MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

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Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

von Lento » Sonntag, 04. Mai 2025, 08:17:59

Das neue Verfahren scheint nun doch am LG Traunstein von der Kammer 1 geführt zu werden.

https://www.rosenheim24.de/rosenheim/ch ... 08383.html

Die Verteidigung hat ausgeführt das sie (vorerst) keine Befangenheitsrüge erhebt.

Spoiler
„Die Entscheidung dieser Jugendkammer war falsch, das sagt der Bundesgerichtshof ganz klar“, sagt Yves Georg. „Falsche Entscheidungen müssen Anlass geben, nachzudenken, ob man solches Gericht ablehnt. Mehr aber nicht. Wir beabsichtigen das derzeit nicht“, begründet er die Marschroute der Verteidiger weiter. Es könne sehr gut sein, dass die 1. Kammer aufgrund „falscher Rechtsauffassungen“ falsch entschieden habe. „Das muss nicht heißen, dass sie befangen ist.“

Ich persönlich sehe das zwar kritisch. Aber dieser Fehler dieser Kammer kann - je nach Charakter der Richter - zu unterschiedlichen Wendungen führen:
  1. Das Gericht versucht durch Befangenheit seinen schweren Fehler als irrelevant zu erkennen, indem er den Jogger erneut wieder verurteilt, was durchaus psychologisch erklärbar wäre.
  2. Man wird sich nun besonders Mühe geben und neutral zu sein, um auch dem Jogger Gerecht zu werden.
Ich persönlich halte 2 für wahrscheinlicher, da nun auf dieser Kammer ein enormer Druck liegt. Denn alle juristischen Augen schauen nun genau auf diese Kammer, auch die Öffentlichkeit ist alarmiert und das Verfahren wird wahrscheinlich von ihr mit Argusaugen beobachtet.

Außerdem, wenn es doch wieder Anzeichen für Befangenheit gibt, kann die Verteidigung diesen schwerwiegenden Fehler erneut mit dazu hernehmen, die Befürchtung der Befangenheit mit zu unterstützen. Denn diese sogenannte "Rechtsauffassung" der 1. Kammer hat in Wirklichkeit kaum mehr etwas mit einem Rechtsstaat zu tun, wenn man berücksichtigt, das Assbichler in ihrer Erklärung geschrieben hatte, dass die Verteidigung bei einem rechtlichen Hinweis doch nicht von der Unfalltheorie abgewichen wäre. Dieser Satz ist so schwerwiegend und wird auch explizit vom BGH thematisiert, das hier das Nichtvorliegen eines fairen Verfahrens geradezu ins Auge springt. Gerade rechtliche Hinweise sollen bewirken, dass sich die Verteidigung auf die Sichtweise des Gerichts einstellen kann und Argumente bringe kann, die das Gericht doch noch von der andere Richtung überzeugen können. Wenn diese Behauptung keine Schutzbehauptung war, kann man da schon eine Bösartigkeit fast schon in Richtung Rechtsbeugung sehen. Das die 1. Kammer hier dem Befangenheitsantrag nicht stattgegeben hatte, ist nicht mehr verständlich.

Ich denke, das alles weiß nun auch das Gericht und wird hoffentlich dazu führen, dass es auch die eigentlich fast schon offensichtlichen Dinge (sollte es da nicht neue Überraschungen geben) sieht, die eine erneute Verurteilung eigentlich ausschließen. Wahrscheinlich wird es daher auch der Unfallvariante mehr Spielraum geben.

Ganz wohl bei dieser Entscheidung ist mir nicht, aber ich persönlich vermute, dass genau dies die Intention des BGH war. Das hinter dessen BGH-"Fehler" wirklich ein echter Fehler steckt, das glaube ich mittlerweile nicht mehr, da muss man sich - wie gesagt - schon extrem viel Mühe geben, nicht zu erkennen, dass sich die Kammer 1 mit dem Verfahren schon befasst hatte. Ich vermute, dass das LG Traunstein nun eben selbst die Suppe auslöffeln soll, die sie gekocht hatte und nicht ein anderes Gericht. So wird das hoffentlich bewirken, dass das LG Traunstein auch mal etwas dazulernt. Mehrere Zaunpfähle sollte es nun auch gesehen haben, letztlich sind gleich 2 Kammern dieses Gerichts durch nur einen BGH-Beschluss schwerwiegend gerügt worden.

PS @Catch22: Vielen Dank für Deine umfangreiche Zusammenfassung. Das macht alles nochmals sehr deutlich auch für all diejenigen, welche hier nur selten mitlesen.

Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

von Catch22 » Sonntag, 04. Mai 2025, 07:47:04

OVB: Haftprüfung und Prozessbeginn

► RA Dr. Georg antwortet auf OVB-Anfrage

► neue Hauptverhandlung vor 1. Jugendkammer

► Vorsitzende: Heike Will

► Verteidigung verzichtet zunächst auf Befangenheitsantrag

► Weg der E-Mails in die Akten „ein Mysterium“

► Haftprüfung „zeitnah“ angestrebt

► Sebastian bald auf freiem Fuß?

► Prozessbeginn ab Mitte September 2025?

► Warten auf Rückkehr der Akten vom BGH

► Terminabstimmungen:
• 1. Jugendkammer,
• StA,
• RA Holderle,
• Zeugen und Sachverständige,
• Verteidigung

Anmerkung: Nicht namentlich genannt werden (ganz entgegen der traditionellen PR-Unterstützung durch das OVB) die RAe Baumgärtl und Dr. Frank als Pflichtverteidiger. Sind sie entgegen früherer OVB-Berichte nun doch raus? Nicht namhaft gemacht wird der Sitzungsvertreter der StA. Folgt hinsichtlich OStA Fiedler noch ein Ersetzungsantrag der Verteidigung (siehe hier)?

Die Jugendkammern gehorchen einer anderen Zählweise als die gewöhnlichen Strafkammern; deshalb ist z. B. die 1. Jugendkammer nicht identisch mit der 1. Kammer usw. Vielleicht ist das OVB auch hierbei noch lernfähig. Das Zählen bis zwei Jugendkammern hat diesmal immerhin geklappt.


Die Medien des Oberbayerischen Volksblatts (OVB) berichten auf Rosenheim24:

Spoiler – hier klicken!
Landgericht Traunstein im Hanna-Prozess in der Zwickmühle: Wie geht es jetzt weiter?



Nun scheint klar, dass die Neuauflage der Verhandlung tatsächlich erneut am Landgericht in Traunstein stattfinden wird. Und zwar vor der 1. Jugendkammer unter dem Vorsitz von Richterin Heike Will. Die Verteidigung habe beschlossen, keinen Ablehnungsantrag einzureichen, sagte der Hamburger Strafverteidiger Dr. Yves Georg dem OVB auf Anfrage.

Dass die Verteidigung so entscheiden würde, schien in den vergangenen zwei Wochen seit der Veröffentlichung des Revisionsbeschlusses nicht unbedingt sicher. Schließlich brachte der Beschluss des BGH das Landgericht in eine Zwickmühle. Die 1. [Jugend-] Kammer hatte ja indirekt schon eine Rolle in dem Prozess gehabt. Und nun muss sie in einem Fall entscheiden, in dem die 2. [Jugend-] Kammer nach Ansicht des BGH im Februar 2024 versagte.

… Warum die Revision durchging

Die Revision war durchgedrungen, weil die 1. Jugendkammer des Landgerichts einen Befangenheitsantrag der Verteidigung gegen die 2. [Jugend-] Kammer abgelehnt hatte. Zu Unrecht, wie der BGH befand; …

… Die 1. [Jugend-] Kammer hätte also die 2. [Jugend-] Kammer entbinden und den Prozess neu beginnen müssen. Das aber tat sie damals nicht. Nach Ansicht des BGH ein Versäumnis, das die Kammer nun, über ein Jahr danach, selber gutmachen soll.

„Die Entscheidung dieser Jugendkammer war falsch, das sagt der Bundesgerichtshof ganz klar“, sagt Yves Georg. „Falsche Entscheidungen müssen Anlass geben, nachzudenken, ob man solches Gericht ablehnt. Mehr aber nicht. Wir beabsichtigen das derzeit nicht“, begründet er die Marschroute der Verteidiger weiter. Es könne sehr gut sein, dass die 1. [Jugend-] Kammer aufgrund „falscher Rechtsauffassungen“ falsch entschieden habe. „Das muss nicht heißen, dass sie befangen ist.“

E-Mails: Zufallsfund bei Akten-Lektüre

Die betreffenden E-Mails hatte Verteidigerin Regina Rick beim Lesen von Ermittlungsakten entdeckt. Fiedler und Aßbichler tauschten sich darin aus, den Tatvorwurf zu ändern. Aus Mord aus Heimtücke wurde somit gefährliche Körperverletzung plus Mord. … Wie die E-Mails in die Ermittlungsakten kamen: ein Mysterium.

Rick reichte jedenfalls am 19. Februar 2024 einen Antrag auf Ablehnung der drei Berufsrichter der 2. [Jugend-] Kammer ein. Am 27. Februar aber wies Heike Will diesen Antrag zurück. Der Prozess ging weiter. Und genau einen Monat später verurteilte Jacqueline Aßbichler Sebastian T. zu neun Jahren Haft.

Yves Georg: Haftprüfung für Sebastian T. angestrebt

Seitdem sitzt Sebastian T. in der JVA Traunstein. Womöglich nicht mehr lange. Man werde „zeitnah“ einen Antrag auf Haftprüfung stellen, sagte Yves Georg. Denkbar wäre danach zum Beispiel, dass Sebastian T. vorläufig und unter bestimmten Auflagen auf freien Fuß gesetzt wird.

Der Prozess selbst könnte noch im Spätsommer 2025 von neuem beginnen. Richterin Will hat nach Auskunft des Landgerichts Traunstein der Verteidigung einen Termin ab Mitte September in Aussicht gestellt. Nach Rückkehr der Akten – weit über 20.000 Seiten Ermittlungsakten und andere Dokumente – aus Karlsruhe könne mit der Terminsuche begonnen werden. Keine einfache Angelegenheit. Schließlich müssen nicht nur Richterin und Angeklagter viel verfügbare Zeit mitbringen, sondern auch Staatsanwalt, Walter Holderle als Anwalt von Hannas Eltern, Zeugen und Sachverständige.

Rosenheim24.de am 03.05.2025
https://www.rosenheim24.de/rosenheim/ch ... 08383.html

Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

von Catch22 » Samstag, 03. Mai 2025, 22:21:12

Die Semantik des BGH-Beschlusses

Befangenheit oder nur Besorgnis derer?

In einem anderen Forum treibt ein hartleibig monomanes Unverständnis der BGH-Entscheidung ihr Unwesen, gefolgt von wilden Verurteilungsphantasien für einen angeblichen Sexualmörder. Abstoßend!

Nachstehendes Prüfungsschema sollte das Verständnis erleichtern:


Rdnr. 1–8 (insbes. ab Rdnr. 3)
Zunächst stellt der BGH den Sachverhalt fest: Was ist passiert?

Rdnr. 9
Der nachfolgenden Begründung vorangestellt wird der Tenor der Entscheidung mitsamt seiner Rechtsgrundlage (sog. Urteilsstil).

Rdnr. 10–11
Hier beginnt die eigentliche Begründung. Zuerst wird der Prüfungsmaßstab genannt: die Definition von „Besorgnis der Befangenheit“ (unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BGH).

Anmerkung: Selbst wenn ein Richter am Stammtisch lange vor der Verurteilung bewiesenermaßen von „der Giftspritze für den Angeklagten“ gefaselt hätte (und deswegen eine Befangenheit unzweifelhaft und tatsächlich vorläge!), ist rechtlich allein das weniger schwerwiegende Tatbestandsmerkmal der „Besorgnis der Befangenheit“ entscheidungserheblich (§ 24 Abs. 2 StPO).

Rdnr. 12–13
Nun folgt die Subsumtion des Sachverhalts unter die rechtliche Definition: Erfüllt das, was passiert ist, die rechtlichen Voraussetzungen einer „Besorgnis der Befangenheit“? Ergebnis: ja.

Rdnr. 14
Darüber hinaus ließ es sich der BGH nicht nehmen, gesondert auf die unaufgeforderte Stellungnahme Aßbichlers vom 11.08.2024 einzugehen, „die ebenfalls ein Fehlen der gebotenen richterlichen Distanz erkennen lässt“. Die vom BGH gewählte Formulierung steht synonym für tatsächlich vorliegende Befangenheit – nicht etwa nur für die bloße Besorgnis derer!

Bereits am 17.04.2025 traf @Lento des Pudels Kern:
Spoiler – hier klicken!
andi55 hat geschrieben: Donnerstag, 17. April 2025, 13:32:47 Beschluß des BGH Seite 8, Rdnr 14 -unaufgeforderte Stellungnahme der Richterin. Hätte sie doch nur geschwiegen. …
Lento hat geschrieben: Donnerstag, 17. April 2025, 16:10:42 genau, das hat sichtlich den BGH auf die Palme gebracht, da wurde der BGH in seinem Beschluss sehr deutlich. Erst so einen Bockmist bauen und dann noch der Manipulationsversuch … Schlimmer gehts nimmer. …


Nunmehr mag einigen die Entscheidung des BGH vielleicht in einem helleren Licht erscheinen. Jenen sei die nochmalige Lektüre empfohlen.

Der BGH-Beschluss vom 01.04.2025 im Volltext:
https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi- ... =588&pos=7

… oder hier (mit Hervorhebungen und farbigen Anmerkungen wie oben, mit Randnummern, Rechtsnormen verlinkt):

Spoiler – hier klicken!
Bundesgerichtshof
Beschluss

1 StR 434/24

vom 1. April 2025
in der Strafsache gegen …
wegen Mordes u.a.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 1. April 2025 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 19. März 2024 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

[1] Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer „Einheitsjugendstrafe“ von neun Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

[2] Diese Beanstandung hat die rechtsfehlerhafte Zurückweisung eines gegen die Vorsitzende der erkennenden Strafkammer gerichteten Ablehnungsantrags des Angeklagten zum Gegenstand (§ 338 Nr. 3 Alternative 2, § 24 Abs. 2, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO).

Rdnr. 1–8 (insbes. ab Rdnr. 3)
Zunächst stellt der BGH den Sachverhalt fest: Was ist passiert?


[3] a) Ihr liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

[4] Mit Anklage vom 28. April 2023 warf die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vor, am 3. Oktober 2022 gegen 2.30 Uhr die Geschädigte Hanna W. auf ihrem Heimweg von einem Diskothekenbesuch in der Kampenwandstraße [richtig: Schlossbergstraße] in Aschau im Chiemgau mit Tötungsvorsatz und aus sexuellen Motiven von hinten angegriffen, zu Boden gebracht, wuchtig auf ihrem Schulterbereich gekniet und mit einem stumpfen Gegenstand mindestens fünfmal gegen ihren Kopf geschlagen zu haben. Anschließend habe er die bewusstlos gewordene Geschädigte zur Verhinderung der Tatentdeckung in den reißenden und in die Prien mündenden Bärbach geworfen, wo sie nach vier bis fünf Minuten ertrunken sei. Der Angeklagte habe daher einen Mord aus Heimtücke begangen.

[5] Im Hauptverhandlungstermin am 22. Dezember 2023 regte die Vorsitzende der Jugendkammer nach weit fortgeschrittener Beweisaufnahme an, die Verfahrensbeteiligten könnten auf das Erteilen von Hinweisen nach § 265 StPO hinwirken. Am 3. Januar 2024 schrieb ihr der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft per E-Mail:

„Der Kollege J. und ich [F.] sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir in unserem Plädoyer den gleichen Sachverhalt wie ihr zugrunde legen. […] Wenn man bei dem ersten Akt nur einen Körperverletzungsvorsatz annimmt (was naheliegend ist, da seine Ziele noch andere waren), dann müsste man unserer Ansicht nach die Verdeckungsabsicht bei der anschließenden Tötung annehmen. […] Wir haben überlegt, ob wir alternativ – wenn schon beim ersten Akt Tötungsvorsatz angenommen wird – auf Heimtückemord plädieren.“

[6] Der Sitzungsvertreter erläuterte diese zitierten Auszüge aus seiner E-Mail damit, der Angeklagte, der sich Tage zuvor „Pornos“ angeschaut habe, sei zur Diskothek „Eiskeller“ gelaufen, um leicht bekleidete Frauen zu sehen. Er sei dann zufällig Hanna W. begegnet und habe sie „aus sexuellem Interesse“ angegriffen, misshandelt, um ihren Widerstand zur Begehung von sexuellen Handlungen zu überwinden, sowie ihr schließlich mit einem stumpfen Gegenstand mehrfach gegen den Kopf geschlagen. Als er erkannt habe, was er angerichtet habe, habe er „das Opfer ‚entsorgen‘“ müssen. Die Vorsitzende antwortete 30 Minuten später:

„[…] ich denke, dass die Aussage des [Adrian] M. zum Tötungsvorsatz ganz wichtig ist. Der Angeklagte sagte, er habe sie bewusstlos geschlagen, damit sie sich nicht wehren kann, und er habe sie nicht töten wollen […] damit gefährliche Körperverletzung in Tatmehrheit mit Mord (Verdeckungsabsicht evtl. mit dolus eventualis) […]“

[7] Beim Zeugen [Adrian] M. handelte es sich um einen Mithäftling in der Justizvollzugsanstalt, dem gegenüber der Angeklagte während des Vollzugs der Untersuchungshaft Einzelheiten der Tat, mithin „Täterwissen“, offenbart haben soll. Ein Ausdruck der vorgenannten und weiterer E-Mails, in denen sich der Staatsanwalt und die Vorsitzende auch über weitere geplanten Ermittlungen austauschten, gelangte zum Sonderheft „Nachermittlungen II“, in welches in der Folgezeit DNA-Spurengutachten hinzugefügt wurden. Zur Hauptakte nahm die Vorsitzende die E-Mails hingegen nicht. Am 4. Januar 2024 erteilte sie in der Hauptverhandlung den Hinweis, der Angeklagte könne wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 StGB in Tatmehrheit oder Tateinheit mit Mord in Verdeckungsabsicht oder mit Totschlag verurteilt werden. Dabei erwähnte die Vorsitzende die E-Mails nicht, von denen auch die anderen Kammermitglieder bis zum Befangenheitsantrag keine Kenntnis hatten.

[8] Erst nach dem Fortsetzungstermin vom 15. Februar 2024, einem Donnerstag, nahm die Verteidigerin des Angeklagten Einsicht in das Sonderheft, indem sie über das Wochenende die vom Büro des Mitverteidigers eingescannte Akte durcharbeitete; dabei stieß sie auf die E-Mails. Im Anschluss an ein mit dem Angeklagten am 19. Februar 2024 geführtes Telefonat lehnte sie noch an demselben Tag die drei Berufsrichter wegen der Besorgnis der Befangenheit mit der Begründung ab, das Gericht habe sich mit der Staatsanwaltschaft über den zugrunde zu legenden Sachverhalt abgesprochen. Am 27. Februar 2024 wies die Strafkammer ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter den Befangenheitsantrag als unbegründet zurück. Zur Befangenheitsrüge gab die Vorsitzende am 11. August 2024 unaufgefordert vor Übersendung der Verfahrensakten zur Durchführung des Revisionsverfahrens vor dem Senat eine mehrseitige Stellungnahme ab.

Rdnr. 9
Der nachfolgenden Begründung vorangestellt wird der Tenor der Entscheidung mitsamt seiner Rechtsgrundlage (sog. Urteilsstil).


[9] b) Die Verfahrensrüge dringt durch, da das – unverzüglich angebrachte (§ 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO; dazu zuletzt BGH, Beschluss vom 18. Februar 2025 – 1 StR 543/24 unter 1. mwN) – Ablehnungsgesuch „mit Unrecht verworfen worden ist“ (§ 338 Nr. 3 Alternative 2 StPO). Das Verfahrensgeschehen ist vielmehr geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Vorsitzenden zu rechtfertigen24 Abs. 2 StPO). Sie durfte daher am Urteil nicht mitwirken. Dies hat das Revisionsgericht nach Beschwerdegrundsätzen zu prüfen (st. Rspr.; zuletzt BGH, Urteil vom 25. Oktober 2023 – 2 StR 195/23, BGHSt 68, 74 Rn. 21 mwN).

Rdnr. 10–11
Hier beginnt die eigentliche Begründung. Zuerst wird der Prüfungsmaßstab genannt: die Definition von „Besorgnis der Befangenheit“ (unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BGH).


Anmerkung: Selbst wenn ein Richter am Stammtisch lange vor der Verurteilung bewiesenermaßen von „der Giftspritze für den Angeklagten“ gefaselt hätte (und deswegen eine Befangenheit unzweifelhaft und tatsächlich vorläge!), ist rechtlich allein das weniger schwerwiegende Tatbestandsmerkmal der „Besorgnis der Befangenheit“ entscheidungserheblich (§ 24 Abs. 2 StPO).

[10] aa) Die Besorgnis der Befangenheit eines Richters ist anzunehmen, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die die gebotene Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Maßstab für die Beurteilung dieser Voraussetzungen sind dabei der Standpunkt eines besonnenen Angeklagten und die Vorstellungen, die er sich bei der ihm zumutbaren ruhigen Prüfung der Sachlage machen kann (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 14. November 2023 – 4 StR 239/23 Rn. 16 mwN). Ob der Richter tatsächlich befangen gewesen ist, ist nicht maßgebend (BGH, Urteil vom 2. März 2004 – 1 StR 574/03 Rn. 18, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 14; Beschlüsse vom 2. April 2020 – 1 StR 90/20 Rn. 9 und vom 28. Februar 2018 – 2 StR 234/16 Rn. 24).

[11] Einem Richter ist es nicht verwehrt, zwecks Förderung des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten auch außerhalb der Hauptverhandlung Kontakt aufzunehmen. Dabei hat er aber stets die gebotene Zurückhaltung zu wahren, um jeden Anschein der Parteilichkeit zu vermeiden. Ob ein Angeklagter aus der einseitigen Fühlungnahme des Gerichts mit einem anderen Verfahrensbeteiligten außerhalb der Hauptverhandlung eine Besorgnis der Befangenheit ableiten kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, unter anderem davon, ob er Grund zu der Annahme hat, ein solches Gespräch könne sich zu seinen Ungunsten auswirken (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 1 StR 301/07 unter 1.; Urteil vom 5. September 1984 – 2 StR 347/84 Rn. 13; jeweils mwN).

Rdnr. 12–13
Nun folgt die Subsumtion des Sachverhalts unter die rechtliche Definition: Erfüllt das, was passiert ist, die rechtlichen Voraussetzungen einer „Besorgnis der Befangenheit“? Ergebnis: ja.


[12] bb) Hier folgt eine solche Besorgnis der Befangenheit schon daraus, dass die Vorsitzende die E-Mails am 4. Januar 2024 bei Erteilung des Hinweises nach § 265 Abs. 1 StPO nicht offengelegt hat. Sie hätten bei schwieriger Beweislage, die zur Täterschaft des Angeklagten maßgeblich auf der Würdigung von in privatem Umfeld offenbartem Täterwissen fußt, zum Verständnis des Hinweises beitragen können; sie sind als tatsächliche Grundlage des Hinweises bedeutsam gewesen. So bleibt es aber dabei, dass die Vorsitzende einseitig mit dem Sitzungsvertreter den Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in einer Weise erörtert hat, die an sich der geheimen Kammerberatung vorzubehalten gewesen wäre (vgl. §§ 192 ff. GVG, § 260 Abs. 1 StPO). Der Übergang vom angeklagten Heimtückemord zum tatmehrheitlichen Geschehen einer gefährlichen Körperverletzung aus sexueller Motivation mit anschließendem Verdeckungsmord, das das Landgericht seiner Verurteilung zugrunde gelegt hat, ist eine der wichtigsten Fragen des Falles gewesen, ebenso die zugehörigen Beweismittel und deren Würdigung. Wenn der Inhalt der Überzeugungsbildung (§ 261 StPO) außerhalb der Gerichtsberatung mit einem Verfahrensbeteiligten in einer solchen Tiefe erörtert wird, ist dies regelmäßig sofort oder zumindest zeitnah gegenüber allen anderen Beteiligten offenzulegen. In einem solchen Fall kann sich ein Berufsrichter im Regelfall auch nicht dadurch entlasten, dass er den betreffenden Schriftverkehr oder entsprechende Gesprächsvermerke zur Hauptakte nimmt. Denn es bleibt ungewiss, wann die anderen Verfahrensbeteiligten (erneut) die Hauptakten einsehen. Dass – aus welchem Grund auch immer – hier die E-Mails in einen Sonderordner gelangten, ist in jedem Fall unzureichend. Nach alledem konnte auch für einen besonnenen Angeklagten der Eindruck entstehen, die Vorsitzende habe sich heimlich an ihm vorbei ihre Überzeugung auch durch Austausch von Argumenten allein mit der Staatsanwaltschaft bilden wollen und sich damit ihrer Neutralität begeben.

[13] Darauf, ob die Vorsitzende durch ihre dienstliche Stellungnahme vom 19. Februar 2024 Bedenken ausräumen konnte (§ 26 Abs. 3 StPO; vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. Oktober 2012 – 3 StR 208/12 Rn. 19 mwN; Beschluss vom 13. Oktober 2005 – 5 StR 278/05 Rn. 10), sie sei bezüglich der Verurteilung des Angeklagten nicht festgelegt gewesen, sondern ermittle auch entlastende Umstände, kommt es hier nicht an. Denn der maßgebliche Begriff des § 24 Abs. 2 StPO ist die „Unparteilichkeit“, dem gegenüber das Festlegen auf eine Verurteilung nur ein – wenngleich gewichtiger – Unterfall ist. Die Bedenken gegen die einseitige Erörterung des Inbegriffs der Hauptverhandlung und damit gegen die gebotene Neutralität hat die Vorsitzende am 19. Februar 2024 vertieft, indem sie ausgeführt hat, weitere Rechtsgespräche mit der Verteidigung seien hinfällig gewesen, weil diese ohnehin auf Freispruch auf der Grundlage eines angenommenen Unfallgeschehens beharren würde. Anfragen zu rechtlichen Hinweisen seien damit in diese Richtung „obsolet“ gewesen.

Rdnr. 14
Darüber hinaus ließ es sich der BGH nicht nehmen, gesondert auf die unaufgeforderte Stellungnahme Aßbichlers vom 11.08.2024 einzugehen, „die ebenfalls ein Fehlen der gebotenen richterlichen Distanz erkennen lässt“. Die vom BGH gewählte Formulierung steht synonym für tatsächlich vorliegende Befangenheit – nicht etwa nur für die bloße Besorgnis derer!


[14] Bei der Beurteilung der Besorgnis einer Befangenheit nach Beschwerdegrundsätzen ist die im Revisionsverfahren unaufgefordert abgegebene Stellungnahme der Vorsitzenden miteinzustellen, die ebenfalls ein Fehlen der gebotenen richterlichen Distanz erkennen lässt. Denn sie hat darin nicht etwa relevante konkrete Verfahrenstatsachen benannt, welche der Beschwerdeführer vorzutragen versäumt hätte (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). So hat die Vorsitzende mit dem von ihr angeführten Hinweis vom 23. Januar 2024 nicht etwa die Begründung für ihren Hinweis vom 4. Januar 2024 nachgeliefert, sondern allein die lebensgefährdende Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) als weitere innerhalb des Straftatbestandes der gefährlichen Körperverletzung in Betracht kommende Variante angeführt. Vielmehr hat sie umfangreich dargelegt, wie sie die Befangenheitsrüge einschätzt. Dies entspricht indes nicht dem von § 347 Abs. 1 Satz 2, 3 StPO vorgesehenen Ablauf eines Revisionsverfahrens. Danach gibt die Staatsanwaltschaft zu Verfahrensrügen des Angeklagten eine Gegenerklärung ab, wenn anzunehmen ist, dass dadurch die Prüfung der Revisionsbeschwerde erleichtert wird. Damit kann die Staatsanwaltschaft darauf hinwirken, dass dem Revisionsgericht ein vollständiger Vortrag über das relevante Verfahrensgeschehen unterbreitet wird. Freilich bleibt es den Mitgliedern der erkennenden Strafkammer unbenommen, aus ihrer Sicht bedeutsame Verfahrenstatsachen sogleich in der Akte zu vermerken, die dann zur Wahrung des rechtlichen Gehörs des Angeklagten Gegenstand der staatsanwaltschaftlichen Gegenerklärung werden müssen. Es ist aber weder Aufgabe der Staatsanwaltschaft noch des Tatgerichts, die Erfolgsaussichten einer Verfahrensrüge zu würdigen.

Jäger – Leplow – Wimmer – Allgayer – Bär

Vorinstanz:
Landgericht Traunstein, 19.03.2024 – 2 KLs 402 Js 40276/22 jug.



BGH, Beschluss vom 01.04.2025 (1 StR 434/24)
viewtopic.php?p=293346#p293346
download/file.php?id=8816
https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi- ... 1165&pos=0
https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi- ... =588&pos=7


Nach alledem noch von einem Lapsus, einfacher Fahrlässigkeit oder gar nur albern von einer Unachtsamkeit der Vorsitzenden Richterin zu phantasieren, verbietet sich. Der Traunsteiner „Justiz-Hammer“ kassierte aus Karlsruhe die größtmögliche Klatsche!


Verdacht der Rechtsbeugung?

Möglicherweise erwägt die Verteidigung längst eine Strafanzeige wegen des Verdachts der vorsätzlichen Rechtsbeugung (§ 339 StGB) – namentlich vor dem Hintergrund der aus der Befangenheit resultierenden, gravierenden Mängel des Urteils.

Es wäre nicht die erste Strafanzeige dieser Art aus der Feder der Kanzlei Schwenn. Des lieben Friedens willen wartet man aber wohl besser erst einmal die bevorstehende neue Hauptverhandlung und das nächste Urteil ab.

Eine Verurteilung wegen Rechtsbeugung wäre verheerend: Amtsverlust für Richter bzw. StA, Verlust der Pensionsansprüche, Nachversicherung in der maroden gesetzlichen Rentenversicherung. Back to reality.


Gesamtes Urteil von dem Mangel betroffen

Darüber hinaus anzunehmen, der BGH habe die Feststellungen und die Beweiswürdigung des LG-Urteils aus Traunstein fùr richtig befunden, nur weil er nicht auf die Sachrügen eingegangen war, zeugt von tiefsitzender Verbohrtheit und Ignoranz.

Die letzten Zweifler hätte Thomas Fischers Beitrag in der LTO überzeugen müssen (siehe hier), hinreichend eigene Erkenntniskraft vorausgesetzt. Das aber klappte anscheinend nicht.

Beispiel: Ein Täter verabreicht seinem Opfer gleichzeitig und in jeweils tödlicher Dosis
► Zyankali,
► Arsen,
► Cumarin (Rattengift),
► E 605 und
► ein Ragout giftiger Pilze.
Wenige Augenblicke später ist das Opfer tot. Fragestellung:
► Ist das Opfer tot? Ja.
► Warum? Zyankali.
Alle anderen Gifte spielen keine Rolle, weil Zyankali das am schnellsten wirksame und ein mit Sicherheit tödliches Gift war. Auch ohne Verabreichung der anderen Giftstoffe wäre der Tod durch Zyankali umgehend eingetreten. Die anderen Giftstoffe sind also faktisch irrelevant (und nur von theoretischem Interesse – was jedoch deren tödliche Giftigkeit weder beseitigen noch beschönigen kann).

Ebenso behandelte der BGH die Frage, weshalb das Urteil des LG Traunstein „tot“ (also aufzuheben) ist.

Ein sogenannter absoluter Revisionsgrund (wie z. B. die „Besorgnis der Befangenheit“, § 338 Nr. 3 StPO) ist der höchste Trumpf, der umgehend das gesamte Urteil „zu Tode“ bringt. Weitere Revisionsrügen (also die Sachrügen) zu prüfen und sie als begründet oder unbegründet zu erachten, ist dem Revisionsgericht (hier: dem BGH) zwar nicht verboten, aber entbehrlich.

Vielmehr wird bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes gesetzlich vermutet, dass das aufzuhebende Urteil in Gänze falsch ist und damit „tot“ sein muss.


Neubeginn

Genau deshalb wurde das gesamte Traunsteiner Urteil aufgehoben:
► alle Feststellungen zum Sachverhalt,
► die gesamte Beweiswürdigung,
► die rechtliche Würdigung und
► das Strafmaß.

Das gesamte Verfahren steht damit wieder am Anfang und selbstverständlich gilt weiterhin die Unschuldsvermutung. Wer weiß, welche überraschenden Erkenntnisse die neue Beweisaufnahme zu Tage fördern wird – unter der gebotenen Distzanz unbefangener Richter.

Den alten Narrativen einer befangenen Vorsitzenden Richterin, eines übereifrig karrierebewussten (O)StAs und eines zusehends in Erklärungsnot geratenden Nebenklagevertreters weiterhin blind zu folgen, bedeutet, sich selbst zum Opfer der eigenen Einfalt und der nun immerhin enttarnten Vorverurteilung zu machen.

Mit einer kleinen Einschränkung bringt es der erfahrene Strafverteidiger Johann Schwenn auf den Punkt:
Hauptursache für Fehlurteile ist die überstürzte und unkritische Solidarität mit Personen, die sich selbst als Opfer inszenieren.

„Die Zeit“, 02.12.2010
https://rechtsanwalt-strafrecht.com/johann-schwenn/
Stellvertretend für das tote Opfer wurde die Inszenierung im Fall Hanna von der Polizei (EKHK Diana U.!?), der StA und dem Nebenklageverteter Holderle betrieben, denen eine befangene Vorsitzende und halbseidene Medien kritiklos folgten, die beiden Pflichtverteidiger nicht ganz ausgenommen.

Fanatische Verurteilungsphantasien gehören in den Giftschrank, Verurteilungswahn zum Psychiater. Den Urhebern sollte ein innovatives Freizeitprogramm fürs Wochenende angeboten werden:

„Unschuldig im Knast – hurra!“

Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

von Catch22 » Samstag, 03. Mai 2025, 22:20:52

Bild.de weiterhin ohne Maulkorb

Nachdem die Süddeutsche Zeitung offenkundig dazu gedrängt wurde, den Kommentar von Benedikt Warmbrunn maßgeblich zu entschärfen, …

Spoiler – hier klicken!

Originalfassung vom 17.04.2025:
Im Fall Hanna … [W.] hat das Gericht unrecht getan

Der Bundesgerichtshof hebt das Urteil gegen den Angeklagten Sebastian T. auf. Der Vorsitzenden Richterin wirft er Befangenheit vor. Zu Recht.



Es gibt keinen Beweis, dass er der Täter ist, keine DNA-Spuren, keine Videoaufnahmen. Niemand hat gesehen, dass er sich der jungen Frau genähert hat. Niemand hat gesehen, dass er sich überhaupt in ihrer Nähe aufgehalten hat. Dennoch hatte ihn das Landgericht zu neun Jahren Haft wegen Mordes verurteilt, gestützt vor allem auf schlecht überprüfte Zeugenaussagen, die teilweise voller Widersprüche waren. Das passt zu dem, was der Bundesgerichtshof nun bemängelte: dass die Vorsitzende Richterin befangen war, dass sie den Prozess nicht hätte weiterführen dürfen. Und dass daher das Urteil aufgehoben wird.



https://archive.ph/20250417170504/https ... li.3238118
Beitrag: viewtopic.php?p=293939#p293939

Entschärfte Fassung nach Ostern:
Im Fall Hanna … [W.] hat das Gericht vielen Menschen unrecht getan

Der Bundesgerichtshof hebt das Urteil gegen den Angeklagten Sebastian T. auf. Bei der Vorsitzenden Richterin hält er Befangenheit für möglich. Zu Recht.



Es gibt keinen Beweis, dass er der Täter ist, keine DNA-Spuren, keine Videoaufnahmen. Niemand hat gesehen, dass er sich der jungen Frau genähert hat. Niemand hat gesehen, dass er sich überhaupt in ihrer Nähe aufgehalten hat. Dennoch hatte ihn das Landgericht zu neun Jahren Haft wegen Mordes verurteilt, gestützt vor allem auf schlecht überprüfte Zeugenaussagen, die teilweise voller Widersprüche waren. Nun hat der Bundesgerichtshof die Besorgnis der Befangenheit festgestellt, und dass die Vorsitzende Richterin den Prozess nicht hätte weiterführen dürfen. Und dass daher das Urteil aufgehoben wird.



Hinweis: In einer früheren Fassung hieß es, der BGH habe die Vorsitzende Richterin für befangen erklärt. Er stellte aber nur die Besorgnis der Befangenheit fest. Dies ist nun korrigiert.

https://www.sueddeutsche.de/meinung/han ... li.3238118
Beitrag: viewtopic.php?p=294611#p294611
Ein nervöses Komma rutschte an verkehrter Stelle aus der Tastatur. Aufgeregtheit angesichts einer von oben verordneten Zähmung?

… lässt sich ein anderes Medienportal – mit zwar anderer Leserschaft, aber mit vergleichbarer Reichweite und Marktposition – keinen Maulkorb verpassen.

Von beleidigten Leberwürsten unbeeindruckt, berichtet Bild.de unverändert über tatsächlich vorgelegene „Befangenheit der Richterin“:

Spoiler – hier klicken!

Bislang unveränderte Fassung vom 16.04.2025:
BGH hebt Urteil im Eiskeller-Mord auf!

Kommt der mutmaßliche Killer von Hanna (†23) jetzt frei?

… Spektakuläre Wende im „Eiskeller-Mordfall“ … Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Urteil des Traunsteiner Landgerichts aufgehoben – wegen Befangenheit der Richterin!



Bild
Richterin Jaqueline Aßbichler wurde vom BGH als befangen eingestuft
Foto: Joerg Voelkerling

Auf neun Seiten begründet der BGH die Aufhebung des Urteils: Unter anderem heißt es, dass die Mail an die Staatsanwaltschaft „Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Vorsitzenden“ rechtfertige und diese am Urteil nicht mehr hätte „mitwirken“ dürfen.



Bild.de am 16.04.2025
https://www.bild.de/regional/muenchen/e ... 03795186b3

Von der Süddeutschen hatte ich mehr Standfestigkeit erwartet.

Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

von Catch22 » Freitag, 02. Mai 2025, 22:35:39

Spiegel-TV: Wende im „Eiskeller-Mord“

Am vergangenen Montag (28.04.2025) berichtete Spiegel-TV in einem Dreiminüter plus Moderation:

► RA Dr. Georg: „deutlicher Erfolg auf ganzer Linie“

► RAin Rick: keine Spuren, kein Tatort, kein Beweis für Anwesenheit

► Mutter Iris T.: Sohn ab Tag 1 vorverurteilt

► RA Dr. Georg: „Kabinettsjustiz“ per Mauschelei in Traunstein

► BGH: LG und StA heimlich am Angeklagten vorbei


Ab Minute 23:45 bis 27:54 (Ende):

https://www.spiegel.de/panorama/spiegel ... 3329#bqBIU


In Kürze vielleicht auch auf YouTube:
https://youtube.com/@derspiegel

Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

von Catch22 » Donnerstag, 01. Mai 2025, 21:04:23

LG-Urteil endgültig offine?

Bereits 2024 wurde das Urteil des LG Traunstein vom 19.03.2024 auf Beck-online veröffentlicht (BeckRS 2024, 26699, nur für Abonnenten):

https://beck-online.beck.de/Dokument?vp ... .26699.htm

Seit 10.01.2025 gegen 8.00 Uhr erfolgte eine automatische Weiterleitung an eine Hinweistafel, derzufolge sich der Urteilstext vorübergehend in Bearbeitung befinde und man „in den kommenden Tagen“ erneut versuchen solle, ihn aufzurufen:

https://beck-online.beck.de/Error/48
Spoiler – hier klicken!
Fehler – beck-online

Der gewünschte Inhalt befindet sich derzeit zur redaktionellen Qualitätssicherung in der Bearbeitung und steht daher vorübergehend nicht zur Verfügung. Bitte versuchen Sie es in den kommenden Tagen erneut.

Falls Sie Fragen oder Anregungen haben, würden wir uns freuen, wenn Sie uns ein Feedback geben.

https://beck-online.beck.de/Error/48

Auffällig: Nachdem das Urteil bereits einige Zeit online stand (erkennbar an der Fundstelle „2024, 26699“), wurde der Zugriff darauf erst gesperrt, als die Verlinkung hier im HET (08.01.2025, 21.51 Uhr) und wenige Stunden später auf Allmystery (09.01.2025, 11.17 Uhr) publik wurde. Kurz darauf folgte dann die Sperrung (10.01.2025, ca. 8.00 Uhr) – mutmaßlich aufgrund der schlampigen Anonymisierung, deretwegen Betroffene möglicherweise eine Überarbeitung verlangten. Daraus wird die Reichweite derartiger Foren sichtbar.

Seit heute, 01.05.2025, landet der Besucher plötzlich auf einer anderen Hinweistafel (gestern noch nicht). Dort heißt es, das Urteil sei entweder nicht verfügbar oder im Abo nicht enthalten:

https://beck-online.beck.de/Error/22
Spoiler – hier klicken!
Fehler – beck-online

Das angeforderte Dokument ist entweder nicht Bestandteil Ihres Abonnements oder nicht in beck-online verfügbar. Ein Einzeldokumentbezug wird in diesem Fall nicht angeboten.

https://beck-online.beck.de/Error/22?ur ... .26699.htm

Daraus schließe ich, dass das Urteil ab sofort endgültig nicht mehr auf Beck-online im Rechtsprechungsmodul „BeckRS“ zur Verfügung gestellt wird (zumal das Urteil nicht aufgrund einzelner Sachrügen, sondern wegen eines sogenannten absoluten Revisionsgrundes nach § 338 StPO aufgehoben wurde und aus Sicht des Beck-Verlags kaum mehr eine wissenschaftliche Relevanz vorliegen dürfte).

Gleiches wird in Bälde wohl auch bei dem amtlichen Portal „Bayern.Recht“ der Bayerischen Staatskanzlei zu erwarten sein. Denn für die technische (und wahrscheinlich auch redaktionelle) Umsetzung ist laut Impressum ebenfalls der Beck-Verlag zuständig.

Bislang führt der diesbezügliche Urteils-Link

https://www.gesetze-bayern.de/Content/D ... 24-N-26699

noch zu der bekannten Vertröstung auf die „kommenden Tage“:

https://www.gesetze-bayern.de/Error/5
Spoiler – hier klicken!
Dokument gesperrt

Der gewünschte Inhalt befindet sich derzeit zur redaktionellen Qualitätssicherung in der Bearbeitung und steht daher vorübergehend nicht zur Verfügung. Bitte versuchen Sie es in den kommenden Tagen erneut.

https://www.gesetze-bayern.de/Error/5

Eine böse Vorahnung hatte offenbar das Rechtsportal Dejure.org, als es unkte:
Spoiler – hier klicken!
Redaktioneller Hinweis

Veröffentlichung der schriftlichen Urteilsgründe in der amtlichen Rechtsprechungsdatenbank wurde (vorläufig?) zurückgezogen

https://dejure.org/dienste/vernetzung/r ... 40276%2F22


Dass das Traunsteiner Urteil nunmehr dauerhaft in der Versenkung zu verschwinden droht, ist ein Jammer. Für die Öffentlichkeit ebenso wie für die Fachwelt. Glücklich sei, wer das Urteils-PDF ergattern konnte. (Bei Interesse bitte eine PN an mich.)

Gerade weil Voreingenommenheit und gezieltes Zurechtbiegen einer „Beweislage“ wider die Gesetze der Logik und wahrscheinlich sogar wider besseres Wissen dem Leser dieses Urteils förmlich ins Gesicht springen, wäre genau dieses Urteil ein brillantes Lehrstück für alle Strafrichter, Staatsanwälte, Nebenklagevertreter, Strafverteidiger und nicht zuletzt Kriminalbeamte, für Jurastudenten und Rechtsreferendare wie auch für gewissenhafte (!) Journalisten und kritische Laien, um zukünftige Justiz-Katastrophen dieser Art zu verhindern. Schon morgen könnte es den Nächsten treffen. Und jeder x-Beliebige könnte der Nächste sein!

Leider aber wird wohl @Lento recht behalten:
Lento hat geschrieben: Mittwoch, 30. April 2025, 00:26:16
Ich glaube, man will dieses Urteil so rasch wie möglich vergessen.

Ein kleiner Trost: Dass von nun an die Erste Liga der Fachwelt, allen voran Thomas Fischer, mit Argusaugen über den weiteren Fortgang des Verfahrens wachen wird, darf als sicher gelten – von der bevorstehenden Haftprüfung über die Beweiserhebung bis zu einem rechtsstaatlich legitimierten Urteil einer nicht abermals „Besorgnis der Befangenheit“ erregenden Jugendkammer. Nun können Traunsteiner Richter beweisen, dass sie willens und professionell genug sind, wie erwachsene Menschen zu agieren.

Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

von Gast » Donnerstag, 01. Mai 2025, 13:06:13

Immer das rumgenörgle an der bayrischen Justiz, die haben schliesslich was besseres zu tun als zu guggen ob der es jetzt war oder nicht.
Hier 2 herausragende Beispiele wie die in Bayern für Zucht und Ordnung sorgen:
Lauterbach hebt den Arm – und eine Frau muß dafür 3.500 Euro zahlen
https://jungefreiheit.de/politik/deutsc ... ro-zahlen/
Hitler-Bild in der Whatsapp-Kollegengruppe: Amtsgericht Würzburg verurteilt Lkw-Fahrer zu Geldstrafe
https://www.mainpost.de/franken/hitler- ... -108944284

7000 forderte der Anwalt des Staates und der Richter gab ihm ein bisschen Rabatt stand in der Tageszeitung.

Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

von Catch22 » Mittwoch, 30. April 2025, 16:04:53

Nachhilfe für Aßbichler

Der Strafrechtler, StGB-Kommentator und ehemalige BGH-Richter Professor Thomas Fischer kommentiert die Entscheidung des BGH in der Legal Tribune online (LTO).

Nachhilfe im Strafprozessrecht, die zu nehmen Aßbichler einst voller Zynismus RAin Rick empfohlen hatte, wird der Vorsitzenden Richterin nun von berufener Stelle höchstselbst zuteil. Und RAin Rick behält recht.


► Auf die Sachrügen kam es nicht mehr an.

► Falsch ist zu glauben, der BGH habe das Urteil inhaltlich gebilligt.

► Die Besorgnis der Befangenheit drängte sich auf.

► „Abstimmung“ im Kumpel-Ton war verfehlt.

► Kumpelhaftes Zusammenwirken von Richterin und [O]StA ist zu vermeiden.

► Kritik an Verwobenheit von Gerichten und StAen in Bayern

► Aßbichlers unaufgeforderte dienstliche Stellungnahme verstärkte den Eindruck der Befangenheit.

► Erklärungen über den guten Willen oder ein „Gefühl“ sind verfehlt und können weitere Ablehnungsgründe offenbaren.

► Auch geheime „Nebenakten“ begründen die Besorgnis der Befangenheit.


Gastbeitrag von Thomas Fischer in der LTO (leicht gekürzt, Rechtsnormen verlinkt):

Spoiler – hier klicken!
Wann ist ein Richter im Straf­pro­zess „befangen“?

Der BGH hat ein Urteil aufgehoben, an dem eine zurecht wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnte Richterin mitgewirkt hatte. Ihre dienstliche Erklärung bestätigte diese Besorgnis – kommt es auf mehr an, Herr Fischer?

Kürzlich hat der Bundesgerichtshof … ein strafrechtliches Urteil des Landgerichts … Traunstein im sog. Fall „Eiskellermord“ aufgehoben (… [Beschluss] v. 01.04.2025, Az. 1 StR 434/24). Die Aufhebung (mit der Folge der Zurückverweisung; § 354 Abs. 2 … StPO) erfolgte auf eine Verfahrensrüge des Angeklagten, mit welcher er eine Verletzung von § 338 Nr. 3 StPO geltend gemacht hatte. Auf die zugleich erhobene Sachrüge kam es daher nicht mehr an; insoweit lagen Schlagzeilen wie „Was geschah wirklich …?“ eher neben der Sache. Dasselbe gilt für kolportierte (justizielle) Stellungnahmen, wonach der BGH „keine Bedenken“ gegen die sachlichen Feststellungen, die Beweiswürdigung und die rechtliche Bewertung gehabt habe: Zu Fragen, auf welche es gar nicht ankommt, muss das Revisionsgericht nicht Stellung nehmen und will es in aller Regel auch nicht.



Auf die Einzelheiten kommt es nicht an



Angeklagt war eine Tat (d.h. ein Geschehensablauf), die nach Ansicht der Staatsanwaltschaft den Tatbestand des Mordes (§ 211 … StGB) verwirklichte … Im Laufe der Hauptverhandlung wandte sich der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in vertraulichem Duz-Ton per E-Mail an die Vorsitzende der zuständigen Jugendkammer. Er teilte ihr mit, wie er selbst und ein Kollege den Sachverhalt und die Beweislage sähen und wie sie zu plädieren beabsichtigten.

Die Vorsitzende antwortete alsbald und stellte ihrerseits Erwägungen zur Beweiswürdigung und rechtlichen Beurteilung an. Die E-Mail-Korrespondenz nahm die Vorsitzende zu einem Sonderheft der Akte, teilte sie aber den anderen Verfahrensbeteiligten nicht mit. Sie wurde durch Zufall von einer Verteidigerin in dem Sonderheft entdeckt. Die Verteidiger lehnten daraufhin die Vorsitzende wegen Besorgnis der Befangenheit ab (§ 24 Abs. 2 StPO). Die Strafkammer wies das Ablehnungsgesuch zurück und verurteilte den Angeklagten unter Mitwirkung der abgelehnten Vorsitzenden Richterin.

Gegen das Urteil erhob der Angeklagte mit der Revision eine Verfahrensrüge gem. § 338 Nr. 3 StPO. Die Kammervorsitzende verfasste bei Vorlage dieser Revision unaufgefordert eine „dienstliche Erklärung“, in welcher sie versicherte, nicht festgelegt gewesen zu sein.

Lektüreempfehlung der gesetzlichen Vorschriften

Man muss an dieser Stelle einleitend drei gesetzliche Vorschriften zitieren (und dringend zur Lektüre empfehlen):

§ 337 StPO Revisionsgründe


§ 338 StPO Absolute Revisionsgründe


§ 24 Abs. 1 und 2 StPO Ablehnung eines Richters; Besorgnis der Befangenheit


Befangenheit muss nicht bewiesen werden

Die meisten Laien und auch ganz erstaunlich viele Richter denken, dass die Voraussetzung einer (erfolgreichen) Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit sei, dass der betreffende Richter tatsächlich befangen ist. Das würde dazu führen, dass in dem Verfahren über den Ablehnungsantrag diese Befangenheit bewiesen werden müsste. Auf der Grundlage dieser falschen Auslegung des § 24 Abs. 2 StPO fühlen sich sehr viele – genauer gesagt: die Mehrzahl – aller abgelehnten Richter veranlasst, in die „dienstliche Erklärung“, welche sie gem. § 26 Abs. 3 StPO abgeben müssen, zu schreiben: „Ich fühle mich nicht befangen“.

Das ist, um es unfreundlich auszudrücken, Unfug und kann, wenn es mit rechten Dingen zugeht, auf keinen Fall dazu führen, dass der Ablehnungsantrag zurückgewiesen wird. Das gilt erst recht, wenn solcherlei Erklärungen gegenüber dem Revisionsgericht abgegeben werden. Denn darauf, wie der Richter sich „fühlt“, kommt es nach dem Wortlaut des § 24 Abs. 2 StPO gar nicht an: Es geht allein um die „Besorgnis der Befangenheit“, und diese bestimmt sich nicht nach den Gefühlen oder der Eigenwahrnehmung des Abgelehnten, sondern nach dem Blickwinkel desjenigen Verfahrensbeteiligten (Angeklagter, Staatsanwaltschaft, Nebenkläger, Adhäsionskläger, Einziehungsbeteiligter), der den Richter ablehnt.

Der Grund dafür ist vor allem, dass kein Mensch und daher auch kein Gericht in der Lage ist, die „Gefühle“ anderer Menschen objektiv gültig zu überprüfen. Die „Besorgnis“ der Befangenheit ist also eine sozusagen vor die interne Gedanken- und Stimmungssphäre des Richters gezogene, objektivierende Anforderung: Diese Besorgnis muss der Ablehnende haben, nicht der Abgelehnte. Das geht – mit Gründen – nur, wenn objektive Anhaltspunkte gegeben sind, auf welche sich die Besorgnis stützen kann. Nach ständiger Rechtsprechung kommt es dabei auf den objektivierbaren Blickwinkel eines verständigen und vernünftigen Verfahrensbeteiligten in der Verfahrensrolle des ablehnenden Antragstellers an. Daher kann eine Ablehnung nicht darauf gestützt werden, dass ein Richter „irgendwie den Eindruck erweckt“, er sei voreingenommen oder parteiisch.

Nicht mehr, und nicht weniger als offene Annäherung

Unparteilichkeit (Unvoreingenommenheit, Neutralität) bedeutet, sich als Richter einer zu entscheidenden Rechtssache „offen“ zu nähern, also die Sachverhaltsfeststellung ohne Bevorzugung oder Benachteiligung einer Seite durchzuführen sowie die rechtliche Würdigung und die Rechtsfolgenbestimmung nicht nach Maßgabe von einseitiger Neigung vorzunehmen. Der nach § 38 Deutsches Richtergesetz zu leistende Richtereid lautet:

„Ich schwöre, das Richteramt getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und getreu dem Gesetz auszuüben, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen.“

Richter sind keine Übermenschen. Sie haben Prägungen, Erfahrungen, Vorurteile, Neigungen und Gefühle wie alle anderen Menschen auch. Sie sind allerdings aufgrund Ausbildung und beruflicher Sozialisation vielfach von der „Palmström“-Überzeugung durchdrungen, dass nicht sein könne, was nicht sein darf: Wenn im Gesetz steht, der Richter müsse unabhängig und unparteilich sein oder dies oder jenes können, dann verstehen bedauerlich viele das weniger als ständige Aufgabe denn als Zustandsbeschreibung mit Garantiecharakter.

Von klaren Fällen und skurrilen Missverständnissen

Die Beurteilung, ob aus Sicht eines vernünftigen Verfahrensbeteiligten die Besorgnis der Befangenheit besteht, ist oft nicht einfach, weil die subjektiven Interessen aufeinanderprallen und Handlungen oder Äußerungen von Richtern im Einzelfall durchaus unterschiedlich verstanden oder bewertet werden können. Hinzu kommen auch verfahrenstaktische Erwägungen: Stellt die Verteidigung einen Befangenheitsantrag, ist die „Stimmung“ im Verfahren meist nachhaltig verdorben. Wird in einem umfangreichen Verfahren ein Richter kurz vor Schluss erfolgreich abgelehnt, „platzt“ die ganze Hauptverhandlung. Befangenheitsfragen werden von den Beteiligten selten „sportlich“ genommen.

Es gibt eine unüberschaubare Einzelfall-Rechtsprechung zur Befangenheit von Richtern oder Schöffen. Sie reicht von klaren Fällen („Ihnen wird das Lachen noch vergehen!“) bis zu skurrilen Missverständnissen. Auch Schöffen sorgen gelegentlich für atemberaubende Szenen: In einer einst von mir geführten Hauptverhandlung fragte ein Schöffe den – seine Unschuld beteuernden – Angeklagten: „Tut es Ihnen denn überhaupt nicht leid?“

Kontakte nur verfahrensoffen und transparent

Im Traunsteiner Fall drängte sich die Besorgnis der Befangenheit auf; die Zurückweisung des Antrags durch die Kammer war daher schwer verständlich. Selbstverständlich sind in einer „offenen“ Verfahrensführung auch Kontakte des Gerichts mit Verfahrensbeteiligten erlaubt. Sie müssen aber verfahrensoffen und transparent gestaltet sein. Diskussionen über Fragen, die offenkundig zum gerichtlichen Beratungsgegenstand gehören (und dann dem Beratungsgeheimnis unterfallen), mit einzelnen Beteiligten unter Verheimlichung gegenüber den anderen sind nicht tolerabel. Ein solches Verhalten muss fast zwingend zu dem Eindruck des Übergangenen (hier: des Angeklagten) führen, der betreffende Richter stehe ihm nicht mehr neutral gegenüber.

An dieser Stelle ist allerdings auch die Rolle des Staatsanwalts zu hinterfragen: Die im Kumpel-Ton verfasste, offensichtlich einer „Abstimmung“ dienende Mitteilung an die Vorsitzende, wie die Staatsanwaltschaft zu plädieren gedenke, war verfehlt. Das gibt Anlass zu dem Hinweis, dass eine demonstrative Vertraulichkeit zwischen erkennendem Gericht und sachbearbeitenden Staatsanwälten jedenfalls bedenklich erscheint; weil sie den (gelegentlich zutreffenden) Eindruck nahelegt, es gehe im Verfahren um eine Gegenüberstellung von „Wir gegen sie“. Begünstigt werden kann das durch eine Justizorganisation, in welcher – wie z.B. in Bayern – die beruflichen Biografien durch regelmäßigen Wechsel zwischen Gericht und Staatsanwaltschaft verwoben sind.

Im Übrigen gilt das Vorstehende auch für das Gericht selbst: Eine ganze Strafkammer (einschließlich Schöffen und Ergänzungsschöffen), die sich in der Hauptverhandlung penetrant duzt („Lies' Du mal weiter, Roland!“), erzeugt den Eindruck einer Versammlung von Kumpels, nicht von neutralen und unvoreingenommenen Richtern.

Objektiver Blickwinkel oder kollegiale Solidarität

Abgelehnt werden kann ein Richter nur vor der Entscheidung, die er zu fällen hat. Eine nachträgliche Ablehnung ist unzulässig. Auch die Revision kann nicht auf die Rüge gestützt werden, ein Richter, gegen den kein Ablehnungsgesuch gestellt wurde, sei „in Wahrheit“ befangen gewesen.

Die „wahre“, innere Befangenheit ist sowieso nicht zu beweisen; sie kann durch „Pokerface“, durch betonte Freundlichkeit oder auch durch schlichte Vermeidung von Angriffspunkten leicht verschleiert werden und fällt in den persönlichen, moralischen Zuständigkeitsbereich jedes Richters. Über § 24 Abs. 2 StPO können nur Fälle erfasst werden, in denen Handlungen oder Äußerungen eines Richters äußere Anhaltspunkte erkennen lassen.

Über ein (nicht offensichtlich unzulässiges) Ablehnungsgesuch entscheidet der jeweilige Spruchkörper ohne den abgelehnten Richter, statt seiner wirkt ein Vertreter mit. Das führt ziemlich häufig zu recht diffizilen Abwägungen zwischen „objektivem Blickwinkel“ und kollegialer Solidarität. Wer bescheinigt schon gern dem oder der Vorsitzenden der eigenen Kammer, der sich „nicht befangen fühlt“, dass er grob danebengelangt und die Besorgnis der Befangenheit begründet hat? An so etwas zerbrechen auch einmal jahrelange Freundschaften. Außerdem ist die Ansicht verbreitet, Befangenheitsanträge (der Verteidigung) dienten meist sowieso nur zur Stimmungsmache und Verfahrensobstruktion. Das kann im Einzelfall stimmen, muss aber nicht.

Dienstliche Erklärung nur über Tatsachen

Aus dem Verfahren über ein Befangenheitsgesuch hat sich der abgelehnte Richter herauszuhalten, von der Pflicht zur dienstlichen Erklärung über die Tatsachen (!) abgesehen. Erklärungen, wie sie im Traunsteiner Fall abgegeben wurden, verstärken, wie der BGH ausgeführt hat, noch den Eindruck, der Sache nicht mehr unvoreingenommen gegenüberzustehen. Man muss gerade auch als Richter lernen, die eigene Beleidigtheit über die Behauptung zu ertragen, man sei nicht der allergrößte und habe einen (schweren) Fehler gemacht.

Auch gegenüber dem abgelehnten Richter gilt übrigens das Beratungsgeheimnis derjenigen, die ohne ihn über das Ablehnungsgesuch entscheiden. Wie die Beratung und Abstimmung darüber verlaufen ist, geht ihn nichts an; er muss mit der Entscheidung leben.

Antworten, im Ergebnis

1) Die Feststellung richterlicher Befangenheit richtet sich nicht nach der Selbsteinschätzung der Richter, sondern nach dem objektiven Blickwinkel eines vernünftigen Verfahrensbeteiligten in der Position dessen, der ein Befangenheitsgesuch stellt.

2) Abgelehnte Richter müssen sich zu den im Befangenheitsgesuch genannten Tatsachen dienstlich äußern. Erklärungen über ihren guten Willen oder ihr „Gefühl“ oder gar Spekulationen über die Motive des Gesuchs sind nicht nur überflüssig, sondern verfehlt; sie können neue Ablehnungsgründe offenbaren.

3) Ablehnungsgesuche und Befangenheitsrügen können eine allein innerliche Befangenheit eines Richters nicht beweisen. Es geht um die vernünftige „Besorgnis“ der Befangenheit, welche sich auf konkrete Handlungen eines Richters bezieht.

4) Kumpelhaftes Zusammenwirken von Richtern mit Staatsanwälten (oder auch mit Verteidigern) ist zu vermeiden. Kommunikation über sachliche und formelle Verfahrensfragen ist verfahrensoffen und transparent zu gestalten. Das Anlegen von geheimen „Nebenakten“ begründet regelmäßig die Besorgnis der Befangenheit (Schönes Beispiel Beschl. des LG Bonn v. 22.02.2023, Az. 63 KLs-213 Js 15/22-1/22).

Legal Tribune online (LTO) am 29.04.2025
https://www.lto.de/recht/meinung/m/frag ... rafprozess

In voller Länge hier:
https://www.lto.de/recht/meinung/m/frag ... rafprozess


Bntzrnm hat geschrieben: Mittwoch, 30. April 2025, 14:36:14 Ein recht bekannter, ehemaliger BGH-Richter, traut seinen Kollegen so einiges zu und vor allem nicht über den Weg … Zwei Schmankerl aus seinem gelungenen Beitrag zum Fall: …
Du warst schneller! ;-)

Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

von Bntzrnm » Mittwoch, 30. April 2025, 14:36:14

Lento hat geschrieben: Mittwoch, 30. April 2025, 00:26:16 So wenig Lebenserfahrung hätte ich nie einem Gericht zugetraut. Man muss bedenken, das schriftliche Urteil haben 3! Berufsrichter verfasst und keinem ist das aufgefallen!
Ein recht bekannter, ehemaliger BGH-Richter, traut seinen Kollegen so einiges zu und vor allem nicht über den Weg ...


Zwei Schmankerl aus seinem gelungenen Beitrag zum Fall:
Richter sind keine Übermenschen. Sie haben Prägungen, Erfahrungen, Vorurteile, Neigungen und Gefühle wie alle anderen Menschen auch. Sie sind allerdings aufgrund Ausbildung und beruflicher Sozialisation vielfach von der "Palmström"-Überzeugung durchdrungen, dass nicht sein könne, was nicht sein darf: Wenn im Gesetz steht, der Richter müsse unabhängig und unparteilich sein oder dies oder jenes können, dann verstehen bedauerlich viele das weniger als ständige Aufgabe denn als Zustandsbeschreibung mit Garantiecharakter.
...
Man muss gerade auch als Richter lernen, die eigene Beleidigtheit über die Behauptung zu ertragen, man sei nicht der allergrößte und habe einen (schweren) Fehler gemacht.
https://www.lto.de/recht/meinung/m/frag ... rafprozess

Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

von Catch22 » Mittwoch, 30. April 2025, 00:38:29

Fränkin hat geschrieben: Mittwoch, 30. April 2025, 00:04:37 Ein grober Vergleich zeigt, dass die Überschrift und der Text unter der Überschrift geändert wurde. Zudem wurde ein Hinweis unter dem Kommentar ergänzt. …
Danke für die Recherche!

Vorurteilt hat geschrieben: Dienstag, 29. April 2025, 22:37:39 Anscheinend sogar noch seltener, weil der Duden hier Kleinschreibung empfiehlt:
https://www.duden.de/rechtschreibung/Unrecht
Du hast recht. In dem von der SZ verwendeten Satzbau erlaubt der Duden sowohl Klein- als auch Großschreibung von „unrecht“. Empfohlen wird Kleinschreibung. Nur mit vorangestelltem Artikel ist Großschreibung obligatorisch. Das hatte ich übersehen. Bitte entschuldigt meinen Fehler.

Spoiler – hier klicken!
„unrecht“ oder „Unrecht“?

Kleinschreibung:
• …
• ihr habt unrecht oder Unrecht daran getan
• …
jemandem unrecht oder Unrecht geben, tun

Großschreibung:
• …
jemandem ein Unrecht [an]tun


https://www.duden.de/rechtschreibung/Unrecht


Vorurteilt hat geschrieben: Dienstag, 29. April 2025, 22:37:39 … Ich denke, es hat sich jemand sehr nachdrücklich über die vielleicht nicht 100% korrekte Aussage zur Befangenheit beschwert. …
Das denke ich auch.

Vorurteilt hat geschrieben: Dienstag, 29. April 2025, 22:37:39 … Um keinen Ärger heraufzubeschwören für Stellen, bei denen es sich nicht lohnt, wird sowas dann geändert.
Welche „Stellen, bei denen es sich nicht lohnt“, meinst Du? Auf eine Beschwerde hin von Zenzi Ratschkathl oder Seppi Gschaftlhuber wird ein Blatt wie die SZ nicht bereitwillig den Wesensgehalt einer Publikation aufgeben.

Sollte sich eine Richterin, ein LG-Präsidium oder ein Ministerialer aus München beklagt haben, würde ich es als Chefredakteur auf ein zivilgerichtliches Verfahren vor dem LG München I ankommen lassen.

Etwaige Ansprüche auf
• Gegendarstellung,
• Unterlassung und
• Schadenersatz
dürften für die Klägerseite im Fall dieses SZ-Kommentars angesichts der Ausführungen des BGH nur äußerst geringe Erfolgsaussichten bieten – dafür aber die riesige Gefahr einer öffentlichen Verhandlung mit der Presse aus dem ganzen Bundesgebiet in der ersten Reihe. Auch deshalb wäre für eine(n) verständige(n), potentielle(n) Kläger(in) Schweigen Gold.

Zum Vergleich ein wahres, geflügeltes Wort aus dem Hörfunk-Journalismus: „Das versendet sich!“ Weg isses, vor allem aus den Köpfen der Hörer – und töricht wäre es, so etwas im Nachhinein an die große Glocke zu hängen.


@Vorurteilt
Kennst Du schon die Zitierfunktion? Gemeint ist das Icon mit dem Anführungszeichen rechts in der Kopfleiste eines jeden Beitrags. Damit lassen sich Beiträge einschließlich einer automatischen Verlinkung dorthin leicht in das eigene Posting einbetten.

Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

von Lento » Mittwoch, 30. April 2025, 00:26:16

Vorurteilt hat geschrieben: Dienstag, 29. April 2025, 22:37:39Ich denke, es hat sich jemand sehr nachdrücklich über die vielleicht nicht 100% korrekte Aussage zur Befangenheit beschwert. Um keinen Ärger heraufzubeschwören für Stellen, bei denen es sich nicht lohnt,, wird sowas dann geändert.
Ich denke, dass Du das Recht haben wirst. Aus welcher Ecke Bayerns diese "Anregung" zur Änderung kam, ist wahrscheinlich leicht auszumachen. Und ist finde es auch erstmal grundsätzlich egal, der Artikel wurde von den meisten sicher zeitnah gelesen, Dass der geändert wurde, das spielt dann kaum eine Rolle, insofern – um Ärger zu entgehen – kann man das dann auch verstehen.
Klar ist die Änderung dann wieder zu weit gegangen, statt möglich hätte man besser wahrscheinlich nehmen sollen.

Aber das zeigt nur, wie nervös die dortige Justiz aktuell ist. Aus meiner Sicht deutet darauf auch die rasche Entfernung des Urteils kurz nach dessen Veröffentlichung hin.


Wenn man es gewissenhaft liest, hinterlässt das Urteil doch einen schweren Makel auf Bayrischen Justiz. Ich denke, die dafür zuständigen Stellen werden schon gewusst haben, dass die Veröffentlichung kritisch ist.

Schon für einen rechtlichen Laien mit etwas Kritikfähigkeit ist das Urteil in seiner Naivität erschreckend (ich denke da insbesondere an die Beweiswürdigung des notorischen Lügners). So wenig Lebenserfahrung hätte ich nie einem Gericht zugetraut. Man muss bedenken, das schriftliche Urteil haben 3! Berufsrichter verfasst und keinem ist das aufgefallen!


Insgesamt ist da mittlerweile viels seltsam, auch der BGH-Beschluss, nachdem der BGH nicht erkannt haben will, dass die Kammer 1 den Befangenheitsantrag abgelehnt hat. Da muss man sich schon ordentlich Mühe geben, das zu überlesen.

Ich glaube, man will dieses Urteil so rasch wie möglich vergessen.

Von mir aus, in der Hoffnung, dass man bei der Haftbeschwerde nun auch eine vernünftige Abwägung durchführt und erkennt, dass eine weitere U-Haft unverhältnismäßig wäre. Das Verfahren liefe dann auch mit geringerem Zeitdruck ab, sodass man dann der Frage Unfall/Tötungsdelikt besser auf die Spur kommen könnte.

Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

von Fränkin » Mittwoch, 30. April 2025, 00:04:37

Catch22 hat geschrieben: Dienstag, 29. April 2025, 19:33:31 Kann vielleicht jemand mit SZ-Abo helfen und die beiden Fassungen in Gänze vergleichen?
Ein grober Vergleich zeigt, dass die Überschrift und der Text unter der Überschrift geändert wurde.
Zudem wurde ein Hinweis unter dem Kommentar ergänzt.

Hier die angesprochenen Ausschnitte in dem geänderten Kommentar:

Zitat:
"Im Fall Hanna Wörndl hat das Gericht vielen Menschen unrecht getan

Der Bundesgerichtshof hebt das Urteil gegen den Angeklagten Sebastian T. auf. Bei der Vorsitzenden Richterin hält er Befangenheit für möglich. Zu Recht.

Hinweis: In einer früheren Fassung hieß es, der BGH habe die Vorsitzende Richterin für befangen erklärt. Er stellte aber nur die Besorgnis der Befangenheit fest. Dies ist nun korrigiert."

Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

von Vorurteilt » Dienstag, 29. April 2025, 22:37:39

Code: Alles auswählen

 Denn derartige Fehler finden sich in diesem Blatt mit germanistisch qualifiziertem Korrektorat fast nur alle Schaltjahre.
Anscheinend sogar noch seltener, weil der Duden hier Kleinschreibung empfiehlt:
https://www.duden.de/rechtschreibung/Unrecht
Insofern ist der Ruf der Süddeutschen wiederhergestellt.

Ich denke, es hat sich jemand sehr nachdrücklich über die vielleicht nicht 100% korrekte Aussage zur Befangenheit beschwert. Um keinen Ärger heraufzubeschwören für Stellen, bei denen es sich nicht lohnt,, wird sowas dann geändert.

Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

von Catch22 » Dienstag, 29. April 2025, 19:33:31

SZ-Kommentar entschärft – auf Druck von außen?

Am 17.04.2025 kommentierte Benedikt Warmbrunn für die Süddeutsche Zeitung (SZ) die Aufhebung des Urteils. Die Headline lautete:
Im Fall Hanna … [W.] hat das Gericht unrecht getan
Mindestens fünf Tage später ergänzte die SZ ihre Headline um zwei Wörter, die durch Relativierung aus einer Bombe einen Knallfrosch machen:
Im Fall Hanna … [W.] hat das Gericht vielen Menschen unrecht getan
Auch der Text des Vorspanns wurde entschärft. In der ursprünglichen Fassung hieß es noch:
Der Bundesgerichtshof hebt das Urteil gegen den Angeklagten Sebastian T. auf. Der Vorsitzenden Richterin wirft er Befangenheit vor. Zu Recht.
Später dann:
Der Bundesgerichtshof hebt das Urteil gegen den Angeklagten Sebastian T. auf. Bei der Vorsitzenden Richterin hält er Befangenheit für möglich. Zu Recht.
Übrigens: Die ursprüngliche Fassung wäre wohl gedeckt gewesen durch Rdnr. 14 des BGH-Beschlusses, demzufolge Aßbichlers unaufgefordertes Meckerschreiben vom 11.08.2024 an den BGH-Senat „ebenfalls ein Fehlen der gebotenen richterlichen Distanz erkennen lässt“ (siehe hier im Spoiler). Damit stellt der BGH implizit eine tatsächlich gegebene Befangenheit fest, was weit über eine bloße Besorgnis derer hinausreicht und die SZ zu ihrer ursprünglichen Aussage berechtigt hatte.


Am 17.04.2025 um 16.30 Uhr war der Kommentar auf Süddeutsche.de (hinter einer Paywall) erschienen. Um 17.05 Uhr desselben Tages wurde der Artikel vom Crawler des Archivierungs-Portals Archive.ph gefunden und im Volltext (ohne Paywall) gespeichert.

Als ich am 22.04.2025 um 18.54 Uhr – also mehr als fünf Tage später! – den SZ-Kommentar hier ins Forum stellte, waren die Headlines und Vorspanntexte auf Archive.ph und auf Süddeutsche.de identisch. Zu diesem Zeitpunkt existierte der Artikel also noch immer in seiner ursprünglichen Fassung. (Lediglich das Foto war ausgetauscht worden, die Bildunterschrift blieb unverändert.)

Das bedeutet, dass die Headline und der Vorspann mehr als fünf Tage nach Erscheinen angepasst worden sein mussten. Auffällig dabei: Der unschön ins Auge stechende Rechtschreibfehler in der Headline (falsche Kleinschreibung von „unrecht“) wurde nicht berichtigt!

Ob noch weitere Passagen des Kommentars geändert wurden, weiß ich nicht. Ich blicke nicht auf die vollständige aktuelle Fassung, die sich hinter einer Paywall verbirgt. Eine aktuellere Version auf Archive.ph gibt es anscheinend nicht. Kann vielleicht jemand mit SZ-Abo helfen und die beiden Fassungen in Gänze vergleichen?


Die von Archive.ph am 17.04.2025 gespeicherte Originalfassung:
https://archive.ph/20250417170504/https ... li.3238118

Die aktuelle Fassung auf Süddeutsche.de:
https://www.sueddeutsche.de/meinung/han ... li.3238118


Wenn der Autor oder die Redaktion der SZ die Änderungen aus eigenem Antrieb vorgenommen hätten, wäre höchstwahrscheinlich auch der peinliche Schreibfehler entdeckt und ausgemerzt worden. Denn derartige Fehler finden sich in diesem Blatt mit germanistisch qualifiziertem Korrektorat fast nur alle Schaltjahre.

Zudem fällt der lange Zeitraum auf, der bis zu den sinnverzerrenden Änderungen verstrichen war. Welcher Redakteur sollte sich nach mehr als fünf Tagen noch dafür erwärmt haben? Es gibt nichts älteres als eine Zeitung von gestern!

Deshalb stelle ich mir die Frage: Was – oder wer – lieferte die Motivation zur Entschärfung der Bombe? Gab es Druck von außen? Welcher getroffene Knallfrosch plustert sich so gigantisch auf, dass der Süddeutsche Verlag erschrickt?

Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

von Catch22 » Montag, 28. April 2025, 18:44:02

Haropa hat geschrieben: Mittwoch, 23. April 2025, 17:23:13 … Das alles gibt mir Hoffnung, dass nicht alle … voreingenommen und voller Hass sind oder blind der Presse (wie der Bild) glauben …
Als größter Multiplikator einer Vorverurteilung und als Motor des Hasses lief das Oberbayerische Volksblatt (OVB) der Bild-Zeitung den Rang ab. Einer Stalinorgel gleich, schoss die lokale Krawallgazette aus allen Rohren ihrer „24“er-Online-Derivate Dreck unters Volk: einseitig, kritiklos, populistisch – wie's präpotente Stammtischpolterer goutieren. Nicht nur schnödes Clickbaiting, sondern bewusste Brandstiftung!

Den „Justiz-Hammer“ nunmehr in dem Beschluss des BGH zu wähnen, anstatt den Hammer im heimischen Traunstein beim Namen zu nennen, schießt den Vogel ab:

Spoiler – hier klicken!
Catch22 hat geschrieben: Sonntag, 26. Januar 2025, 00:20:45 … Spannend wird werden, wie die lokale Stammtischpresse den Dampfplauderern die zu erwartende BGH-Entscheidung erklären wird: als invasorische Unterminierung der königlich-bayerischen Autokratie, als preußische Besserwisserei – oder schlicht als irreparable Justizpanne des BGH? Die „Traunsteiner Rechtsauffassung“ als grundlegend falsch zu brandmarken, wäre Hochverrat! …

Haropa hat geschrieben: Mittwoch, 23. April 2025, 17:23:13 … Erschreckend die Kommentare unter vielen Presseartikeln und von einigen Foristen (besonders bei allesMist). …
Ein Spiegel unserer Gesellschaft. Die Aufmerksamkeitsspanne reicht oft noch nicht einmal vom Anfang eines Satzes bis zu dessen Ende. Wie sollen solche Menschen komplexe Sachverhalte erfassen, verstehen und bewerten können? Geordnete Gedanken fördern auch eine geordnete Sprache zu Tage. Unbeholfenes Gestammel als Ausdruck einer wirren Gedankenwelt hingegen gleicht animalischem Gegrunze. Das heutige Mittelalter ist stockfinster!

Haropa hat geschrieben: Mittwoch, 23. April 2025, 17:23:13 … Eine Ausnahme sind evtl. die Angehörigen von H[anna], weil ich es irgendwo nachvollziehen kann, dass die nicht so tief in den Fall eindringen wollen/können. …
Nicht nachvollziehbar ist die Ergebenheit der Familie W. gegenüber dem Nebenklagevertreter Holderle. Über Irrungen juristischer Laien in den Fängen eines anwaltlichen Wirtschaftsbetriebs (aus einem Beitrag vom 24.02.2024):

Spoiler – hier klicken!
Catch22 hat geschrieben: Samstag, 24. Februar 2024, 00:04:54 … Wir wissen nicht, welches Narrativ RA Holderle seiner Mandantschaft gegenüber bedient, um sie bei der Stange zu halten. Sicher scheint nur, dass er sich … auf lautestmögliches Gackern verlegt, … [um] seine Mandanten von seiner Kompetenz [zu] überzeugen. … Womöglich hatte er das Verfahren … zu Anfang als „g'mahde Wiesn“ verkauft und die Familie hatte sich allzu leichtfertig darauf eingelassen. …


Trauerarbeit der Familie?

Mutter, Vater und Bruder leben seit … Jahren in einem Ausnahmezustand, an dessen Schrecken sich seit der Todesnachricht nichts verändert hat. Ein Standbild aus Schock und Verzweiflung. Trauerarbeit war und ist kaum möglich, solange … keine Aufklärung vorliegt …

Ein RA hätte der Familie raten können, sich nicht den seelischen Strapazen einer Nebenklage auszuliefern, sondern an einem stillen Rückzugsort Ruhe zu finden, um in aktiver Trauer einen Weg in die Zukunft beginnen zu können – fernab des die Seele blockierenden Medienrummels rund um einen aufreibenden Strafprozess. Doch damit verdient ein Fachanwalt für Strafrecht kein Geld. RA Holderle aber ist auch Fachanwalt für Familienrecht. Ob er denn weiß, dass die besten RAe sich nur höchst selten bei Gericht zeigen, weil sie sich darauf verstehen, Konflikte zu vermeiden oder sie außergerichtlich zu lösen? Damit steht man dann allerdings nicht in der Zeitung. …

Über Jahre hinweg verbreitete das OVB die Co­mé­die lar­mo­y­ante der PR-Schleuder Holderle. Das nicht minder bedauernswerte Schicksal der Familie T. und eines mutmaßlich unschuldig Angeklagten interessierte nicht die Bohne!
Catch22 hat geschrieben: Mittwoch, 18. September 2024, 18:37:52 … Hannas Familie wird und kann nicht erspart bleiben, sich auch mit der Unfalltheorie näher zu befassen. …

Haropa hat geschrieben: Mittwoch, 23. April 2025, 17:23:13 Vielen Dank für deine ganzen Mühen!! Und ich bin wirklich froh, dass es Leute wie dich, Leute von der SZ, Zeit, Frau Rick etc. gibt. …
Hass und Hetze verdienen Kontra. Dummheit ebenso. Und RAin Rick wird abermals ihren Platz finden in den großen seriösen Medienformaten unserer Zeit. Holderle nicht.

Ein chinesisches Sprichwort: Wer lange genug am Fluss steht, wird eines Tages seine Feinde [tot] vorbeischwimmen sehen.

Haropa hat geschrieben: Mittwoch, 23. April 2025, 17:23:13 … Ich werd auch bei dem neuen Prozess neutral berichten …
Das klingt wie ein Versprechen. Gilt das für alle Sitzungstage? Auf Deine detaillierten und faktenreichen Berichte freue ich mich schon jetzt!

Haropa hat geschrieben: Mittwoch, 23. April 2025, 17:23:13 … im Zweifel für den Angeklagten, Punkt.
Darauf könnte es hinauslaufen. Möglicherweise aber gelingt es RAin Rick, ein Unfallgeschehen durch neue Beweismittel derartig solide zu untermauern, dass die Zweifel an Sebastians Täterschaft ins Unendliche wachsen und ein Freispruch aus (fast) erwiesener Unschuld ins Haus steht.

Aus dem fiktiven Programmheft:

• Rechtsmediziner Püschel,
• Computersimulation(en),
• Konfliktbefragung des JVA-Zeugen,
• Glaubwürdigkeitsgutachten,
• Konfliktbefragungen und IT-Forensik zum Tischtennisspiel,
• IT-Forensik zum Notfallkontakt und zur Akku-Temperatur,
• „Tatort“ weiter südlich,
• zu enges Zeitfenster für die „Tat“,
• Alibi.

Lang ist das Sündenregister der beiden Provinzstars, die sich zum Wohlgefallen einer befangenen Vorsitzenden um ihre Anwaltspflichten drückten, um nicht von der Casting-Liste für Pflichtverteidiger zu fliegen (manus manum lavat):

• keine Haftprüfung trotz lückenhafter Ermittlungen,
• keine Einwände gegen Anklageerhebung und Eröffnung des Hauptverfahrens,
• keine IT-basierte Prüfung der Aussage der Zeugin Verena R.,
• Verzicht auf Konfliktbefragung der Zeugin Verena R.,
• keine Atomisierung der Aussage des JVA-Zeugen,
• unzureichende Aktenkenntnis,
• konfliktscheue Distanzierung vom Befangenheitsantrag ihrer Motivationstrainerin.

Es kann nur besser werden.

Was bleiben wird, ist der Schaden eines unschuldig Angeklagten, dessen finanzieller Ruin, eine versaute Ausbildung und zeit seines Lebens ein Spießrutenlauf durch ein Dorf und eine Region, wo Hasser und Hetzer weiterhin ihr Werk verrichten werden. In dubio pro reo zählt in deren Welt nicht.

Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

von Iven » Freitag, 25. April 2025, 09:38:27

Off Topic


Betreff: Vermissten- bzw. eigentlich Mordfall Sybille Lars (nähere Infos zu diesem Fall, siehe hier)

Liebe Mitglieder und Gäste,

Herr Dennis Krückemeyer (Sohn von Sybille Lars), meine Kollegen und ich möchten gerne zusammen mit einer Leichenspürhund-Staffel aus dem Saarland nach den sterblichen Überresten von Sybille Lars suchen. Da Herrn Krückemeyer, der den tiefen Wunsch hat, seine Mutter zu finden und anständig zu beerdigen, das Geld für die Auslagen (Hotel- u. Spritkosten etc.) der ehrenamtlich arbeitenden LSH-Staffel leider nicht zur Verfügung steht, hat er dafür ein Crowdfunding eingerichtet und am 18. März 2025 gestartet.

Somit bitten wir Euch hiermit um eine Spende auf der nachstehend verlinkten GoFundMe-Seite.

https://gofund.me/390b4291

Bitte unterstützt uns, unser Vorhaben in die Tat umzusetzen und Herr Krückemeyer somit eine Chance erhält, seine Mutter zu finden und anständig zu beerdigen. Wir wären für jede noch so kleine Spende (ab 1 Euro) sehr dankbar.

Wir danken Euch herzlichst im Voraus!

Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

von Lento » Donnerstag, 24. April 2025, 10:52:58

andi55 hat geschrieben: Donnerstag, 24. April 2025, 09:50:27 Wie gesagt, vielleicht interpretiere ich da zu viel hinein.
Ich glaube nicht. Nach einer solchen Tat ist es sehr wahrscheinlich, dass man sein Surf-Verhalten in irgendeiner Form ändern. Allein die Neugierde, wann der Leichnam entdeckt wird, treibt einen dazu, die Medien häufiger aufzurufen. Wenn das ausbleibt, dann deutet das eher auf die Unschuld des Joggers hin. Klar, wenn man es sicher anderweitig nachweisen könnte, dann kann man leider immer sagen, dass er so gerissen war, dass er diesem Bedürfnis nicht nachgab. Aber solche Behauptungen sind da eher lebensfremd, möglicherweise hat man in Wirklichkeit den falschen im Visier. Aber leider Ticken manche Richter anders und sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht. Das sie bei dem Fehlen dieser Hinweise kritischer den Fall betrachten, dürfte eher selten sein.

Das Phänomen ist auch schon seit Jahrzehnten bekannt, man hat genügend wissenschaftliche Erkenntnisse darüber.

Folgender Artikel zeigt die Problematik auf:

https://strafverteidigertag.de/wp-conte ... er-Uhe.pdf

Man sieht hier, wie mangelhaft unsere StPO an die Psychologie des Menschen angepasst ist. Diese wird genaugenommen ignoriert, man glaubt einfach, dass Richter Kraft ihres Amtes diesbzgl. immun sind, welch eine Illusion. Man kann daher befürchten, dass dieser Fall nur die Spitze des Eisbergs zeigt.

Ich finde auch der Abschnitt 8 des folgenden Artikels gibt das gut wieder.
https://www.rudolph-recht.de/befangenh ... befassung/

Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

von andi55 » Donnerstag, 24. April 2025, 09:50:27

Mich beschäftigt etwas, wovon ich gerade selber nicht weiß ob dem Bedeutung beizumessen ist. Man möchte doch meinen, dass ein Täter nach so einer Tat sich Gedanken darüber macht, aufzufliegen. Selbst wenn man es verdrängt, unterschwellig hat man doch Angst vor Entdeckung.
Soweit bekannt ist, gab es auf dem Handy von Sebastian keinerlei Suchanfragen wie z.B. der Begriff "DNA", oder "Spuren Kleidung", "Täter Kamera", oder, oder .... ( was würde denn so ein 20-jähriger googeln, wenn er abchecken möchte, ob er Gefahr läuft überführt zu werden ?) Aber irgendetwas in der Richtung wurde ja anscheinend nicht gefunden auf dem Handy. Schlußfolgerung für mich: das war für ihn ihn überhaupt kein Thema, er war es ja nicht. Noch nicht mal nach dem Besuch bei der Polizei hat er sich anscheinend damit beschäftigt.
Wie gesagt, vielleicht interpretiere ich da zu viel hinein.

Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

von Haropa » Mittwoch, 23. April 2025, 17:23:13

Catch22 hat geschrieben: Dienstag, 22. April 2025, 18:54:15 SZ: Das Landgericht hat Unrecht getan

Für die Süddeutsche Zeitung kommentiert Benedikt Warmbrunn die Aufhebung des Traunsteiner Urteils durch den BGH.

► Schaden durch Vorsitzende Aßbichler
► bis jetzt schon 2½ Jahre U-Haft
► Gewissheit nur vorgetäuscht
► für immer ein Rätsel?

Der Artikel in voller Länge:
https://archive.ph/newest/https://www.s ... li.3238118
Vielen Dank für deine ganzen Mühen!! Und ich bin wirklich froh, dass es Leute wie dich, Leute von der SZ, Zeit, Frau Rick etc. gibt.
Eigentlich ist es so offensichtlich. Jeder der bei den Verhandlungen dabei war und den Fall (nicht nur aus den Medien) richtig verfolgt hat, hätte genau das erkennen müssen, was in dem Artikel steht. Haben übrigens Gottseidank auch viele, hab mit vielen unbeteiligten Personen geredet vor Ort, die den Fall ebenfalls verfolgt haben und bei mehreren oder fast allen Verhandlungen dabei waren.
Auch dass der BGH einstimmig dem Beschluss zugestimmt hat. Das alles gibt mir Hoffnung, dass nicht alle auf der Welt voreingenommen und voller Hass sind oder blind der Presse (wie der Bild) glauben, was die alles von sich gibt. Erschreckend die Kommentare unter vielen Presseartikeln und von einigen Foristen (besonders bei allesMist). Eine Ausnahme sind evtl. die Angehörigen von H, weil ich es irgendwo nachvollziehen kann, dass die nicht so tief in den Fall eindringen wollen/können. Klar akzeptiere ich andere Meinungen, aber wirklich nachvollziehen kann ich diejenigen nicht, die felsenfest und ohne Zweifel überzeugt sind, dass ST der Täter war. Das ist immer noch meine Meinung und ich bin wirklich unvoreingenommen zu den ersten Verhandlungen gegangen. Ich werd auch bei dem neuen Prozess neutral berichten und lasse mich gerne umstimmen, wenn es Anlass dazu gibt, aber stand jetzt ist der gleiche wie vor und nach dem Urteil: im Zweifel für den Angeklagten, Punkt.

Re: MORDFALL HANNA W. (23 †), ASCHAU - CHIEMGAU, 2022

von Catch22 » Dienstag, 22. April 2025, 18:54:15

SZ: Das Landgericht hat Unrecht getan

Für die Süddeutsche Zeitung kommentiert Benedikt Warmbrunn die Aufhebung des Traunsteiner Urteils durch den BGH.

► Schaden durch Vorsitzende Aßbichler
► bis jetzt schon 2½ Jahre U-Haft
► Gewissheit nur vorgetäuscht
► für immer ein Rätsel?

Der Artikel in voller Länge:
https://archive.ph/newest/https://www.s ... li.3238118

Eine leicht gekürzte Fassung:

Spoiler – hier klicken!
Im Fall Hanna … [W.] hat das Gericht unrecht getan

Bild
Seit zweieinhalb Jahren in Haft: Sebastian T., hier mit seiner Anwältin Regina Rick. (Foto: Lennart Preiss)

Der Bundesgerichtshof hebt das Urteil gegen den Angeklagten Sebastian T. auf. Der Vorsitzenden Richterin wirft er Befangenheit vor. Zu Recht.

Diese zweieinhalb Jahre müssen quälend gewesen sein. Viel zu lange hat die bayerische Justiz versäumt aufzuklären, was in dieser Oktobernacht 2022 … passiert ist. Warum … Hanna … [W.] von ihrem 885 Meter langen Heimweg … abgekommen war. Warum sie am nächsten Nachmittag tot in der Prien geborgen wurde. Warum sie mehrere Wunden am Kopf hatte, warum beidseitig gebrochene Schulterdächer. Warum sie vor ihrem Tod den Notruf gewählt hatte. Manches wird vielleicht für immer ein Rätsel bleiben. Eines aber hätte das Landgericht Traunstein bereits im vergangenen Frühjahr feststellen können: dass nahezu nichts dafür spricht, dass es Sebastian T. war, der Hanna … [W.] ermordet hat.

Es gibt keinen Beweis, dass er der Täter ist, keine DNA-Spuren, keine Videoaufnahmen. Niemand hat gesehen, dass er sich der jungen Frau genähert hat. Niemand hat gesehen, dass er sich überhaupt in ihrer Nähe aufgehalten hat. Dennoch hatte ihn das Landgericht zu neun Jahren Haft wegen Mordes verurteilt, gestützt vor allem auf schlecht überprüfte Zeugenaussagen, die teilweise voller Widersprüche waren. Das passt zu dem, was der Bundesgerichtshof nun bemängelte: dass die Vorsitzende Richterin befangen war, dass sie den Prozess nicht hätte weiterführen dürfen. …

Den Hinterbliebenen ist Gewissheit vorgetäuscht worden

In den nächsten Monaten wird nun ein neues Verfahren starten … Sebastian T. bekommt noch einmal die Chance, dass Richter überprüfen, was genau gegen ihn vorliegt. Und sollten sie nicht einen ähnlichen Verurteilungseifer verspüren oder neue Beweise präsentiert bekommen, dann dürften sie auch über eine Möglichkeit nachdenken, die die bisherige Richterin früh verworfen hatte: einen Freispruch.

Doch auf den zweiten Blick zeigt sich, wie viel Schaden diese Richterin bereits angerichtet hat. Schon jetzt sitzt Sebastian T. zweieinhalb Jahre im Gefängnis. Und allen, die um Hanna … [W.] trauern, ist Gewissheit nur vorgetäuscht worden. Dass die womöglich aussichtslose Suche nach der Wahrheit nun weitergeht, auch das ist ein Versäumnis der Justiz.

Süddeutsche.de am 17.04.2025
https://www.sueddeutsche.de/meinung/han ... li.3238118

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