von Catch22 » Samstag, 03. Mai 2025, 22:21:12
Die Semantik des BGH-Beschlusses
Befangenheit oder nur Besorgnis derer?
In einem anderen Forum treibt ein hartleibig monomanes Unverständnis der BGH-Entscheidung ihr Unwesen, gefolgt von wilden Verurteilungsphantasien für einen angeblichen Sexualmörder. Abstoßend!
Nachstehendes Prüfungsschema sollte das Verständnis erleichtern:
►
Rdnr. 1–8 (insbes. ab Rdnr. 3)
Zunächst stellt der BGH den
Sachverhalt fest: Was ist passiert?
►
Rdnr. 9
Der nachfolgenden Begründung vorangestellt wird der
Tenor der Entscheidung mitsamt seiner Rechtsgrundlage (sog. Urteilsstil).
►
Rdnr. 10–11
Hier beginnt die eigentliche Begründung. Zuerst wird der Prüfungsmaßstab genannt: die
Definition von „Besorgnis der Befangenheit“ (unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BGH).
Anmerkung: Selbst wenn ein Richter am Stammtisch lange vor der Verurteilung bewiesenermaßen von „der Giftspritze für den Angeklagten“ gefaselt hätte (und deswegen eine Befangenheit unzweifelhaft und tatsächlich vorläge!), ist rechtlich allein das weniger schwerwiegende Tatbestandsmerkmal der „Besorgnis der Befangenheit“ entscheidungserheblich (§ 24 Abs. 2 StPO).
►
Rdnr. 12–13
Nun folgt die
Subsumtion des
Sachverhalts unter die rechtliche
Definition: Erfüllt das, was passiert ist, die rechtlichen Voraussetzungen einer „Besorgnis der Befangenheit“? Ergebnis: ja.
►
Rdnr. 14
Darüber hinaus ließ es sich der BGH nicht nehmen, gesondert auf die unaufgeforderte Stellungnahme Aßbichlers vom 11.08.2024 einzugehen,
„die ebenfalls ein Fehlen der gebotenen richterlichen Distanz erkennen lässt“. Die vom BGH gewählte Formulierung steht synonym für
tatsächlich vorliegende Befangenheit – nicht etwa nur für die bloße Besorgnis derer!
Bereits am 17.04.2025 traf @Lento des Pudels Kern:
Nunmehr mag einigen die Entscheidung des BGH vielleicht in einem helleren Licht erscheinen. Jenen sei die nochmalige Lektüre empfohlen.
Der BGH-Beschluss vom 01.04.2025 im Volltext:
https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi- ... =588&pos=7
… oder hier (mit Hervorhebungen und farbigen Anmerkungen wie oben, mit Randnummern, Rechtsnormen verlinkt):
Nach alledem noch von einem Lapsus, einfacher Fahrlässigkeit oder gar nur albern von einer Unachtsamkeit der Vorsitzenden Richterin zu phantasieren, verbietet sich. Der Traunsteiner „Justiz-Hammer“ kassierte aus Karlsruhe die größtmögliche Klatsche!
Verdacht der Rechtsbeugung?
Möglicherweise erwägt die Verteidigung längst eine Strafanzeige wegen des Verdachts der vorsätzlichen Rechtsbeugung (§
339 StGB) – namentlich vor dem Hintergrund der aus der Befangenheit resultierenden, gravierenden Mängel des Urteils.
Es wäre nicht die erste Strafanzeige dieser Art aus der Feder der Kanzlei
Schwenn. Des lieben Friedens willen wartet man aber wohl besser erst einmal die bevorstehende neue Hauptverhandlung und das nächste Urteil ab.
Eine Verurteilung wegen Rechtsbeugung wäre verheerend: Amtsverlust für Richter bzw. StA, Verlust der Pensionsansprüche, Nachversicherung in der maroden gesetzlichen Rentenversicherung. Back to reality.
Gesamtes Urteil von dem Mangel betroffen
Darüber hinaus anzunehmen, der BGH habe die Feststellungen und die Beweiswürdigung des LG-Urteils aus Traunstein fùr richtig befunden, nur weil er nicht auf die Sachrügen eingegangen war, zeugt von tiefsitzender Verbohrtheit und Ignoranz.
Die letzten Zweifler hätte Thomas Fischers Beitrag in der LTO überzeugen müssen (siehe
hier), hinreichend eigene Erkenntniskraft vorausgesetzt. Das aber klappte anscheinend nicht.
Beispiel: Ein Täter verabreicht seinem Opfer gleichzeitig und in jeweils tödlicher Dosis
► Zyankali,
► Arsen,
► Cumarin (Rattengift),
► E 605 und
► ein Ragout giftiger Pilze.
Wenige Augenblicke später ist das Opfer tot. Fragestellung:
► Ist das Opfer tot? Ja.
► Warum? Zyankali.
Alle anderen Gifte spielen keine Rolle, weil Zyankali das am schnellsten wirksame und ein mit Sicherheit tödliches Gift war. Auch ohne Verabreichung der anderen Giftstoffe wäre der Tod durch Zyankali umgehend eingetreten. Die anderen Giftstoffe sind also faktisch irrelevant (und nur von theoretischem Interesse – was jedoch deren tödliche Giftigkeit weder beseitigen noch beschönigen kann).
Ebenso behandelte der BGH die Frage, weshalb das Urteil des LG Traunstein „tot“ (also aufzuheben) ist.
Ein sogenannter
absoluter Revisionsgrund (wie z. B. die „Besorgnis der Befangenheit“, §
338 Nr. 3 StPO) ist der höchste Trumpf, der umgehend das gesamte Urteil „zu Tode“ bringt. Weitere Revisionsrügen (also die Sachrügen) zu prüfen und sie als begründet oder unbegründet zu erachten, ist dem Revisionsgericht (hier: dem BGH) zwar nicht verboten, aber entbehrlich.
Vielmehr wird bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes gesetzlich vermutet, dass das aufzuhebende Urteil in Gänze falsch ist und damit „tot“ sein
muss.
Neubeginn
Genau deshalb wurde das
gesamte Traunsteiner Urteil aufgehoben:
► alle Feststellungen zum Sachverhalt,
► die gesamte Beweiswürdigung,
► die rechtliche Würdigung und
► das Strafmaß.
Das gesamte Verfahren steht damit wieder am Anfang und selbstverständlich gilt weiterhin die Unschuldsvermutung. Wer weiß, welche überraschenden Erkenntnisse die neue Beweisaufnahme zu Tage fördern wird – unter der gebotenen Distzanz unbefangener Richter.
Den alten Narrativen einer befangenen Vorsitzenden Richterin, eines übereifrig karrierebewussten (O)StAs und eines zusehends in Erklärungsnot geratenden Nebenklagevertreters weiterhin blind zu folgen, bedeutet, sich selbst zum Opfer der eigenen Einfalt und der nun immerhin enttarnten Vorverurteilung zu machen.
Mit einer kleinen Einschränkung bringt es der erfahrene Strafverteidiger Johann Schwenn auf den Punkt:
Stellvertretend für das tote Opfer wurde die Inszenierung im Fall Hanna von der Polizei (EKHK Diana U.!?), der StA und dem Nebenklageverteter Holderle betrieben, denen eine befangene Vorsitzende und halbseidene Medien kritiklos folgten, die beiden Pflichtverteidiger nicht ganz ausgenommen.
Fanatische Verurteilungsphantasien gehören in den Giftschrank, Verurteilungswahn zum Psychiater. Den Urhebern sollte ein innovatives Freizeitprogramm fürs Wochenende angeboten werden:
„Unschuldig im Knast – hurra!“
Die Semantik des BGH-Beschlusses
[size=115][u][b]Befangenheit oder nur Besorgnis derer?[/b][/u][/size]
In einem anderen Forum treibt ein hartleibig monomanes Unverständnis der BGH-Entscheidung ihr Unwesen, gefolgt von wilden Verurteilungsphantasien für einen angeblichen Sexualmörder. Abstoßend!
Nachstehendes Prüfungsschema sollte das Verständnis erleichtern:
► [u]Rdnr. 1–8 (insbes. ab Rdnr. 3)[/u]
Zunächst stellt der BGH den [b]Sachverhalt[/b] fest: Was ist passiert?
► [u]Rdnr. 9[/u]
Der nachfolgenden Begründung vorangestellt wird der [b]Tenor der Entscheidung[/b] mitsamt seiner Rechtsgrundlage (sog. Urteilsstil).
► [u]Rdnr. 10–11[/u]
Hier beginnt die eigentliche Begründung. Zuerst wird der Prüfungsmaßstab genannt: die [b]Definition von „Besorgnis der Befangenheit“[/b] (unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BGH).
[size=85]Anmerkung: Selbst wenn ein Richter am Stammtisch lange vor der Verurteilung bewiesenermaßen von „der Giftspritze für den Angeklagten“ gefaselt hätte (und deswegen eine Befangenheit unzweifelhaft und tatsächlich vorläge!), ist rechtlich allein das weniger schwerwiegende Tatbestandsmerkmal der „Besorgnis der Befangenheit“ entscheidungserheblich (§ [url=https://dejure.org/gesetze/StPO/24.html]24[/url] Abs. 2 StPO).[/size]
► [u]Rdnr. 12–13[/u]
Nun folgt die [b]Subsumtion[/b] des [b]Sachverhalts[/b] unter die rechtliche [b]Definition:[/b] Erfüllt das, was passiert ist, die rechtlichen Voraussetzungen einer „Besorgnis der Befangenheit“? Ergebnis: ja.
► [u]Rdnr. 14[/u]
[u][b]Darüber hinaus[/b][/u] ließ es sich der BGH nicht nehmen, gesondert auf die unaufgeforderte Stellungnahme Aßbichlers vom 11.08.2024 einzugehen, [b]„die ebenfalls ein Fehlen der gebotenen richterlichen Distanz erkennen lässt“.[/b] Die vom BGH gewählte Formulierung steht synonym für [b]tatsächlich vorliegende Befangenheit[/b] – nicht etwa nur für die bloße Besorgnis derer!
Bereits am 17.04.2025 traf @Lento des Pudels Kern:
[spoiler2=Spoiler – hier klicken!]
[quote=andi55 post_id=293332 time=1744889567 user_id=9302]
Beschluß des BGH Seite 8, Rdnr 14 -unaufgeforderte Stellungnahme der Richterin. Hätte sie doch nur geschwiegen. …
[/quote]
[quote=Lento post_id=293354 time=1744899042 user_id=10955]
genau, das hat sichtlich den BGH auf die Palme gebracht, da wurde der BGH in seinem Beschluss sehr deutlich. Erst so einen Bockmist bauen und dann noch der Manipulationsversuch … Schlimmer gehts nimmer. …
[/quote]
[/spoiler2]
Nunmehr mag einigen die Entscheidung des BGH vielleicht in einem helleren Licht erscheinen. Jenen sei die nochmalige Lektüre empfohlen.
Der BGH-Beschluss vom 01.04.2025 im Volltext:
[size=85]https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/bgh_notp/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2025&Sort=3&nr=89662&anz=588&pos=7[/size]
… oder hier (mit Hervorhebungen und farbigen Anmerkungen wie oben, mit Randnummern, Rechtsnormen verlinkt):
[spoiler2=Spoiler – hier klicken!]
[quote]
[size=115][b]Bundesgerichtshof[/b][/size]
[size=115][b]Beschluss[/b][/size]
1 StR 434/24
vom 1. April 2025
in der Strafsache gegen …
wegen Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 1. April 2025 gemäß § [url=https://dejure.org/gesetze/StPO/349.html]349[/url] Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 19. März 2024 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
[u]Gründe:[/u]
[1] Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer „Einheitsjugendstrafe“ von neun Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg (§ [url=https://dejure.org/gesetze/StPO/349.html]349[/url] Abs. 4 StPO).
[2] Diese Beanstandung hat die rechtsfehlerhafte Zurückweisung eines gegen die Vorsitzende der erkennenden Strafkammer gerichteten Ablehnungsantrags des Angeklagten zum Gegenstand (§ [url=https://dejure.org/gesetze/StPO/338.html]338[/url] Nr. 3 Alternative 2, § [url=https://dejure.org/gesetze/StPO/24.html]24[/url] Abs. 2, § [url=https://dejure.org/gesetze/StPO/27.html]27[/url] Abs. 1, § [url=https://dejure.org/gesetze/StPO/28.html]28[/url] Abs. 2 Satz 2 StPO).
[color=#00BFBF]► [u]Rdnr. 1–8 (insbes. ab Rdnr. 3)[/u]
Zunächst stellt der BGH den [b]Sachverhalt[/b] fest: Was ist passiert?[/color]
[3] a) Ihr liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
[4] Mit Anklage vom 28. April 2023 warf die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vor, am 3. Oktober 2022 gegen 2.30 Uhr die Geschädigte Hanna W. auf ihrem Heimweg von einem Diskothekenbesuch in der Kampenwandstraße [richtig: Schlossbergstraße] in Aschau im Chiemgau mit Tötungsvorsatz und aus sexuellen Motiven von hinten angegriffen, zu Boden gebracht, wuchtig auf ihrem Schulterbereich gekniet und mit einem stumpfen Gegenstand mindestens fünfmal gegen ihren Kopf geschlagen zu haben. Anschließend habe er die bewusstlos gewordene Geschädigte zur Verhinderung der Tatentdeckung in den reißenden und in die Prien mündenden Bärbach geworfen, wo sie nach vier bis fünf Minuten ertrunken sei. Der Angeklagte habe daher einen Mord aus Heimtücke begangen.
[5] Im Hauptverhandlungstermin am 22. Dezember 2023 regte die Vorsitzende der Jugendkammer nach weit fortgeschrittener Beweisaufnahme an, die Verfahrensbeteiligten könnten auf das Erteilen von Hinweisen nach § [url=https://dejure.org/gesetze/StPO/265.html]265[/url] StPO hinwirken. Am 3. Januar 2024 schrieb ihr der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft per E-Mail:
„Der Kollege J. und ich [F.] sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir in unserem Plädoyer den gleichen Sachverhalt wie ihr zugrunde legen. […] Wenn man bei dem ersten Akt nur einen Körperverletzungsvorsatz annimmt (was naheliegend ist, da seine Ziele noch andere waren), dann müsste man unserer Ansicht nach die Verdeckungsabsicht bei der anschließenden Tötung annehmen. […] Wir haben überlegt, ob wir alternativ – wenn schon beim ersten Akt Tötungsvorsatz angenommen wird – auf Heimtückemord plädieren.“
[6] Der Sitzungsvertreter erläuterte diese zitierten Auszüge aus seiner E-Mail damit, der Angeklagte, der sich Tage zuvor „Pornos“ angeschaut habe, sei zur Diskothek „Eiskeller“ gelaufen, um leicht bekleidete Frauen zu sehen. Er sei dann zufällig Hanna W. begegnet und habe sie „aus sexuellem Interesse“ angegriffen, misshandelt, um ihren Widerstand zur Begehung von sexuellen Handlungen zu überwinden, sowie ihr schließlich mit einem stumpfen Gegenstand mehrfach gegen den Kopf geschlagen. Als er erkannt habe, was er angerichtet habe, habe er „das Opfer ‚entsorgen‘“ müssen. Die Vorsitzende antwortete 30 Minuten später:
„[…] ich denke, dass die Aussage des [Adrian] M. zum Tötungsvorsatz ganz wichtig ist. Der Angeklagte sagte, er habe sie bewusstlos geschlagen, damit sie sich nicht wehren kann, und er habe sie nicht töten wollen […] damit gefährliche Körperverletzung in Tatmehrheit mit Mord (Verdeckungsabsicht evtl. mit dolus eventualis) […]“
[7] Beim Zeugen [Adrian] M. handelte es sich um einen Mithäftling in der Justizvollzugsanstalt, dem gegenüber der Angeklagte während des Vollzugs der Untersuchungshaft Einzelheiten der Tat, mithin „Täterwissen“, offenbart haben soll. Ein Ausdruck der vorgenannten und weiterer E-Mails, in denen sich der Staatsanwalt und die Vorsitzende auch über weitere geplanten Ermittlungen austauschten, gelangte zum Sonderheft „Nachermittlungen II“, in welches in der Folgezeit DNA-Spurengutachten hinzugefügt wurden. Zur Hauptakte nahm die Vorsitzende die E-Mails hingegen nicht. Am 4. Januar 2024 erteilte sie in der Hauptverhandlung den Hinweis, der Angeklagte könne wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § [url=https://dejure.org/gesetze/StGB/224.html]224[/url] Abs. 1 Nrn. 2 und 3 StGB in Tatmehrheit oder Tateinheit mit Mord in Verdeckungsabsicht oder mit Totschlag verurteilt werden. Dabei erwähnte die Vorsitzende die E-Mails nicht, von denen auch die anderen Kammermitglieder bis zum Befangenheitsantrag keine Kenntnis hatten.
[8] Erst nach dem Fortsetzungstermin vom 15. Februar 2024, einem Donnerstag, nahm die Verteidigerin des Angeklagten Einsicht in das Sonderheft, indem sie über das Wochenende die vom Büro des Mitverteidigers eingescannte Akte durcharbeitete; dabei stieß sie auf die E-Mails. Im Anschluss an ein mit dem Angeklagten am 19. Februar 2024 geführtes Telefonat lehnte sie noch an demselben Tag die drei Berufsrichter wegen der Besorgnis der Befangenheit mit der Begründung ab, das Gericht habe sich mit der Staatsanwaltschaft über den zugrunde zu legenden Sachverhalt abgesprochen. Am 27. Februar 2024 wies die Strafkammer ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter den Befangenheitsantrag als unbegründet zurück. Zur Befangenheitsrüge gab die Vorsitzende am 11. August 2024 unaufgefordert vor Übersendung der Verfahrensakten zur Durchführung des Revisionsverfahrens vor dem Senat eine mehrseitige Stellungnahme ab.
[color=#00BFBF]► [u]Rdnr. 9[/u]
Der nachfolgenden Begründung vorangestellt wird der [b]Tenor der Entscheidung[/b] mitsamt seiner Rechtsgrundlage (sog. Urteilsstil).[/color]
[9] b) Die Verfahrensrüge dringt durch, da das – unverzüglich angebrachte (§ [url=https://dejure.org/gesetze/StPO/25.html]25[/url] Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO; dazu zuletzt BGH, Beschluss vom 18. Februar 2025 – 1 StR 543/24 unter 1. mwN) – Ablehnungsgesuch „mit Unrecht verworfen worden ist“ (§ [url=https://dejure.org/gesetze/StPO/338.html]338[/url] Nr. 3 Alternative 2 StPO). [b]Das Verfahrensgeschehen ist vielmehr geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Vorsitzenden zu rechtfertigen[/b] (§ [url=https://dejure.org/gesetze/StPO/24.html]24[/url] Abs. 2 StPO). Sie durfte daher am Urteil nicht mitwirken. [b]Dies hat das Revisionsgericht nach Beschwerdegrundsätzen zu prüfen[/b] (st. Rspr.; zuletzt BGH, Urteil vom 25. Oktober 2023 – 2 StR 195/23, BGHSt 68, 74 Rn. 21 mwN).
[color=#00BFBF]► [u]Rdnr. 10–11[/u]
Hier beginnt die eigentliche Begründung. Zuerst wird der Prüfungsmaßstab genannt: die [b]Definition von „Besorgnis der Befangenheit“[/b] (unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BGH).[/color]
[color=#00BFBF][size=85]Anmerkung: Selbst wenn ein Richter am Stammtisch lange vor der Verurteilung bewiesenermaßen von „der Giftspritze für den Angeklagten“ gefaselt hätte (und deswegen eine Befangenheit unzweifelhaft und tatsächlich vorläge!), ist rechtlich allein das weniger schwerwiegende Tatbestandsmerkmal der „Besorgnis der Befangenheit“ entscheidungserheblich (§ [url=https://dejure.org/gesetze/StPO/24.html]24[/url] Abs. 2 StPO).[/size][/color]
[10] aa) [b]Die Besorgnis der Befangenheit eines Richters ist anzunehmen, wenn[/b] der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die die gebotene Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Maßstab für die Beurteilung dieser Voraussetzungen sind dabei der Standpunkt eines besonnenen Angeklagten und die Vorstellungen, die er sich bei der ihm zumutbaren ruhigen Prüfung der Sachlage machen kann (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 14. November 2023 – 4 StR 239/23 Rn. 16 mwN). Ob der Richter tatsächlich befangen gewesen ist, ist nicht maßgebend (BGH, Urteil vom 2. März 2004 – 1 StR 574/03 Rn. 18, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 14; Beschlüsse vom 2. April 2020 – 1 StR 90/20 Rn. 9 und vom 28. Februar 2018 – 2 StR 234/16 Rn. 24).
[11] Einem Richter ist es nicht verwehrt, zwecks Förderung des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten auch außerhalb der Hauptverhandlung Kontakt aufzunehmen. Dabei hat er aber stets die gebotene Zurückhaltung zu wahren, um jeden Anschein der Parteilichkeit zu vermeiden. Ob ein Angeklagter aus der einseitigen Fühlungnahme des Gerichts mit einem anderen Verfahrensbeteiligten außerhalb der Hauptverhandlung eine Besorgnis der Befangenheit ableiten kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, unter anderem davon, ob er Grund zu der Annahme hat, ein solches Gespräch könne sich zu seinen Ungunsten auswirken (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 1 StR 301/07 unter 1.; Urteil vom 5. September 1984 – 2 StR 347/84 Rn. 13; jeweils mwN).
[color=#00BFBF]► [u]Rdnr. 12–13[/u]
Nun folgt die [b]Subsumtion[/b] des [b]Sachverhalts[/b] unter die rechtliche [b]Definition:[/b] Erfüllt das, was passiert ist, die rechtlichen Voraussetzungen einer „Besorgnis der Befangenheit“? Ergebnis: ja.[/color]
[12] bb) [b]Hier folgt eine solche Besorgnis der Befangenheit schon daraus, dass[/b] die Vorsitzende die E-Mails am 4. Januar 2024 bei Erteilung des Hinweises nach § [url=https://dejure.org/gesetze/StPO/265.html]265[/url] Abs. 1 StPO nicht offengelegt hat. Sie hätten bei schwieriger Beweislage, die zur Täterschaft des Angeklagten maßgeblich auf der Würdigung von in privatem Umfeld offenbartem Täterwissen fußt, zum Verständnis des Hinweises beitragen können; sie sind als tatsächliche Grundlage des Hinweises bedeutsam gewesen. So bleibt es aber dabei, dass die Vorsitzende einseitig mit dem Sitzungsvertreter den Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in einer Weise erörtert hat, die an sich der geheimen Kammerberatung vorzubehalten gewesen wäre (vgl. §§ [url=https://dejure.org/gesetze/GVG/192.html]192[/url] ff. GVG, § [url=https://dejure.org/gesetze/StPO/260.html]260[/url] Abs. 1 StPO). Der Übergang vom angeklagten Heimtückemord zum tatmehrheitlichen Geschehen einer gefährlichen Körperverletzung aus sexueller Motivation mit anschließendem Verdeckungsmord, das das Landgericht seiner Verurteilung zugrunde gelegt hat, ist eine der wichtigsten Fragen des Falles gewesen, ebenso die zugehörigen Beweismittel und deren Würdigung. Wenn der Inhalt der Überzeugungsbildung (§ [url=https://dejure.org/gesetze/StPO/261.html]261[/url] StPO) außerhalb der Gerichtsberatung mit einem Verfahrensbeteiligten in einer solchen Tiefe erörtert wird, ist dies regelmäßig sofort oder zumindest zeitnah gegenüber allen anderen Beteiligten offenzulegen. In einem solchen Fall kann sich ein Berufsrichter im Regelfall auch nicht dadurch entlasten, dass er den betreffenden Schriftverkehr oder entsprechende Gesprächsvermerke zur Hauptakte nimmt. Denn es bleibt ungewiss, wann die anderen Verfahrensbeteiligten (erneut) die Hauptakten einsehen. Dass – aus welchem Grund auch immer – hier die E-Mails in einen Sonderordner gelangten, ist in jedem Fall unzureichend. Nach alledem konnte auch für einen besonnenen Angeklagten der Eindruck entstehen, die Vorsitzende habe sich heimlich an ihm vorbei ihre Überzeugung auch durch Austausch von Argumenten allein mit der Staatsanwaltschaft bilden wollen und sich damit ihrer Neutralität begeben.
[13] Darauf, ob die Vorsitzende durch ihre dienstliche Stellungnahme vom 19. Februar 2024 Bedenken ausräumen konnte (§ [url=https://dejure.org/gesetze/StPO/26.html]26[/url] Abs. 3 StPO; vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. Oktober 2012 – 3 StR 208/12 Rn. 19 mwN; Beschluss vom 13. Oktober 2005 – 5 StR 278/05 Rn. 10), sie sei bezüglich der Verurteilung des Angeklagten nicht festgelegt gewesen, sondern ermittle auch entlastende Umstände, kommt es hier nicht an. Denn der maßgebliche Begriff des § [url=https://dejure.org/gesetze/StPO/24.html]24[/url] Abs. 2 StPO ist die „Unparteilichkeit“, dem gegenüber das Festlegen auf eine Verurteilung nur ein – wenngleich gewichtiger – Unterfall ist. Die Bedenken gegen die einseitige Erörterung des Inbegriffs der Hauptverhandlung und damit gegen die gebotene Neutralität hat die Vorsitzende am 19. Februar 2024 vertieft, indem sie ausgeführt hat, weitere Rechtsgespräche mit der Verteidigung seien hinfällig gewesen, weil diese ohnehin auf Freispruch auf der Grundlage eines angenommenen Unfallgeschehens beharren würde. Anfragen zu rechtlichen Hinweisen seien damit in diese Richtung „obsolet“ gewesen.
[color=#00BFBF]► [u]Rdnr. 14[/u]
[u][b]Darüber hinaus[/b][/u] ließ es sich der BGH nicht nehmen, gesondert auf die unaufgeforderte Stellungnahme Aßbichlers vom 11.08.2024 einzugehen, [b]„die ebenfalls ein Fehlen der gebotenen richterlichen Distanz erkennen lässt“.[/b] Die vom BGH gewählte Formulierung steht synonym für [b]tatsächlich vorliegende Befangenheit[/b] – nicht etwa nur für die bloße Besorgnis derer![/color]
[14] [b]Bei der Beurteilung der Besorgnis einer Befangenheit nach Beschwerdegrundsätzen ist die im Revisionsverfahren unaufgefordert abgegebene Stellungnahme der Vorsitzenden miteinzustellen, die ebenfalls ein Fehlen der gebotenen richterlichen Distanz erkennen lässt.[/b] Denn sie hat darin nicht etwa relevante konkrete Verfahrenstatsachen benannt, welche der Beschwerdeführer vorzutragen versäumt hätte (vgl. § [url=https://dejure.org/gesetze/StPO/344.html]344[/url] Abs. 2 Satz 2 StPO). So hat die Vorsitzende mit dem von ihr angeführten Hinweis vom 23. Januar 2024 nicht etwa die Begründung für ihren Hinweis vom 4. Januar 2024 nachgeliefert, sondern allein die lebensgefährdende Behandlung (§ [url=https://dejure.org/gesetze/StGB/224.html]224[/url] Abs. 1 Nr. 5 StGB) als weitere innerhalb des Straftatbestandes der gefährlichen Körperverletzung in Betracht kommende Variante angeführt. Vielmehr hat sie umfangreich dargelegt, wie sie die Befangenheitsrüge einschätzt. Dies entspricht indes nicht dem von § [url=https://dejure.org/gesetze/StPO/347.html]347[/url] Abs. 1 Satz 2, 3 StPO vorgesehenen Ablauf eines Revisionsverfahrens. Danach gibt die Staatsanwaltschaft zu Verfahrensrügen des Angeklagten eine Gegenerklärung ab, wenn anzunehmen ist, dass dadurch die Prüfung der Revisionsbeschwerde erleichtert wird. Damit kann die Staatsanwaltschaft darauf hinwirken, dass dem Revisionsgericht ein vollständiger Vortrag über das relevante Verfahrensgeschehen unterbreitet wird. Freilich bleibt es den Mitgliedern der erkennenden Strafkammer unbenommen, aus ihrer Sicht bedeutsame Verfahrenstatsachen sogleich in der Akte zu vermerken, die dann zur Wahrung des rechtlichen Gehörs des Angeklagten Gegenstand der staatsanwaltschaftlichen Gegenerklärung werden müssen. Es ist aber weder Aufgabe der Staatsanwaltschaft noch des Tatgerichts, die Erfolgsaussichten einer Verfahrensrüge zu würdigen.
Jäger – Leplow – Wimmer – Allgayer – Bär
Vorinstanz:
Landgericht Traunstein, 19.03.2024 – 2 KLs 402 Js 40276/22 jug.
…
[size=85]BGH, Beschluss vom 01.04.2025 (1 StR 434/24)[/size]
[size=85][url]viewtopic.php?p=293346#p293346[/url][/size]
[size=85][url]download/file.php?id=8816[/url][/size]
[size=85]https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=141309&anz=1165&pos=0[/size]
[size=85]https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/bgh_notp/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2025&Sort=3&nr=89662&anz=588&pos=7[/size]
[/quote]
[/spoiler2]
Nach alledem noch von einem Lapsus, einfacher Fahrlässigkeit oder gar nur albern von einer Unachtsamkeit der Vorsitzenden Richterin zu phantasieren, verbietet sich. Der Traunsteiner „Justiz-Hammer“ kassierte aus Karlsruhe die größtmögliche Klatsche!
[size=115][u][b]Verdacht der Rechtsbeugung?[/b][/u][/size]
Möglicherweise erwägt die Verteidigung längst eine Strafanzeige wegen des Verdachts der vorsätzlichen Rechtsbeugung (§ [url=https://dejure.org/gesetze/StGB/339.html]339[/url] StGB) – namentlich vor dem Hintergrund der aus der Befangenheit resultierenden, gravierenden Mängel des Urteils.
Es wäre nicht die erste Strafanzeige dieser Art aus der Feder der Kanzlei [url=https://rechtsanwalt-strafrecht.com/]Schwenn[/url]. Des lieben Friedens willen wartet man aber wohl besser erst einmal die bevorstehende neue Hauptverhandlung und das nächste Urteil ab.
Eine Verurteilung wegen Rechtsbeugung wäre verheerend: Amtsverlust für Richter bzw. StA, Verlust der Pensionsansprüche, Nachversicherung in der maroden gesetzlichen Rentenversicherung. Back to reality.
[size=115][u][b]Gesamtes Urteil von dem Mangel betroffen[/b][/u][/size]
Darüber hinaus anzunehmen, der BGH habe die Feststellungen und die Beweiswürdigung des LG-Urteils aus Traunstein fùr richtig befunden, nur weil er nicht auf die Sachrügen eingegangen war, zeugt von tiefsitzender Verbohrtheit und Ignoranz.
Die letzten Zweifler hätte Thomas Fischers Beitrag in der LTO überzeugen müssen (siehe [url=viewtopic.php?p=294713#p294713]hier[/url]), hinreichend eigene Erkenntniskraft vorausgesetzt. Das aber klappte anscheinend nicht.
Beispiel: Ein Täter verabreicht seinem Opfer gleichzeitig und in jeweils tödlicher Dosis
► Zyankali,
► Arsen,
► Cumarin (Rattengift),
► E 605 und
► ein Ragout giftiger Pilze.
Wenige Augenblicke später ist das Opfer tot. Fragestellung:
► Ist das Opfer tot? Ja.
► Warum? Zyankali.
Alle anderen Gifte spielen keine Rolle, weil Zyankali das am schnellsten wirksame und ein mit Sicherheit tödliches Gift war. Auch ohne Verabreichung der anderen Giftstoffe wäre der Tod durch Zyankali umgehend eingetreten. Die anderen Giftstoffe sind also faktisch irrelevant (und nur von theoretischem Interesse – was jedoch deren tödliche Giftigkeit weder beseitigen noch beschönigen kann).
Ebenso behandelte der BGH die Frage, weshalb das Urteil des LG Traunstein „tot“ (also aufzuheben) ist.
Ein sogenannter [u]absoluter[/u] Revisionsgrund (wie z. B. die „Besorgnis der Befangenheit“, § [url=https://dejure.org/gesetze/StPO/338.html]338[/url] Nr. 3 StPO) ist der höchste Trumpf, der umgehend das gesamte Urteil „zu Tode“ bringt. Weitere Revisionsrügen (also die Sachrügen) zu prüfen und sie als begründet oder unbegründet zu erachten, ist dem Revisionsgericht (hier: dem BGH) zwar nicht verboten, aber entbehrlich.
Vielmehr wird bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes gesetzlich vermutet, dass das aufzuhebende Urteil in Gänze falsch ist und damit „tot“ sein [u]muss[/u].
[size=115][u][b]Neubeginn[/b][/u][/size]
Genau deshalb wurde das [u]gesamte[/u] Traunsteiner Urteil aufgehoben:
► alle Feststellungen zum Sachverhalt,
► die gesamte Beweiswürdigung,
► die rechtliche Würdigung und
► das Strafmaß.
Das gesamte Verfahren steht damit wieder am Anfang und selbstverständlich gilt weiterhin die Unschuldsvermutung. Wer weiß, welche überraschenden Erkenntnisse die neue Beweisaufnahme zu Tage fördern wird – unter der gebotenen Distzanz unbefangener Richter.
Den alten Narrativen einer befangenen Vorsitzenden Richterin, eines übereifrig karrierebewussten (O)StAs und eines zusehends in Erklärungsnot geratenden Nebenklagevertreters weiterhin blind zu folgen, bedeutet, sich selbst zum Opfer der eigenen Einfalt und der nun immerhin enttarnten Vorverurteilung zu machen.
Mit einer kleinen Einschränkung bringt es der erfahrene Strafverteidiger Johann Schwenn auf den Punkt:
[quote]
Hauptursache für Fehlurteile ist die überstürzte und unkritische Solidarität mit Personen, die sich selbst als Opfer inszenieren.
[size=85]„Die Zeit“, 02.12.2010[/size]
[size=85]https://rechtsanwalt-strafrecht.com/johann-schwenn/[/size]
[/quote]
Stellvertretend für das tote Opfer wurde die Inszenierung im Fall Hanna von der Polizei (EKHK Diana U.!?), der StA und dem Nebenklageverteter Holderle betrieben, denen eine befangene Vorsitzende und halbseidene Medien kritiklos folgten, die beiden Pflichtverteidiger nicht ganz ausgenommen.
Fanatische Verurteilungsphantasien gehören in den Giftschrank, Verurteilungswahn zum Psychiater. Den Urhebern sollte ein innovatives Freizeitprogramm fürs Wochenende angeboten werden:
„Unschuldig im Knast – hurra!“