Wenig fachspezifisch und ganz im Plauderton der Unterhaltung streift der Münchner Fallanalytiker
Alexander Horn für eine schon etwas ältere Buchpublikation auch den Fall Langendonk.
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Als persönliches Résumé will Horn den Fall mit einem neuen Team und frei von festgefahrenem Gedankengut neu angehen. Kern der Aussage Horns ist,
• nach
alternativen Erklärungsansätzen zu suchen und
•
alle bisherigen Hypothesen in Frage zu stellen.
Das Tatgeschehen fasst Horn in aller Kürze zusammen, darunter die
Ankerpunkte des Falles. Hier ein stichwortartiges Exzerpt:
• [
15.00 Uhr:] Wohnmobil am Waldrand (Kaffeepause auf Campingstühlen)
• [
18.00 Uhr:] Täter kommt von hinten, mehrere Schüsse, trifft wahrscheinlich zuerst Harry
• Truus versucht zu fliehen, auch sie wird tödlich getroffen
• Täter schneidet beiden die Kehlen durch, Horns Vermutung: um den Tod sicher herbeizuführen
• Täter verbringt beide Leichen und die Campingmöbel ins Wohnmobil
• [
18.00–20.00 Uhr:] fraglich
• [
20.00 Uhr:] Täter verlässt mit dem Wohnmobil den Waldrand
• Stunden später: Täter stellt Wohnmobil an Waldweg nahe Nürnberg ab, Tank auf Reserve
• Täter nimmt persönliche Gegenstände und Bargeld an sich, setzt Wohnmobil in Brand
• Täter wirft die Gegenstände der Opfer auf der Flucht fort
• Täter gelangt mit gerufenem Taxi zum Nürnberger Hauptbahnhof, mit anderem Taxi zurück in unmittelbare Tatortnähe
• Täter sucht am Tatort offenbar (Vermutung Horns?) nach Spuren, um diese zu beseitigen
Daraus ergeben sich für mich in Stichworten folgende Überlegungen:
•
Angriff „von hinten“
→ nach Eskalation eines Gesprächs?
→ oder überraschend aus dem Wald heraus?
→ plötzlicher Übergriff? (räuberische Erpressung?)
•
Kehlschnitte, um den Tod sicher herbeizuführen (Vermutung Horns)
→ keine klassische Übertötung
→ kaltblütiger Täter mit einschlägiger Kenntnis (z. B. Kampfausbildung, Hausschlachtung, Arztfamilie, Medizinerkreise?)
•
2 Stunden fraglich (18.00–20.00 Uhr)
→ warum keine sofortige Flucht? Entdeckungsgefahr!
→ „Aufräumen“ des Tatorts bedarf keiner 2 Std.
→ dringende Erledigung vor der Flucht?
→ Austauschgeige besorgt?
→ keine 2 Std. der Besinnung und Planung, sondern 2 Std. hektischer Erledigungen, die nur bis heute im Dunkeln blieben?
•
Wie kam der Täter zum Hölzl?
→ Pkw, Fahrrad, Bus, zu Fuß?
→ Wurde er chauffiert?
→ Warum ließ er sich auf der Rückfahrt am „Bushäusl“ absetzen? (Wann und wohin wäre sonntags ab 5 Uhr ein Bus gefahren?)
•
mehrere Tatbeteiligte?
→ Mittäter, Gehilfe(n), Anstifter?
→ ahnungslose Werkzeuge?
•
Funktion evtl. weiterer Tatbeteiligter
→ (evtl. ahnungslose) Zielperson einer Erledigung? (Kleidungswechsel? Austauschgeige?)
→ Anstiftung?
→ Sind Schütze und Wohnmobilverbringer 2 verschiedene Personen? (Warum hatte es der Wohnmobilverbringer eilig, an den Tatort zurückzukehren? Hätte nicht auch der Schütze Spuren am Tatort bereinigen können?)
•
keine effektive Spurenbeseitigung Hölzl (Patronenhülsen, Einstiegshilfe, Tischbein, Brille)
→ Gleichgültigkeit (wegen beabsichtigter Verschleierung des Tatorts)?
→ Nachlässigkeit? (Warum aber Rückkehr an den unbewohnten Tatort, nicht z. B. in eine Ortschaft wie Litzlwalchen, Traunstein oder Siegsdorf?)
•
keine effektive Spurenbeseitigung Altenfurt (Fingerabdrücke, DNA-Fragmente, Kamera, belichtete Kleinbildfilme, Geldbörse, weitere „Gegenstände“)
→ Nachlässigkeit?
→ Panik?
•
Spurenbeseitigung Wohnmobil?
→ Tötungsdelikt durch Brand nicht verdeckbar (Steckschüsse)
→ Geige aber unidentifizierbar verkohlt (Austauschgeige?) = einzig erfolgreiche Spurenbeseitigung!
→ Wo lag der Brandherd (Gasflasche)?
→ War die Geige nahe des Brandherds?
•
keine effektive Verschleierung Rückfahrt Altenfurt–Hölzl
→ Taxi ab Nähe Brandort, Brandstiftung offensichtlich, Ermittlungen zwingend erwartbar, Taxifahrer höchstwahrscheinlich ermittelbar
→ am Hbf nur DB-Fahrplan gecheckt?
→ Taxiwechsel am Hbf wegen nächtens auffällig langer Strecke wenig effektiv
→ kein eigenes Bargeld? (nur FF und öS aus der Beute?)
→ Zahlung per (eigener!?) Kreditkarte angeboten
→ planlos?
→ nachlässig?
→ gleichgültig?
→ sich schon sicher gefühlt?
•
Verschleierung des Tatorts Hölzl
→ Ablenkung von einer geografischen Lokalisierung: Hölzl, Traunstein, Siegsdorf, Chiemgau, Oberbayern? (misslungen, aber für Täter nicht vorhersehbar)
→ Ablenkung von einer Person?
→ oder von beidem? (BvB + Siegsdorf?)
•
Verschleierung des Tatmotivs
→ bislang erfolgreich
→ allein subjektive Sicht des Täters zählt
→ falsche Spuren? (Bargeld entwendet, aber Schmuck zurückgelassen; Filme aus Kapseln gerissen, aber kein Foto mit Täter existent)
→ wertvolle Geige?
→ unter Annahme einer billigen Austauschgeige waren Verschleierung von Motiv und Tatort einschließlich relevanter Spuren im Wohnmobil bislang erfolgreich
•
warum Tatort Waldrand am Hölzl?
→ kein optimaler Tatort
→ weitaus geeignetere Optionen in unmittelbarer Nähe (@Jomiko:
viewtopic.php?p=199843#p199843)
→ Ohrenzeugen
→ potentielle Augenzeugen
•
Warum waren die Opfer am Hölzl?
→ spontan? (vom Täter observiert?)
→ dort verabredet? (mit wem?)
→ auf Empfehlung, um Ruhe zu finden?
→ dort zuvor schon eine Nacht verbracht?
•
Tatwerkzeuge
→ Pistole aus Besitz des Täters?
→ Messer aus Besitz der Opfer?
•
Ortsbezug und Ortskenntnis
→ zum Hölzl (Schütze)
→ zu Nürnberg (Wohnmobilverbringer)
•
Planungs- und Organisationsgrad
→ eher mittel bis hoch?
→ oder eher spontan, chaotisch, improvisiert?
•
BvB, Siegsdorf
→ überaus relevantes Umfeld von BvB! (Geige)
→ Täter aus einer Musikerclique oder deren Umfeld?
→ Tatbeteiligung von BvB nicht denknotwendig
→ BvB als Bindeglied zur Tatortregion innerhalb einer überregionalen Musikerclique? Nürnberger Philharmoniker? Zählt ein Österreicher dazu (Dialekt Taxifahrgast)?
→ BvB als ahnungslos undoloses Werkzeug?
→ weitere peripher Tatbeteiligte?
Der Geigentheorie mit einer Austauschgeige muss sich niemand verpflichtet fühlen. Eine Gesamtschau kann helfen, einen Schritt zurückzutreten und den Blick zu öffnen für neue Gedanken und Impulse. Vielleicht genügt ja schon ein einziges Stichwort, das auf einen neuen Weg führt zu einem alternativen schlüssigen und plausiblen Erklärungsansatz …