@TeleKira
Ich nehme an, Du hattest geschrieben:
Gast hat geschrieben: ↑Freitag, 05. Dezember 2025, 08:58:43
[...] Würdest du es erläutern? Und warum kommst du zu der Einschätzung? [...]
Ich bemühe mich um eine Kurzfassung, die aber leider trotzdem etwas länger ausfallen und diejenigen langweilen wird, die meine Vermutung bereits kennen.
Da die aufwendigen Ermittlungen, die sich auf Nieheim und Fraukes Bekanntenkreis konzentrierten, vollständig erfolglos blieben, gehe ich davon aus, dass die Prämisse (Frauke sei freiwillig mit dem Täter nach Nieheim gefahren und habe dort freiwillig die 1. SMS verfasst) falsch war. D. h. ich vermute, dass Frauke zwar freiwillig in das Auto des Täters stieg, aber Paderborn nicht freiwillig verließ.
Dann müsste diese 1. SMS von Frauke unter Zwang oder vom Täter geschrieben worden sein. Ersteres halte ich für sehr unwahrscheinlich, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass Frauke in einer solchen Lage einen so vergnügt klingenden Text formuliert hätte.
Der Täter hätte für die SMS, die ja nur zwei kurze Sätze und die Grußformel enthält, Fraukes Stil nach meiner Ansicht ohne Probleme imitieren können, da er mit Fraukes Handy auch Zugriff auf versendete Nachrichten, also eine Menge Vorlagen, gehabt hätte. Das würde aber noch nicht das „Nicht gegen England“ erklären.
Ich gehe aus einem Grund, den ich gleich erläutern werde, davon aus, dass der Täter ein damaliger Bekannter von Chris (an dessen völliger Unschuld es keinen Zweifel gibt) ist.
Ich vermute, dass Frauke den Täter nur flüchtig kannte (daher keine Handykontakte), ihn aber als Bekannten von Chris für vertrauenswürdig hielt und deshalb z. B. sein Angebot, sie nach Hause zu fahren, ohne Bedenken annahm.
Wenn Frauke freiwillig in das Auto des Täters einstieg, muss es eine Small-Talk-Phase gegeben haben, und wenn Chris die einzige (oder zumindest wichtigste) Verbindung zwischen ihnen war, halte ich es für gut vorstellbar, dass der Täter fragte: „Hat sich Chris das Fußballspiel nicht angesehen?“ und Frauke antwortete: „Er wollte lieber für die Uni lernen. Wichtig ist ihm nur, dass wir nicht gegen England spielen müssen.“
Warum ich von einem Täter aus Chris‘ Bekanntenkreis ausgehe:
Es gibt einen einzigen Punkt, von dem ich wirklich überzeugt bin: Der Täter muss gewusst haben, wie die Polizei auf die Anrufe reagierte.
Schon am Donnerstagnachmittag – also nur etwa 40 Stunden nach dem Versand der 1. SMS aus Nieheim – gab die Polizei die Aufnahme von Ermittlungen bekannt. Mitgeteilt wurde auch der Absendeort der 1. SMS, den die Polizei nicht ohne Zustimmung eines Richters oder Staatsanwalts ermitteln konnte. Die Polizei nahm also den Verdacht auf ein Verbrechen ganz offensichtlich sehr ernst.
Wenige Stunden später kam der 1. Anruf, und es liegt sehr nahe (davon ging später auch die Mordkommission aus), dass der Täter damit auf diese Bekanntgabe reagierte.
Wir wissen heute, dass die Polizei schon den 1. Anruf weitgehend als Entwarnung verstand und sich spätestens nach dem dritten Anruf darin bestätigt sah.
Aber das teilte sie der Öffentlichkeit nicht mit. In der Stellungnahme der Polizei nach dem 1. Anruf hieß es, da Fraukes gegenwärtiger Aufenthaltsort und die Umstände ihres Fernbleibens weiterhin ungeklärt seien, würden die Ermittlungen fortgesetzt.
Die Anrufe fanden alle in einem Industrie- oder Gewerbegebiet an der Peripherie Paderborns mit einer guten Anbindung an die B 64 statt. Die Orte der ersten drei Anrufe lagen relativ weit voneinander entfernt, aber für die letzten beiden kehrte er in die Nähe des zweiten zurück.
Frauke wirkte beim 1. Anruf benommen; der Täter muss gewusst haben, dass sie nicht sonderlich überzeugend wirkte. Die Polizei hätte sich durchaus in ihrem Verdacht auf ein Verbrechen bestätigt sehen können – dann wäre das LKA eingeschaltet worden, und der Ermittlung hätten ganz andere Ressourcen als die der Bielefelder Polizei zur Verfügung gestanden. Mit der Wahl der Orte für die Anrufe hätte der Täter seine Festnahme sehr erleichtert.
Inwiefern hätten also die weiteren Anrufe dem Täter genutzt, wenn er ihre Wirkung auf Angehörige und Polizei nicht einschätzen konnte? Hätte die Polizei weiterermittelt, hätte er sich nur dem enorm wachsenden Risiko ausgesetzt, gefasst zu werden. Wusste er jedoch, wie die Polizei die Anrufe bewertete, ergibt sein Handeln Sinn.
Den Angehörigen verhehlte die Polizei nicht, dass sie nicht mehr an eine Entführung glaubte. Zu ihrer Angst um Frauke kam bei Chris und ihrer Familie die bittere Einsicht, von der Polizei im Stich gelassen zu werden. Zudem war für die Angehörigen die Situation verwirrend.
Ein Täter, dem es gelungen wäre, in jenen Tagen mehrfach Kontakt zu einer (wohlbemerkt völlig unschuldigen und ahnungslosen) Person aus Fraukes engstem Kreis zu haben, hätte die für ihn entscheidenden Informationen nach meiner Vermutung problemlos erhalten können. Fraukes Verschwinden war in der Öffentlichkeit bekannt, und die Angehörigen wurden sicherlich oft von Bekannten darauf angesprochen.
Der Täter wäre aber auf sehr zuverlässige und aktuelle Informationen angewiesen gewesen.
Die besten Voraussetzungen hätte nach meiner Ansicht (der vollkommen unschuldige) Chris, der als Einziger angerufen wurde, geboten. Von ihm hätte der Täter aus erster Hand erfahren können, wie Frauke auf ihn wirkte und was er also der Polizei berichtet hatte, und ebenso, dass die Polizei die Angelegenheit nicht mehr ernst nahm.
Und noch etwas: Frauke sprach Chris in dem 1. Telefonat mit „Christos“ an, was von Chris, ihrer Familie und später auch den Mordermittlern, als klarer Hinweis auf den Ernst ihrer Lage verstanden wurde.
Warum verzichtete Frauke in den späteren Gesprächen auf diese Anrede? Folgt man meiner „Theorie“, wäre der Grund klar: Der Täter hätte von Chris erfahren, wie sehr ihn dieses „Christos“ beunruhigte.
Aber das sind halt nur Vermutungen.