Bevor ich deine Sätze wieder einzeln herauspicke und teils für andere Zusammenhänge ausleihe, möchte ich hervorholen, dass ihn alle bis zu einem bestimmten Tag als perfekten beschrieben, seine Paradeollen waren Mitarbeiter, Kollege, Schwiegersohn, Versteher, Tröster oder Butler.
Die wahre Persönlichkeit, was ihn wirklich bewegte, kam bis zum urteil nie heraus.
Widasedumi hat geschrieben: ↑Mittwoch, 14. Oktober 2020, 04:07:29
Ich habe mir wirklich Gedanken gemacht, wie C den Mord für sich 'kompensierte' und vermute, dass vielleicht die Geschichte des Vaters die Familie schwer erschüttert haben könnte.
Ich gehe noch weiter zurück.
1946 wird eine Reihe Familien einem bayerischen Dorf mit einer "Schönstatt" zugewiesen. Alle hatten zu Kriegsende Schlimmes erlebt, sie mussten ihr Hab und gut zurücklassen (Enteignung!), wurden zu einem Marsch über weite Strecken gezwungen. Schwache erschoss man am Wegesrand, und Menschen aus dem eigenen Volk wurden ohne Schuzkleidung gezwungen, über die toten Körper Kalk zu geben. Alle waren in Todesangst. Ein Teil der Flüchtlinge landete irgendwann glücklich in Österreich, aber es war wieder ein großes Lager, das Essen knapp, nach den ersehnten Amerika ging es nicht weiter, andere Länder wollten einen nicht. Glücklich, wer endlich weiter nach Bayern oder Hessen durfte.
Ein Teil der Vertriebenen kam direkt aus der Heimat, nach langen schlimmen Wochen oder Monaten vielleicht in Lagern oder unter freiem Himmel, über die Grenze nach Bayern.
Noch schwerer als sie alle hatte es unter ihnen die Bevölkerung rund um eine kleine deutsche Sprachinsel getroffen, was man ihr zufügte, bezeichnet man heute als Todesmarsch und Völkermord. Von Massenvergewaltigungen, und Exekutionen von gesunden Erwachsenen und Kinden am Straßenrand wurde berichtet.
Eine F-Sippe stammt von den 1946 Angekommenen, von der am schrecklichsten drangsalierten Herkunftsgruppe. Aus einem Dorf. Wegen seiner guten Grundschule, hatte es es stets den Akademikernachwuchs der nahen Stadt gestellt.
Selbst wenn Einzelne schon eher aus dem Land gekommen wären, die Erlebnisse des Kollektivs prägen sich ein, so darüber gesprochen, aber angeblich noch mehr, wenn darüber in der eigenen Familie geschwiegen wurde.
Tun wir so, als müssten wir Suchworte für das Internet herauspicken, ich finde:
Enteignung, Todesmarsch, Kalk, Massenvergewaltigungen, Dorf, gute Bildung, Akademiker,.
Finanziell war da die Wohnung des Vaters in Leipzig, die er als Bürge an der Backe hatte, und wo Marias Vater heraushalf.
Das ist eine Demütigung.
Würde das jemand Älterer mit einer Kollektivgeschichte von Enteignung als Beginn der Vertreibung mit den ganzen dabei erlebten Schrecknissen, den Verlust der Wohnung in Leipzig als Einzelereignis wegstecken, oder könnte er es gar nicht mehr?
Häufig versuchten Kinder von Eltern mit schwersten Erfahrungen, ihre Probleme zu verbergen, um den Geplagten nicht noch weiteres Leid zuzufügen.
Du schreibst von der in der Zeitung berichteten Immobiliensache.
Dann war der Name F. perdü, so dass Maria diesen Namen nicht tragen wollte. Auch das war ein Demütigung.
Dann gab es Aversionen von vielen Menschen, die einen Schaden aus der Geschichte hatten. Auch das war nicht angenehm. Evtl. gab es auch eine Distanzierung von ehemaligen Klassenkameraden. Diese Auswirkungen, die er nicht zu verantworten hatte, haben ihn doch auch mit betroffen. Zuvor bürgte der Name für Prestige und Beziehung, und jetzt war er abgestürzt.
Konnte er sich im Schatten eines großen Ansehensverlustes mit einem Geständnis in die Familie wagen, er habe den Kredit nicht bedienen können und sich niemandem aus der Sippe anvertraut, sondern lieber den Baumers? Würde er mit seinen Worten das globale Gefühl der ungerechtfertigten Enteignung von 1945 nicht wieder auslösen, wäre das zumutbar?
Man darf sich fragen, ob die Hilfe des Vaters Baumer überhaupt als Rettung bezeichnet und verstanden wurde.