Waschkies empfängt in einem kargen Büro im zweiten Stock seiner Behörde. Ihm ist es ein Anliegen, mit seinen offenen Fragen die Öffentlichkeit zu erreichen, denn er glaubt, dass die Aufklärung des Falls noch immer möglich ist.
Was macht den Fall so besonders für Sie?
Ungeklärte Mordfälle haben eine besondere Wirkung auf die Bevölkerung. Insbesondere, weil spekuliert wird, was passiert sein könnte. Und es ist so, dass Frauke als angehende Krankenschwester als normales Mitglied der Gesellschaft erschien. Es könnte sein, dass sie ein Zufallsopfer geworden ist. Und die Aufklärung solcher Zufallsdelikte ist kriminalistisch besonders herausfordernd.
Die Tat zog sich über Tage, wenn nicht sogar Wochen.
Ungewöhnlich ist, dass Frauke über eine knappe Woche die Gelegenheit bekam, mit ihren Angehörigen und Freunden zu telefonieren und in diesen Gesprächen möglicherweise Hinweise setzen wollte, die wir erkannt oder noch nicht erkannt haben. Und man fragt sich natürlich, warum der Täter dieses besondere Entdeckungsrisiko auf sich genommen hat, dass er mit Frauke an bestimmte Orte gefahren ist, um sie von dort anrufen zu lassen.
Frauke verschwand mitten im belebten Paderborn.
Auch diese Verschwindesituation macht den Fall so ungewöhnlich. Alle erinnern sich an das Sommermärchen 2006, an eine eigentlich freundliche Stimmung, in der dann dieses tragische Ereignis gefallen ist. Ich denke, dass auch aus diesem Grund die Anteilnahme in der Bevölkerung so hoch ist.
Welche Dimensionen haben die Ermittlungen in diesem Fall?
Hinter mir stehen die Ordner. Insgesamt 965 Spuren ist nachgegangen worden. Das waren hauptsächlich Hinweise auf Tatverdächtige, die aus der Bevölkerung kamen. Es sind auch Fahrzeuge genannt worden, die aufgefallen sind. Und es wurden Versteckmöglichkeiten genannt, wo man sich vorstellen konnte, dass man eine Person über eine Woche wegsperren kann, ohne dass es unbedingt auffallen würde.
Welchen anderen Spuren konnten Sie nachgehen?
Es ist auch Fraukes PC sichergestellt worden. Man hat ihre Onlinebekanntschaften durchleuchtet. Und natürlich hat man am Fundort versucht, DNA-Spuren und Faserspuren zu sichern, diese werden vom Landeskriminalamt nach den neusten Standards untersucht. Über weitergehende Spuren möchte ich hier aber aus ermittlungstaktischen Gesichtspunkten nichts sagen.
Welche Punkte sind das?
Letztendlich geht es hier um Täterwissen, das nur der Täter hat, und wenn dieses Wissen an die Öffentlichkeit gelangt, wird eine Überführung später so gut wie unmöglich.
Im Jahr 2016 schien die Aufklärung des Falls nahe. Damals wurde bekannt, dass ein Paar aus dem nahegelegenen Höxter Frauen festgehalten und teilweise zu Tode misshandelt hat. In der Presse war vom „Horrorhaus in Höxter“ die Rede. Damals wurde spekuliert, dass auch Frauke zu den Opfern gehören könnte.
Ja, Angelika und Wilfried W. hatten in einem Zeitraum von mehr als drei Jahren über Kontaktanzeigen Frauen kennengelernt und diese dann in dem Horrorhaus sozial isoliert und letztendlich in zwei Fällen auch getötet. Es ging den Tätern offensichtlich darum, eine maximale Dominanz über diese Personen auszuüben.
Höxter liegt nur wenige Kilometer von dem Ort entfernt, von dem damals Fraukes erste SMS nach dem Verschwinden verschickt wurde.
Ja, die Parallele ist erstmal rein örtlich. Das Horrorhaus in Höxter-Bosseborn und der Fundort von Fraukes Leichnam sind etwa 35 Kilometer voneinander entfernt. Und eine zweite Parallele ist, dass der Täter es Frauke gestattete, Kontakt zu ihren Angehörigen aufzubauen. Das ist nur denkbar, wenn er sie die ganze Zeit überwachte und kontrollierte.
Was haben diese Parallelen bei den Ermittlern ausgelöst?
Natürlich gab es Spekulationen. Es wurde dann seitens der Polizei versucht, jedem Hinweis nachzugehen. Es wurden sämtliche Daten ausgewertet, die in diesem beiden Verfahrenskomplexen zur Verfügung standen. Man hat Fraukes PC und die im Komplex Höxter-Bosseborn befindlichen Datenträger ausgewertet, um zu schauen, ob es eine Kontaktaufnahme gegeben hatte zwischen Wilfried und Frauke.
Und?
Die Ergebnisse waren negativ. Zudem hatte man Wilfrieds Handynummern mit den damals erhobenen Funkzellendaten aus den Anrufzellen von Frauke verglichen und hat geprüft, ob eine von Wilfrieds Handynummern eingewählt war – das war überall negativ. In der Zusammenschau gibt es derzeit keinen Hinweis, dass diese Fälle zusammenhängen.
Sie wissen also, welche Handys damals gemeinsam mit Frauke in den Funkzellen benutzt wurden?
Damals sind Funkzellendaten erhoben worden. Das heißt, die Gesprächsteilnehmer, die zusammen mit Frauke in einem gewissen Bereich tätig waren, sind aufgezeichnet und notiert worden und mit diesen Daten kann man einen Abgleich starten und schauen, ob andere Handynummern in diesen Funkzellen verzeichnet sind.
Im vergangenen Jahr schrieb Angelika W. aus der Haft einen Brief an Fraukes Mutter Ingrid Liebs. Darin bot sie ihre Hilfe an, um den Fall aufzuklären. Die Mutter hat darauf nicht reagiert, auch weil sie aus der Polizei gehört hatte, dass Angelika W. sich gerne wichtig mache.
Angelika W. ist, nachdem sie den Brief geschickt hatte, vernommen worden, aber diese Vernehmung hat keine weiteren Hinweise erbracht.
Glauben Sie, dass der Täter* im Fall Frauke Liebs aus der Region kommt?
Das kann ich nicht seriös beantworten. Es handelt sich um eine Spekulation, die hier nicht weiter kommentiert werden kann.
Vermuten Sie einen Einzeltäter?
Auch dazu haben wir keine Erkenntnisse. Jede Äußerung dazu wäre Spekulation.
Was macht es für Sie so schwer, frei über den Fall zu reden?
Mein Ziel ist es, den Fall aufzuklären. Informationen, die womöglich Täterwissen beinhalten, dürfen daher nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Sonst wären diese Informationen gewissermaßen verbrannt. Und deswegen halten wir gewisse Ermittlungsergebnisse bewusst unter der Decke.
Welche Folgen hätten Zeugen und Mitwisser zu befürchten, wenn sie sich mit Hinweisen an die Polizei wenden?
Zeugen, die wahrheitsgemäße Angaben machen, haben strafrechtlich nichts zu befürchten. Bei Mitwissern muss man differenzieren, ob sie an der Tat beteiligt waren oder nicht. Wenn sie beteiligt gewesen sind, ist die Rechtslage sehr schwierig. Wenn sie nur von der Tat Kenntnis erlangt haben, kommt es darauf an, ob sie davon an einem Zeitpunkt Kenntnis erlangt haben, an dem die Tat noch hätte verhindert werden können. Aber selbst wenn das der Fall gewesen wäre, wäre die Tat schon verjährt.
Nach welchen Hinweisen suchen Sie?
Interessant ist, ob sich jemand daran erinnern kann, dass sich ein Verwandter oder ein Nachbar oder ein anderer Bekannter in der Zeit im Juni 2006 auffällig verhalten hat. Hat er seine üblichen Gewohnheiten plötzlich geändert? War er spätabends noch unterwegs? Hat er sonst ein auffälliges Interesse an dem Mordfall Frauke Liebs gezeigt? Das sind alles informationen, die den Ermittlungen zum Erfolg verhelfen könnten.
An wen können sich Zeugen wenden?
Zeugen oder Mitwisser können sich unter der unten angegebenen Rufnummer an das Polizeipräsidium in Bielefeld wenden. Jede Information zum damaligen Geschehen kann heute auch noch einen wichtigen Hinweis auf den Täter oder die Täter bringen. Ausdrücklich betone ich aber, dass wir Interesse an Fakten und Mitteilungen über Umstände haben. Wir haben kein Interesse daran, uns bloße Theorien zum Verschwinden anzuhören. Es haben sich bereits Profis den Fall angeschaut und Theorien aufgestellt.
Wie viel Hoffnung haben Sie noch?
Ich habe Hoffnung. Letztlich kann jeder Hinweis der entscheidende sein.
Wie sehr schmerzt es Sie, dass der Fall ungelöst ist?
Schmerzen hat der Staatsanwalt nicht, der Staatsanwalt hat die Hoffnung, ein Verfahren zum Ende zu bringen und den Fall aufzuklären. Das ist der Anspruch, mit dem ich hier jeden Morgen zur Arbeit gehe.