VERMISSTENFALL NANCY FÖRSTER (29), KÖNIGS-WUSTERHAUSEN, 1998

ÖFFENTLICHE DISKUSSION
Ungeklärte Fälle: Martin Bach, Tabita Cirvele, Heidi Dannhäuser, Anna E. (Herrieden), Sergej Enns, Nancy Förster, Denis Franke, Helga Frings, Monika Frischholz, Inga Gehricke, Leonie Gritzka, Jascha Hardenberg, Karl Erivan Haub, Ines Heider, Ina K. (Gorleben), Milina K. (Luckenwalde), Anett Carolin Kaiser, Baris Karabulut, Elke Kerll, Inka Köntges, Katrin Konert, Ralf Kottmann, Leitner/Baumgartner, Monika Liebl, Wolfgang Loh, Danuta Lysien, Jennifer M. (Bühl/Bremen), Alexandra May, Maddie McCann, Lars Mittank, Tanja Mühlinghaus, Mandy Müller, Mine O. (Duisburg), Harald Oelschläger, Alexandra R. (Nürnberg), Birgit Rösing (gen. Storck), Petra Schetters, Dirk Schiller, Émile Soleil, Rosi Strohfus, Anton Thanner, Hartmut Weiske

Geklärte Fälle: Vera B. (Datteln), Liam Colgan, Fritz Hagedorn, Kevin Hantl, Maria Henselmann, Rondk Kaniwar, Birgit Keller, Malina Klaar, Timo Kraus, Mike Mansholt, Marc Otto, Rainer Schaller, Sophie Sherpa, Jeannette Stehr, Annika T. (Seelze-Lohnde), Lars Wunder
AngRa
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Re: VERMISSTENFALL NANCY FÖRSTER (29), KÖNIGS-WUSTERHAUSEN, 1998

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Die Angaben der Tochter zum Verschwinden der Mutter deuten darauf hin, dass ihr zunächst vom Vater keine Einzelheiten zum Verschwinden erzählt worden sind. Insbesondere wird ihr wohl der unmittelbare zeitliche Zusammenhang zwischen dem Notartermin und dem Verschwinden nicht klar gewesen sein. Er wird es wohl lapidar so dargestellt haben, dass die Mutter einfach gegangen ist, weil sie ein neues besseres Leben beginnen wollte.

Gleichzeitig heißt es aber auch, dass die Mutter der Tochter nicht erzählt haben wird, dass der Vater sie von der Arbeit abholen will, damit sie gemeinsam zum Notar fahren können, denn ansonsten hätte sie schon von ihr gewusst, dass die Eltern zusammen zum Notar gehen wollen und dass die Scheidung nun unmittelbar bevor steht.. Vielleicht haben Mutter und Tochter überhaupt wenig miteinander geredet, weil die gemeinsame Zeit immer knapp war. Da blieb oft wohl nur die Zeit kurz nach dem Aufstehen, als die Kleine noch müde war ( die Bettszene wurde bei xy gut dargestellt) und die Zeit abends, wenn die Mutter von der Arbeit nach Hause kam. Von daher gesehen hatte der Vater vielleicht ein leichtes Spiel der Kleinen irgend etwas über die Mutter einzureden und sie in eine bestimmte Richtung zu lenken. .

Die Tochter ist wohl aufgrund dessen, was ihr erzählt wurde, davon ausgegangen, dass die Mutter an einem anderen Ort lebt und ein neues Leben begonnen hat. Sie deutet es auch so an, dann sagt sie aber auch, dass sie nicht glaubt, dass die Mutter noch lebt. Vermutlich wurde ihr eingeredet, dass die Mutter auch sie verlassen hat. Das könnte dazu geführt haben, dass sie wütend auf die Mutter war und zumindest versucht hat die Erinnerung an sie zu löschen. Sie hat vermutlich geglaubt, dass die Mutter sie auch vergessen hat. Ich vermute, dass sie Einzelheiten, der brisante zeitliche Zusammenhang zwischen Notartermin und Verschwinden und dass sie dort gemeinsam hin wollten, erst sehr viel später durch die Polizei erfahren hat.

Auffällig ist auf jeden Fall, dass Nancy unmittelbar vor dem Notartermin wo eine Scheidungsvereinbarung getroffen werden sollte, von der sie sich finanzielle Vorteile erhofft hat, verschwunden ist, so dass sie nicht mehr in den Genuss der Vorteile kommen konnte. Das ist der Klassiker im Hinblick auf eine Beziehungstat. Es spricht eigentlich alles gegen den Ehemann. Ich verstehe auch, dass die Polizei den Fall nach 11 Jahren nochmals aufgerollt hat, weil es schwer zu verkraften ist, wenn ein solcher Fall nach einer solchen Ausgangslage nicht aufgeklärt werden kann.

Zum eigentlichen Tatablauf lässt es sich nur spekulieren. Ich meine, dass es bei der verabredeten Abholung geblieben ist und dass Nancy arglos in das Fahrzeug eingestiegen ist und dass die Fahrt dann zunächst in Richtung Notarin losging. Gut vorstellbar ist, dass bei der Abholung noch ein Mr. X dabei war. Es lässt sich leicht eine Geschichte erfinden, warum er auch dabei ist und dass er irgendwo abgesetzt wird. Ein Angriff auf die Frau wäre dann leichter durchzuführen und auch ihr Verbringen an einen unbekannten Ort während der NE überpünktlich den Notartermin wahrnimmt.
RodiS.
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Re: VERMISSTENFALL NANCY FÖRSTER (29), KÖNIGS-WUSTERHAUSEN, 1998

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Der „Fall Nancy Förster“ gestaltete sich mit seinen möglichen Auslegungen von Anfang an sehr schwierig – und sollte es bleiben.

Die erste Ermittlergruppe der Polizei Potsdam untersuchte vier Varianten:

1. Gewaltverbrechen (Beziehungstat) – hier standen zunächst der NE wie der LG im Fokus. Doch bereits nach zwei Tagen wurde mindestens eine weitere Männer-Beziehung in die polizeilichen Betrachtungen einbezogen – ohne dass damals der letzte Anruf „stell schon mal den Sekt kalt“ eine Rolle spielte. Die Richtung war eine ganz andere als bei KHK Küchler (xy ungelöst).

2. selbstgewähltes Verlassen des persönlichen Umfeldes

3. eine Tat im Zusammenhang mit dem Voba-Skandal

4. ein Vorgang im Zusammenhang mit einer Straftat, der sich nicht aus 1. bis 3. ergibt

Nachforschungen zu 3. wurden relativ schnell eingestellt. Grund: Nancys Aufgabenbereich im Vorstand hatte keinen Bezug zu den Immo-Geschäften. Was nicht bedeutet, dass es zu UM keine direkte Verbindung gab. Er war u.a. zur Hochzeit NF/TF eingeladen. Der NF-Mentor saß allerdings woanders im Haus, UM unterstützte die Entscheidung.

Auch zu 1. ergaben sich keine verwertbaren Ergebnisse. Daher wurde dieser Fall auch nicht der Mordkommission übertragen.

Ebenso zu 4.

So blieb 2.

Im Mai 1999 wurde die Akte als „JS“ geschlossen – Vermisstenfall mit der Annahme eines selbstgewählten Verlassens.

Dass die damalige Polizeiarbeit einigen relevanten Hinweisen nicht nachging, das Konzept in der Zeugenbefragung Schwächen aufwies, wichtige Sachverhalte aus dem Leben von NF nicht bekannt waren und entsprechend auch nicht untersucht wurden, kurzum einige Möglichkeiten ungenutzt blieben, ist im Nachhinein gesehen ein unglücklicher Umstand. Täglich verschwinden in D 200 bis 300 Menschen – durchaus verständlich, wenn man täglich nicht 200-fach in einer Mordssache losermittelt. Dennoch ist die Pannenserie in diesem Fall beeindruckend und sollte noch Folgen haben.

Die im Forum geäußerte Vermutung, der Fall sei damals kaum medial beachtet worden, ist nicht korrekt. Die Berichterstattung war gerade für einige Familienangehörige eine Zumutung und sehr intensiv. Wobei Fotos des NE nur anonymisiert veröffentlicht werden durften. Print und TV haben noch bis Ende November mit wechselnden Ansätzen den Fall der vermissten Chefsekretärin samt Privatleben ausgebreitet. Die Story bot ja wirklich alles.

Irgendwann wurde es ruhig darum – bis ein junger, selbstbewusster und aufstrebender Kommissar nach eigener Auswertung der „JS“-Altakten Potsdam eine „St“-Angelegenheit in den Inhalten auslas. Auch, weil die Ermittlungslücken unübersehbar waren. Neue Hinweise gab es nicht – aber nun war es eine Mordsache mit neuem Aktenzeichen. So gibt es heute zwei Vorgänge in gleicher Sache. Allein die Tatsache, dass die vermisste NF nicht wieder aufgetaucht war, reichte dafür aus – lehrbuchartig und gem. Kriminalstatistik.

Wobei die Zusammenstellung involvierter Kripo FF/O. und Staatsanwaltschaft Potsdam bald eine Tragweite in der Auslegung dieses Falls haben sollte, die als eigentlicher Wendepunkt zu betrachten ist. Allein die Vita Küchler ist romanfüllend – inkl. psychologischem Profils seiner Person und zahlreicher Berichte zu seinen Untersuchungsmethoden. Auch zum Mann an seiner Seite, Staatsanwalt Petersen, gibt es abendfüllende Literatur.

Egal, was am 9. September 1998 um oder mit Nancy passiert ist – die Zielsetzung der Beweisführung war nun (unabhängig von ihrer Lage) unwiderruflich festgelegt. In der Beurteilung aller NF-Vorgänge vor, während und nach dem 9.9.98 ein zu einseitiger Ermittlungsansatz. Das gilt auch für die Rollenverteilung seiner Protagonisten.

Würde man den fragilen Küchler-Passus weglassen, wäre es bis heute ein Vermisstenfall, Stand 05/1999. Ein Faktum im Ergebnis polizeilicher/staatsanwaltlicher Bearbeitung. Persönliche Meinungen dazu sind in der Sache ohne Belang.

Weil es thematisiert wurde: Nancy wuchs im Norden von Berlin auf, lebte dann viele Jahre im Stadtzentrum (nahe Schönhauser Allee). Das sollte Fragen zu Ortskenntnis und Notarwahl beantworten.

Sie ist nicht für tot erklärt. Ein Jahr nach ihrem Verschwinden wurde ihr Wohnsitz wiederangemeldet auf die Adresse des NE – bis heute ist sie dort amtlich wohnhaft. Die Tochter lebt in unmittelbarer Nachbarschaft.

Das Verhältnis zu ihrer Tochter war Nancy heilig.

Der Fall NF ist ausermittelt. Laut Staatsanwaltschaft werden nur dann neue Ermittlungen veranlasst, wenn es wirklich belastbare, neue Gründe dafür gibt. Aus den vorliegenden Fakten ergeben sich diese nicht.
AngRa
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Re: VERMISSTENFALL NANCY FÖRSTER (29), KÖNIGS-WUSTERHAUSEN, 1998

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@RodiS

Vielen Dank für die Zusammenstellung der Ermittlungen im Fall NF! Uns standen hier nur einige Zeitungsberichte und der xy Filmfall als Informationsquellen zur Verfügung. Nun haben wir einen Überblick über die Ermittlungsarbeit und dass es zwei getrennte Vorgänge zum Fall gibt.
Widasedumi
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Re: VERMISSTENFALL NANCY FÖRSTER (29), KÖNIGS-WUSTERHAUSEN, 1998

Ungelesener Beitrag von Widasedumi »

Ich danke ebenfalls @RodiS. für den Überblick, auch wenn mir manche Abkürzungen nicht klar sind. Einige konnte ich mir erreimen, aber ich komme nicht drauf, was eine JS Akte ist. Eine 'St'.-Akte gehört wohl in den Bereich dieses speziellen DDR-Überwachungs-Phänomens. Aber 'JS' ?
Irrtumsvorbehalt
AngRa
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Re: VERMISSTENFALL NANCY FÖRSTER (29), KÖNIGS-WUSTERHAUSEN, 1998

Ungelesener Beitrag von AngRa »

Wenn NF ihre Tochter "heilig" war, dann ist es aber eher unwahrscheinlich, dass sie freiwillig verschwunden ist und somit auch ihre Tochter verlassen hat, die eine enge Bindung zur Mutter hatte und ohne die Mutter aufwachsen musste. Falls sie es dennoch getan haben sollte, dann muss sie triftige Gründe gehabt haben.
RodiS.
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Re: VERMISSTENFALL NANCY FÖRSTER (29), KÖNIGS-WUSTERHAUSEN, 1998

Ungelesener Beitrag von RodiS. »

Ein sehr trauriger 25. Jahrestag.

In steter Verbundenheit und ich gebe (Dich) nicht auf!
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