins Bett, außerdem hatte ja er den Schlüssel vergessen und ihren geliehen, kann er jetzt ruhig ein bisschen warten“ - in dieser Art. Bescheid geben kann sie zu dem Zeitpunkt nicht, ihr Handyakku ist leer, aber mit o.g. zeitlicher Perspektive ist das in dem Moment für sie kein Hinderungsgrund. Vielleicht stellt ihr der „Schrauber“ ja da bereits in Aussicht, er habe in Nieheim ein passendes Ladekabel, sie könne Chris dort dann gleich Bescheid geben.
Man fährt los, schaut sich in Nieheim den Roller an (wenn der nicht erfunden war), der „Schrauber“ will ihr gemäß seiner eigentlichen Zielsetzung näher kommen, wird zudringlich.
Frauke reagiert ablehnend, möglicherweise aufgebracht, steckt aber in einer Zwickmühle: Sie ist darauf angewiesen, dass er sie nach Hause bringt, mitten in der Nacht in einem Kaff im Nirgendwo, sie kennt dort niemanden, Handyakku leer und kein Geld in der Tasche. Einfach abzuhauen ist in der Situation keine Option, sie muss sich entweder behaupten, so dass er klein beigibt, oder aber selbst den Ball flach halten.
Ein deutlicher Konflikt – sie will jedenfalls schnellstmöglich nach Hause, braucht dafür seine Kooperation, er rechnet sich vielleicht nach wie vor Chancen aus, sieht in ihrer Abhängigkeit eine Möglichkeit, sie unter Druck zu setzen. Das muss von seiner Seite an dieser Stelle noch gar nicht als Nötigung, Freiheitsberaubung oder sonstwie kriminelles Verhalten gedeutet sein, möglicherweise passt es einfach zu einer (seiner) selbstgerechten Vorstellung von männlich-dominantem Rollenverhalten. Das hängt auch sehr von Fraukes Reaktion ab – wie gesagt gut möglich, dass sie hier taktisch „den Ball flach gehalten“ hat. Ob das seinerseits ignorant-selbstsicheres Handeln war oder ob er eher „auf einem Film“ war angesichts der greifbaren Chance – beides denkbar und möglich.
Im Verlauf dieser Situation denkt sie an den wartenden Chris, es ist schon später als geplant, es wird noch mindestens die Zeit für die Rückfahrt (merklich länger als die vormals gedachten gut 20 Minuten) dauern, der Typ macht noch keine Anstalten, sie zurückzufahren (oder doch, tut es dann aber doch nicht) – jedenfalls, sie will Chris Bescheid geben, dass es noch später wird.
Von außen betrachtet und in Kenntnis des weiteren Verlaufs liegt hier natürlich eine „brenzlige“ Situation vor, man nimmt an, Frauke hätte die Gefahr sehen müssen und Chris geschrieben, wo sie sei und mit wem, und auch der „Schrauber“ hätte die SMS da im Zweifelsfall doch verhindern müssen. Doch ist das zu dem Zeitpunkt wirklich so, also aus Sicht der Beteiligten (nur darauf kommt es an, nicht auf unser Urteil im Nachgang)?
Er hat keine Freiheitsberaubung oder Vergewaltigung auf dem Schirm, so ein bisschen Nötigung zum Sex wird je nach Mindset bestenfalls als Kavaliersdelikt im männlichen Selbstverständnis wahrgenommen, oder angesichts der Gelegenheit selbstgerecht so zurechtinterpretiert. Und schließlich ist sie ja auch freiwillig mitgekommen... Vielleicht übt er sich ja auch in taktischer Zurückhaltung, um ihr Wohlwollen zu gewinnen, „klar, sag deinem Mitbewohner Bescheid, ich bring dich ja auch gleich nach Hause“ – einen Übergriff mit möglicherweise strafrechtlichen Konsequenzen und einen Bedarf an Vertuschung sieht er zu dem Zeitpunkt nicht.
Und Frauke? Wenn sie zum Zeitpunkt der SMS davon ausgeht, dass der „Schrauber“ sie anschließend zurückbringen wird, sie wahrscheinlich keine weitere Grenzverletzung zu erwarten hat, dann ist der Wortlaut der SMS jedenfalls plausibel. An dieser Stelle: Jeder (exakte) Wortlaut einer Äußerung (auch SMS) ist für sich genommen unwahrscheinlich, man könnte immer etwas anders/nicht sagen, immer noch etwas ergänzen, was dann vielleicht wahrscheinlicher wäre. Aber eine der (per se unwahrscheinlichen) Möglichkeiten findet dann nunmal in der Realität statt. Wie gesagt, grundsätzlich unplausibel ist der Wortlaut der SMS nicht. Natürlich wäre auch ein Anruf denkbar, Chris solle sie abholen. Doch zum einen müsste sie dann noch eine halbe Stunde warten, zum anderen wäre Chris dann wohl erheblich angenervt, sie wäre für ihn offensichtlich in eine Opferrolle geraten – sowas vermeiden Menschen nach Möglichkeit.
Wir kennen Frauke als selbstbewusst, eine „laute Person“ (laut ihrer Mutter), die ihren Willen durchsetzen kann – genau das mag ihr in der Situation eine Selbstsicherheit gegeben haben, die sie die Situation nicht richtig einschätzen ließ - weswegen sie keine Gefahr einer weiteren Eskalation gesehen hat, vermeintlich die Kontrolle hatte. Wie gesagt, der „Schrauber“ könnte einen glaubhaften „taktischen Rückzug“ gezeigt haben, ihr vor der SMS die sofortige Rückfahrt zugesagt haben.
Dann versucht er es doch nochmal ihr näherzukommen, Frauke rastet aus, vielleicht kommt es zum Sex oder auch nicht, Frauke redet jedenfalls auf einmal von Nötigung/Vergewaltigung/Freiheitsberaubung, droht damit oder kündigt an, ihn anzuzeigen – oder auch nur, es herumzuerzählen. Erst da realisiert er für sich die Gefahr ernsthafter Konsequenzen.
Der „Schrauber“ weiß nicht, was er tun soll. Vielleicht verlegt er sich aufs Bitten, will von ihr Verständnis, dass er so übers Ziel hinausgeschossen sei, er habe sich halt so in sie verliebt, appelliert auf einer herbeigeredeten Beziehungsebene (die aus seiner Sicht/Wahrnehmung ja irgendwie existiert, nur halt einseitig) – vielleicht sperrt er sie auch einfach ein, um in Ruhe nachzudenken, vielleicht schlägt er ihr den Zahn aus, der später bei den Überresteh fehlt (ab irgendeinem Zeitpunkt muss es so oder ähnlich gewesen sein, vielleicht als Frauke z.B. die Möglichkeit sah, anders als mit ihm nach Hause zu gelangen und Anstalten gemacht hat, einfach gehen zu wollen). Nur einfach gehen lassen kann er sie in der Situation nicht.
Ab da ist es auch für ihn klare Freiheitsberaubung, mögliche strafrechtliche Konsequenzen für sein Handeln sind ihm bewusst, mutmaßlich von Frauke angedroht.
Im weiteren Verlauf: Vielleicht ist er so drauf, dass er bereits früh die Möglichkeit ins Auge fasst, Frauke dauerhaft verschwinden zu lassen. Doch die Tat war bis dahin ja so nicht geplant und gewollt, er empfindet ein großes Entdeckungsrisiko (durch Zeugen, oder Frauke hatte jemandem zuvor von ihm erzählt), da würde eine solche „Flucht nach vorne“ alles nur noch schlimmer machen. Auch wenn sein Verhalten extrem übergriffig war, „kriminelle Energie“ im Sinne von geplant und bewusst ein Verbrechen begehen, das ist nochmal was anderes, hat nicht jeder. Und der Verlauf lässt sein Verhalten, das zu der Situation geführt hat, in einem neuen, bösartigen Licht erscheinen – obwohl er aus seiner Sicht doch gar nichts Böses beabsichtigt, vielmehr auf Einvernehmlichkeit gehofft hatte. Sowas ist wie ein Schlag ins Genick, sein Annäherungsversuch wurde als maximal sozial unverträglich und unangemessen entlarvt. Ich halte da ein Bedürfnis, das „wieder gutzumachen“ für naheliegender, würde annehmen, dass er das mit Frauke irgendwie „klären“ wollte, um sie dann gehenzulassen mit der Sicherheit, dass sie nichts sagen würde, ein Deal sozusagen, von seiner Seite zum einen „nett sein“ und ihr Verständnis gewinnen (sie ist ja auch ein zugewandter warmherziger Charakter), zum anderen ihre Heimkehr im Austausch für ihr Stillschweigen. Nur, er kann sich nicht darauf verlassen, kann das Risiko nicht eingehen – und zwar umso weniger, je länger er sie festhält.
Frauke ihrerseits wird eher früher als später dazu übergegangen sein, darauf einzugehen, ihr Stillschweigen zuzusichern, wenn er sie gehen lässt. Doch er kann nicht ausreichend darauf vertrauen, kann sich wiederholt nicht entschließen, sie gehen zu lassen.
In diesem Szenario wären jedenfalls die Telefonate/SMS Do-So als Solche wie auch inhaltlich völlig plausibel. Am Donnerstag eine vorab besprochene („ich wollte sagen, dass…“) Beschwichtigung als Reaktion auf die begonnene öffentliche Suche, der Ort Hövelhof als Ablenkung von Nieheim auf der entgegengesetzten Seite von PB („Dienstag Nacht SMS aus Nieheim“ wurde am Donnerstag in der Zeitung publik), Freitag Abend und Samstag Nachmittag konkrete Ankündigung der Heimkehr (am Samstag Abend), am Freitag nimmt Frauke den unerwarteten Anruf ihres Bruders Frank spontan an, auch Sonntag spricht sie von Heimkehr, ihre Formulierung „erkläre ich dir, wenn ich zu Hause bin“ (anstatt „kann ich nicht sagen“) zeigt mE, dass sie die Heimkehr als ihr glaubhafte, mehr oder weniger konkrete Perspektive vor Augen hatte, nicht nur so tun musste als ob.
In meinen Augen gut passend für die Situation: Frauke glaubt an ihre Heimkehr, das Thema wurde mit dem Täter konkret besprochen (Fr/Sa). Es ist klar, dass sie nichts über ihn oder den Festhalteort sagen darf, aber sie darf den Angehörigen (über Chris) Bescheid sagen – ihre eigene Motivation dazu ist mir plausibler als ein nur ein Täter, der verschleiern will – wenn überhaupt, dann dies mehr „aus dem Bauch“ als aus rationaler Überlegung und Abwägung Nutzen/Risiko/Aufwand. Denn logisch sinnvoll zur Verschleierung sind die Anrufe mit ihren Inhalten nicht wirklich, Aufwand und Risiko jedoch deutlich.
Angesichts dem Glauben an die Heimkehr, wenn sie dem Täter nur glaubhaft ihre Kooperation zusichern kann, ist auch verständlich, dass sie am Telefon nichts verrät. Angesichts etwaiger Gewaltandrohung wäre ein „Ausplaudern“ nur sinnvoll bei erheblichen Zweifeln und Unglauben daran, dass er sie wieder freilassen würde.
Eigentlich eine ausweglose Situation, zunehmende Verzweiflung auf beiden Seiten. Es wurde aber gerade an dem logisch nicht gangbaren Weg festgehalten: Er lässt sie gehen, wenn sie ihn überzeugen kann, nichts zu verraten. Ist unlogisch, aber mangels Alternativen wird daran festgehalten, darin den Ausweg aus der ausweglosen Situation zu sehen – so lange, bis entweder die Festhaltesituation für den Täter nicht mehr tragbar ist, er sich zu einer Alternative entschließt, oder aber Frauke die Hoffnung aufgibt und keinen Kooperationswillen mehr zeigt.
Wir haben in dem Szenario einen Täter, der (wenn auch selbst verursacht) völlig unfreiwillig in diese Situation und Rolle geraten ist (zumindest seiner Wahrnehmung nach) und viel eher alles „ungeschehen“ machen würde – also Frauke freilassen und sie sagt nichts – als dass er sich auf die Situation „souverän handelnder, krimineller Täter“ einlassen kann/will. Und wir haben eine Frauke, die genau das wahrnimmt: Der Täter will sie eigentlich am liebsten gehen lassen. Darauf gründet ihre berechtigte(?) Hoffnung, der ernsthafte Zweifel daran stellt sich erst mit der Zeit ein, je länger sie festgehalten wird, vielleicht auch mit der Wahrnehmung, dass sich die Haltung des Täters stetig oder auch unmittelbar ändert.
Allein mit rational-logischer Beurteilung der Situation ohne „Psychologie“ ist Wahrnehmung und Handeln der Personen nicht vollständig zu ergründen. Beide pflegen die Hoffnung auf den für sie bestmöglichen Verlauf, dieser ist sogar für beide identisch – bis auf den Punkt, dass Frauke allen Anlass für eine Anzeige hat, unabhängig davon auch nach der Heimkehr ihr Fortbleiben irgendwie plausibel erklären müsste. Und genau das steht eben dem „bestmöglichen Verlauf“ für den Täter im Wege. Dennoch ist Fraukes allererstes Ziel die Heimkehr, und da ist sie sich ja im Grunde mit dem Täter einig.
Wie gesagt, in meinen Augen wäre das eine Situation und Täter-Opfer-Beziehung, in welche sich die allgemein irritierenden Anrufe gut einfügen würden.
Vor dem letzten Telefonat (oder auch erst zu Beginn) kippt Fraukes Zuversicht. Da Do-So täglich ein Anruf kam, Montag jedoch nicht, lässt vorsichtig auf ein Kippen der Situation bereits Sonntag Nacht oder Montag schließen.
Am Dienstag klingt sie laut Karen, als wäre sie in einem desolaten mentalen Zustand (ihren Vergleich „wie KO-Tropfen“ würde ich da nicht zu wörtlich nehmen, nach so einer Woche kann man auch gut ohne Substanzeneinfluss ziemlich zerstört klingen). Ihre Antworten mehr spontane Reaktionen, keine Statements oder „den Schein wahren“ wie bei den vorigen Telefonaten.
Im Verlauf fragt Chris, warum sie fort sei und bietet ihr die mögliche Antwort „wegen einem Typen“ an. Sie verneint, auffällig ist mir hier, wie sie hier ihr „nein“ mit „du weißt doch, ich würde nicht.../du kennst mich doch“ zur Überzeugung untermauert. In diesem Szenario hätte Chris natürlich mit dem „Typen“ den Nagel auf den Kopf getroffen, gleichzeitig würde Frauke tatsächlich nicht freiwillig(!) wegen einem Typen eine Woche wegbleiben, also beides richtig, sozusagen. Ob Frauke hier spontan ihr tatsächliches „ich würde nicht (freiwillig)…“ zum Ausdruck gebracht hat oder wieder voll in der „nichts ausplaudern“-Notwendigkeit war – dass sie Chris´ Nachfrage hier verneint, stellt jedenfalls keinen Widerspruch dazu dar, dass es eben doch „ein Typ“ war.
„Stunden nach dem letzten Anruf“, also wohl irgendwann Mittwoch, wird ihr Handy in der Funkzelle Nieheim erneut kurz eingeschaltet, es findet jedoch kein Anruf statt.
Sofern Nieheim authentisch ist (erste SMS) und dem Täter die Handylokalisierung bewusst ist (angesichts der wechselnden Anrufstandorte wohl definitiv), kann eigentlich nur Frauke selbst das Handy ohne Wissen/gegen den Willen des Täters eingeschaltet haben. An einem Anruf/SMS wurde sie dann gehindert oder war körperlich/mental nicht mehr in der Lage, diesen abzusetzen.
Möglicherweise hat der Täter die Ausweglosigkeit realisiert und sie aktiv getötet, vielleicht auch verdursten lassen. Vielleicht hatte sie gesundheitliche Probleme wegen Dehydrierung und/oder Hitze, die letztlich ihren Tod verursachten, wir wissen nichts über die Bedingungen ihrer Unterbringung.
Denkbar: Frauke erleidet Montag einen Hitzeschaden mit den üblichen Symptomen. Deswegen Montag kein Anruf, deswegen Dienstag ihre schlechte Verfassung, deswegen ihre Verzweiflung am Dienstag: Ihr geht es richtig übel, und der Täter lässt sie auch da nicht gehen, holt keine medizinische Hilfe. Je nach Schwere lässt sich bei einem Hitzeschaden der Tod allein mit kühler Umgebung, ausreichend Wasser und anderen „Hausmitteln“ nicht mehr abwenden.
Das alles natürlich reine Spekulation.
Vielleicht wurde der „Schrauber in Nieheim“ ja identifiziert und entlastet, vielleicht nicht, aber er wars nicht. Andererseits, das Szenario „funktioniert“ natürlich genauso mit einem anderen Täter, nur Fraukes Bekanntschaft und Anlass mit ihm mitzufahren müsste halt entsprechend passen.
Den Ort „Nieheim“ halte ich (in dem Szenario) für authentisch als Ort, wo man Dienstag Nacht hingefahren ist. Ob Frauke dann auch dort festgehalten wurde, ob der Täter von dort stammt – muss nicht sein. In dem Fall, wenn der Täter nach einer Woche zur Ansicht gelangt wäre, dass ihn „Nieheim“ wohl nicht überführen würde, könnte das letzte Einschalten tatsächlich auch vom Täter zur Ablenkung geschehen sein – wobei er da vielleicht auch eine SMS in ihrem Namen abgesetzt haben würde.