von U.s.1 883 » Samstag, 27. Juli 2019, 22:37:05
Themensammlung zum Fall G.M. Straten
Während die meisten prädeliktischen Gewaltvorstellungen auf den Tötungsakt zugeschnitten erscheinen, beinhalten und favorisieren postdeliktische imaginäre Szenarien das Perfektionieren verschiedener Tatphasen und werden gekennzeichnet durch ein höheres Maß an Gewaltanwendung und Grausamkeit (Ressler et al. 1988,33).
Das Element des Seriellen liegt in der biologischen Determiniertheit des Tötungsakts begründet. Ist diese kommunikative Operation ein kontinuierlicher Bestandteil des Lebensszenarios des Täters, über das er sich in der Gesellschaft als «Selbst» orientiert und verortet, so lässt sie sich nur reintegrieren, indem sie erneut vollzogen wird. Um sich als psychisches System zu reproduzieren, benötigt er einen weiteren Körper. Auf diese Art entsteht ein Kreislauf des «Sich»-Wiederholens, der mit jeder Tötung fortgesetzt wird. Tathergang/-merkmale können von Tat zu Tat variieren. Sie markieren nur bedingt eine «Serie». Die Serialität resultiert vielmehr aus dem Aspekt der täterspezifischen Selbstbewerkstelligung. Einerseits bildet er sich über die Tötungen wiederholt ab, andererseits lassen sich die Taten selbst als Ereignisse interpretieren, die aneinander anschließen, aufeinander aufbauen oder in sich geschlossene Lebensepisoden sind. Das Selbstszenario des Täters verändert sich mit jeder Tathandlung bzw. mit jeder «Folge». Es ist eine variable Größe, wobei Klaus Theweleit konstatiert, dass es sich bei diesem Wandel nicht um einen Wachstumsprozess handelt, sondern um eine unmerkliche Verschiebung in der Wiederholung» (Theweleit 1993,341).7 Reflektiert der Täter seine Selbstinszenierung, die er am Körper des Opfers vorgenommen hat (sei es während
7 einem vergleichbaren Prozess), lässt sich das auch bei «Auftragsmorden» und «politischen Attentaten» feststellen, die ebenfalls zu einem konstanten Bestandteil im Leben der Täter werden können.
In der Tat oder mittels visueller Medien, wird er zum Zuschauer seiner eigenen «Serie», die er als «Regisseur», «Autor» und «Akteur» zugleich fortführen und gestalten kann. Die Selbstbeobachtung versetzt ihn in die Lage, mehrere Aspekte seiner selbst zu unterscheiden, zu benennen und untereinander in Beziehung zu setzen. Das kann sich beispielsweise in einer besonderen Arrangierung des Tatablaufs widerspiegeln. Dadurch wird die serielle Tötung zu einem metarefrenzielen Ereignis, das innerhalb einer individuell konstruierten «Lebensdramaturgie» anzusiedeln ist (vgl. Thomas 1999,110). Ein Serienmörder bewerkstelligt sich nicht nur wiederholt über seine Taten, die Serialität wird auch zu einem festen Element seines Operationsmodus. Es lässt sich zum Beispiel nicht ausschließen, dass (einzelne) Tatmerkmale durch den Akt des Wiederholens eine gesteigerte Intensität in der Wahrnehmung des Täters erlangen. Gekoppelt an die semiotischen und biologischen Verfallsprozesse, die multiplen Tötungen immanent sind, mündet die Serialität in eine sich fortlaufend reproduzierende Auflösung von Organismen und Zeichen. Abschließend lässt sich ergänzen, dass der Täter nicht der Einzige ist, der sich über das Moment des Seriellen bewerkstelligt. Externe Beobachter wie Kriminalisten konstituieren sich gleichfalls über Serialität, indem sie versuchen, die an den Leichen (unterlassenen Zeichen (Spuren, Verletzungen etc.) in ihrer Bedeutung zu erschließen und sprachlich an die visuell wahrnehmbare Serie des Täters anzuschließen, um ihr weitere «Episoden» hinzuzufügen. An diese serielle Selbstinszenierung der Ermittler kann der Täter wiederum mit seinen folgenden Tötungen anknüpfen.
Ein weiterer zentraler Aspekt ist die potenzielle Interaktion zwischen Täter und Opfer, die verbal, nonverbal (mimisch, gestisch) und körperlich (durch Einsatz physischer Gewalt) erfolgen kann. Sie bildet den Kern des unmittelbaren Tathergangs und kann durch außenstehende Beobachter oftmals nur rudimentär rekonstruiert werden — auf der Basis von Tatmerkmalen, Zeugenaussagen und Täterbefragungen. Insbesondere sprachliche und nicht-sprachliche Handlungen, die sich weder am Tatort noch am Körper des Opfers manifestieren, lassen sich im Nachhinein kaum nachvollziehen. Für eine solche Analyse fehlt die Perspektive des Opfers. Die Intentionalität sowie der Kommunikation*- und Bewerkstelligungsmodus beider Beteiligter bleiben fragmentarisch* Lediglich die physische Interaktion prägt sich in Form von Unterscheidungen in den Körper des Opfers ein und kann anhand dieser partiell konstruiert werden—vorausgesetzt die Leiche wird entdeckt und in den Kontext eines Tötungsakts überstellt. So gibt das Erkerungsmuster mitunter Aufschluss über die mögliche Handlungsfähigkeit des Opfers oder den physischen Widerstand, den es gegenüber dem Täter geleistet hat (Bzw.: Abwehrverletzungen an den Fingerkuppen).
Das gedankliche Nacherleben der Tat genügt nicht mehr, um Befriedigung und seelische Entspannung zu erfahren — es hat sich verbraucht, die Faszination stumpft ab, der Genuss ist nicht von Dauer, lässt sich nicht länger konservieren (Harbort 1999b, 718). Begünstigt wird der neuerliche Tatentschluss jedoch auch durch die Erfahrung, ungeschoren davongekommen zu sein.
Morden und Verstümmeln sind keine außergewöhnlichen Taten außergewöhnlicher Täter - erst das Deutungsmuster macht sie dazu.
Wenn man sich Bilder von den medizinischen Experimenten der Nazizeit ansieht, die Berichte von Kriegsschauplätzen und Folterkellern überall auf der Welt hört, kommt man unweigerlich zu dem folgenden Ergebnis: Verstümmeln und Töten, Zerstückeln und Ausweiden ist in unserer Zivilisation keineswegs die seltene Ausnahme, sondern ein durchaus weit verbreitetes Handeln. Wenn vielleicht nicht wir alle, aber doch viele von uns, in der Lage wären, ähnliches zu tun, so ergäbe sich aus dieser Beobachtung eine neue Forschungsperspektive: Statt zu fragen: «Welches sind die Motive, so etwas zu tun?», müßten wir fragen: «Welches sind die Motive, es nicht zu tun?»
Ich will damit sagen, dass wir uns erstens möglicherweise irren, wenn wir solche Handlungen als Taten außergewöhnlicher Individuen ansehen. Und dass wir uns zweitens mit Sicherheit irren, wenn wir annehmen, solches Handeln würde immer und überall (das heißt: in jeder Gesellschaft und unter allen Umständen) als moralisch verwerflich angesehen.
Fragen wir allgemeiner nach den sozialen Bedingungen, unter denen Menschen andere Menschen erst töten und dann verstümmeln oder auch erst verstümmeln und dann töten, kommen wir u.a. zu dem Ergebnis, dass es Täter gibt, die dies mit Billigung ihres sozialen Umfeldes oder gar weiter Teile der Gesellschaft tun, andere Täter dagegen Mißbilligung und Abscheu auf sich ziehen. Das Besondere an den sog. Lustmördern ist auf dieser Ebene der Betrachtung lediglich, dass sie unter Umständen, zu Zeitpunkten und mit unterstellten Motiven verstümmeln und töten, die der Gesellschaft nicht genehm sind. Folgerichtig lautete die nächste Frage dann, unter welchen Umständen und bei welchen Motiven Gesellschaften ein solches Handeln bestrafen, wann sie es tolerieren und
wann sie die Täter dafür mit Orden auszeichnen. Und dies gilt nicht nur für die uns hier interessierenden Handlungen, sondern für das Rauben, Vergewaltigen, Töten überhaupt.
Sadismus: Der im Schmerz gefangene Körper
Die in diesem Abschnitt skizzierten Prozesse firmieren in der Regel unter dem Begriff des Sadismus und implizieren kommunikative Operationen, die am lebenden Körper realisiert werden - über Folter (Sofsky 1997, 85-102). Die Möglichkeiten, über die der Täter mit dem Opfer auf physischer und psychischer Ebene interagieren kann, sind nahezu unbegrenzt und lassen sich graduell variieren: Anwendung von Elektroschocks, Injizierung von Säuren, Verletzung und Verstümmelung mittels scharfer oder stumpfer Gegenstände (Bsp,: Schere, Zange, Hammer etc.), Dehydratisierung, Zufügung von Bisswunden, Einführung von scharfen, metallenen Gegenständen in den Genitalbereich (bspw. Messer oder Rohre), Zerstückelung, Verbrennung von Gliedmaßen usw. Der Phantasie sind in dieser Hinsicht keine Grenzen gesetzt. Wie Wolfgang Sofsky anmerkt, lässt sich «jede Stelle des Körpers, jede seiner Haltungen, Bewegungen und Regungen f...] als Angriffspunkt der Quälerei» verwenden (Sofsky 1997, 94).
Bei kommunikativen Akten am lebenden Körper sind die morphologische und die neuronale Ebene involviert. Das zentrale Kommunikationsmedium ist der Schmerz, der im ursprünglichen Sinne als körperlicher Schutzmechanismus fungiert (Sofsky 1997, 74fr.). Über ihn kann sich der Organismus materiell von der Umwelt unterscheiden und sich in ihr orientieren. Im Kontext serieller Tötungen dient er dem Täter als Medium, um mit dem Opfer zu kommunizieren und sich ihm gegenüber zu inszenieren. Durch die Ausübung physischer Gewalt werden im Körper Schmerzimpulse ausgelöst, die sich in der jeweils betroffenen Körperregion lokalisieren. Diese Stellen markieren die Formen im Medium «Schmerz». Durch seine gewalttätigen Handlungen setzt der Täter im Organismus des Opfers einen physiologischen Prozess in Gang, der sich nach außen in optisch oder auditiv wahrnehmbaren Operationen widerspiegelt (z.B. in der Äußerung von sprachlichen Lauten, Reflexbewegungen etc). Schließt der Täter kommunikativ an diese neuronalen Reaktionen oder an die sich morphologisch bildenden Wunden an, werden sie zu Signifikanten, die mit verschiedenen Bedeutungen belegt werden können (Bsp.: Grad des Schmerzes, Emotionen etc.).
So lange das Opfer bei Bewusstsein ist, handelt es sich um eine Interaktion beider Teilnehmen Das verletzte Individuum kann seinerseits als psychisches System an die Handlungen des Täters ankoppeln, wobei sein Operationsradius durch die physische Gewalt und die daraus resultierenden Schmerzempfindungen massiv eingeschränkt ist. Ein solcher kommunikativer Akt kann beispielsweise darin bestehen, die Situation verbal zu entschärfen oder physisch Gegenwehr zu leisten. Auf diese Art kann sich das Opfer vom Täter unterscheiden und ein «Selbst» konstituieren. Um dies zu vermeiden oder zu steuern, greifen viele Täter auf sprachliche und körperliche Kontrollmechanismen zurück (z.B. auf Drohungen, Einschüchterungen, Mittel zur Fixierung des Opfers etc.).
Folter ist limitiert anwendbar. Ihre Häufigkeit und Intensität ist abhängig von unterschiedlichen Rahmenbedingungen wie der Temperatur, der Luftzufuhr und der physischen Konstitution des Opfers. Jeder Gewaltakt am lebenden Organismus impliziert zugleich einen Vorgriff auf ein mögliches Versagen der Lebensfunktionen (Sofsky 1997, 102). Mit jeder zugefügten Verletzung steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Opfer stirbt. Sadismus lasst sich mehrfach interpretieren: Entweder als ein Tötungsakt, der in Sequenzen erfolgt, oder als eine Kette von Handlungen, an die die eigentliche Tötung anschließt. Es können beide Varianten auftreten.
Der Prozess der semiotischen Auflösung wird bereits durch die im vitalen Zustand zugefügten Verletzungen initiiert, die sich als Formen im Medium «Körper» unterscheiden und ausdifferenzieren lassen. Mit Eintritt des Todes kommen die Zeichen der biologischen Dekomposmon hinzu. Beide Zeichenebenen vermischen sich miteinander, so dass sich das am lebenden Organismus bewerkstelligte Selbstkonstrukt des Täters letztlich in der Leiche des Opfers manifestiert. Ob die körperlichen Manipulationen vital oder postmortal entstanden sind, lässt sich später nur noch anhand der rechtsmedizinischen Befunde eruieren.
In Teilen unserer Zivilisation scheint weniger die Handlung des Verstümmelns und Tötens selbst als verwerflich zu gelten, sondern eher der Zeitpunkt, die Umstände, und das Motiv, unter denen sie vorgenommen wird. Was man den sog. Lustmördern aus dieser Sicht moralisch vorwerfen kann, ist eigentlich "nur"; dass sie sich hinsichtlich dieser Handlungsfaktoren getäuscht haben. Und wir als Gesellschaft müssen uns fragen, warum ein unterstelltes sexuelles Motiv die Tat besonders verwerflich erscheinen läßt, aus Helden Verbrecher und aus Totschlag Mord macht.
http://www.tnmultimedia.de/het-forum/vi ... gi#p119132
Und wer- mit Wissen um den Fall Khashoggi- händeschüttelnd weiter Geschäfte mit den Verantwortlichen für diese Hinrichtung macht, können wir ja alle im öffentlichen Raum wahrnehmen.
Wenn man sich Bilder von den medizinischen Experimenten der Nazizeit ansieht, die Berichte von Kriegsschauplätzen und Folterkellern überall auf der Welt hört, kommt man unweigerlich zu dem folgenden Ergebnis: Verstümmeln und Töten, Zerstückeln und Ausweiden ist in unserer Zivilisation keineswegs die seltene Ausnahme, sondern ein durchaus weit verbreitetes Handeln. Wenn vielleicht nicht wir alle, aber doch viele von uns, in der Lage wären, ähnliches zu tun, so ergäbe sich aus dieser Beobachtung eine neue Forschungsperspektive: Statt zu fragen: «Welches sind die Motive, so etwas zu tun?», müßten wir fragen: «Welches sind die Motive, es nicht zu tun?»
Dies ist der Kontext, in dem meines Erachtens die Änderung des Mordparagraphen im Jahre 1941 verständlich wird. Ich hatte bereits erwähnt, dass damals zur Qualifikation des Mordes die niederen Beweggründe eingeführt wurden: Mordlust, Habgier; die Befriedigung des Geschlechtstriebes. Es war damals offensichtlich nötig, die Grenzen zwischen staatlich erwünschtem und unerwünschtem Verstümmeln, Töten und Ausweiden neu zu bestimmen. Im Interesse und Auftrag des Staates wurde mit klarem Bewußtsein und mit Wissen von der "weltgeschichtlichen Größe ihrer Mission“ von SA, SS und Wehrmacht gefoltert und gemordet.
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Während die meisten prädeliktischen Gewaltvorstellungen auf den Tötungsakt zugeschnitten erscheinen, beinhalten und favorisieren postdeliktische imaginäre Szenarien das Perfektionieren verschiedener Tatphasen und werden gekennzeichnet durch ein höheres Maß an Gewaltanwendung und Grausamkeit (Ressler et al. 1988,33).
Das Element des Seriellen liegt in der biologischen Determiniertheit des Tötungsakts begründet. Ist diese kommunikative Operation ein kontinuierlicher Bestandteil des Lebensszenarios des Täters, über das er sich in der Gesellschaft als «Selbst» orientiert und verortet, so lässt sie sich nur reintegrieren, indem sie erneut vollzogen wird. Um sich als psychisches System zu reproduzieren, benötigt er einen weiteren Körper. Auf diese Art entsteht ein Kreislauf des «Sich»-Wiederholens, der mit jeder Tötung fortgesetzt wird. Tathergang/-merkmale können von Tat zu Tat variieren. Sie markieren nur bedingt eine «Serie». Die Serialität resultiert vielmehr aus dem Aspekt der täterspezifischen Selbstbewerkstelligung. Einerseits bildet er sich über die Tötungen wiederholt ab, andererseits lassen sich die Taten selbst als Ereignisse interpretieren, die aneinander anschließen, aufeinander aufbauen oder in sich geschlossene Lebensepisoden sind. Das Selbstszenario des Täters verändert sich mit jeder Tathandlung bzw. mit jeder «Folge». Es ist eine variable Größe, wobei Klaus Theweleit konstatiert, dass es sich bei diesem Wandel nicht um einen Wachstumsprozess handelt, sondern um eine unmerkliche Verschiebung in der Wiederholung» (Theweleit 1993,341).7 Reflektiert der Täter seine Selbstinszenierung, die er am Körper des Opfers vorgenommen hat (sei es während
[size=85]7 einem vergleichbaren Prozess), lässt sich das auch bei «Auftragsmorden» und «politischen Attentaten» feststellen, die ebenfalls zu einem konstanten Bestandteil im Leben der Täter werden können.
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In der Tat oder mittels visueller Medien, wird er zum Zuschauer seiner eigenen «Serie», die er als «Regisseur», «Autor» und «Akteur» zugleich fortführen und gestalten kann. Die Selbstbeobachtung versetzt ihn in die Lage, mehrere Aspekte seiner selbst zu unterscheiden, zu benennen und untereinander in Beziehung zu setzen. Das kann sich beispielsweise in einer besonderen Arrangierung des Tatablaufs widerspiegeln. Dadurch wird die serielle Tötung zu einem metarefrenzielen Ereignis, das innerhalb einer individuell konstruierten «Lebensdramaturgie» anzusiedeln ist (vgl. Thomas 1999,110). Ein Serienmörder bewerkstelligt sich nicht nur wiederholt über seine Taten, die Serialität wird auch zu einem festen Element seines Operationsmodus. Es lässt sich zum Beispiel nicht ausschließen, dass (einzelne) Tatmerkmale durch den Akt des Wiederholens eine gesteigerte Intensität in der Wahrnehmung des Täters erlangen. Gekoppelt an die semiotischen und biologischen Verfallsprozesse, die multiplen Tötungen immanent sind, mündet die Serialität in eine sich fortlaufend reproduzierende Auflösung von Organismen und Zeichen. Abschließend lässt sich ergänzen, dass der Täter nicht der Einzige ist, der sich über das Moment des Seriellen bewerkstelligt. Externe Beobachter wie Kriminalisten konstituieren sich gleichfalls über Serialität, indem sie versuchen, die an den Leichen (unterlassenen Zeichen (Spuren, Verletzungen etc.) in ihrer Bedeutung zu erschließen und sprachlich an die visuell wahrnehmbare Serie des Täters anzuschließen, um ihr weitere «Episoden» hinzuzufügen. An diese serielle Selbstinszenierung der Ermittler kann der Täter wiederum mit seinen folgenden Tötungen anknüpfen.
Ein weiterer zentraler Aspekt ist die potenzielle Interaktion zwischen Täter und Opfer, die verbal, nonverbal (mimisch, gestisch) und körperlich (durch Einsatz physischer Gewalt) erfolgen kann. Sie bildet den Kern des unmittelbaren Tathergangs und kann durch außenstehende Beobachter oftmals nur rudimentär rekonstruiert werden — auf der Basis von Tatmerkmalen, Zeugenaussagen und Täterbefragungen. Insbesondere sprachliche und nicht-sprachliche Handlungen, die sich weder am Tatort noch am Körper des Opfers manifestieren, lassen sich im Nachhinein kaum nachvollziehen. Für eine solche Analyse fehlt die Perspektive des Opfers. Die Intentionalität sowie der Kommunikation*- und Bewerkstelligungsmodus beider Beteiligter bleiben fragmentarisch* Lediglich die physische Interaktion prägt sich in Form von Unterscheidungen in den Körper des Opfers ein und kann anhand dieser partiell konstruiert werden—vorausgesetzt die Leiche wird entdeckt und in den Kontext eines Tötungsakts überstellt. So gibt das Erkerungsmuster mitunter Aufschluss über die mögliche Handlungsfähigkeit des Opfers oder den physischen Widerstand, den es gegenüber dem Täter geleistet hat (Bzw.: Abwehrverletzungen an den Fingerkuppen).
Das gedankliche Nacherleben der Tat genügt nicht mehr, um Befriedigung und seelische Entspannung zu erfahren — es hat sich verbraucht, die Faszination stumpft ab, der Genuss ist nicht von Dauer, lässt sich nicht länger konservieren (Harbort 1999b, 718). Begünstigt wird der neuerliche Tatentschluss jedoch auch durch die Erfahrung, ungeschoren davongekommen zu sein.
Morden und Verstümmeln sind keine außergewöhnlichen Taten außergewöhnlicher Täter - erst das Deutungsmuster macht sie dazu.
Wenn man sich Bilder von den medizinischen Experimenten der Nazizeit ansieht, die Berichte von Kriegsschauplätzen und Folterkellern überall auf der Welt hört, kommt man unweigerlich zu dem folgenden Ergebnis: Verstümmeln und Töten, Zerstückeln und Ausweiden ist in unserer Zivilisation keineswegs die seltene Ausnahme, sondern ein durchaus weit verbreitetes Handeln. Wenn vielleicht nicht wir alle, aber doch viele von uns, in der Lage wären, ähnliches zu tun, so ergäbe sich aus dieser Beobachtung eine neue Forschungsperspektive: Statt zu fragen: «Welches sind die Motive, so etwas zu tun?», müßten wir fragen: «Welches sind die Motive, es nicht zu tun?»
Ich will damit sagen, dass wir uns erstens möglicherweise irren, wenn wir solche Handlungen als Taten außergewöhnlicher Individuen ansehen. Und dass wir uns zweitens mit Sicherheit irren, wenn wir annehmen, solches Handeln würde immer und überall (das heißt: in jeder Gesellschaft und unter allen Umständen) als moralisch verwerflich angesehen.
Fragen wir allgemeiner nach den sozialen Bedingungen, unter denen Menschen andere Menschen erst töten und dann verstümmeln oder auch erst verstümmeln und dann töten, kommen wir u.a. zu dem Ergebnis, dass es Täter gibt, die dies mit Billigung ihres sozialen Umfeldes oder gar weiter Teile der Gesellschaft tun, andere Täter dagegen Mißbilligung und Abscheu auf sich ziehen. Das Besondere an den sog. Lustmördern ist auf dieser Ebene der Betrachtung lediglich, dass sie unter Umständen, zu Zeitpunkten und mit unterstellten Motiven verstümmeln und töten, die der Gesellschaft nicht genehm sind. Folgerichtig lautete die nächste Frage dann, unter welchen Umständen und bei welchen Motiven Gesellschaften ein solches Handeln bestrafen, wann sie es tolerieren und
wann sie die Täter dafür mit Orden auszeichnen. Und dies gilt nicht nur für die uns hier interessierenden Handlungen, sondern für das Rauben, Vergewaltigen, Töten überhaupt.
Sadismus: Der im Schmerz gefangene Körper
Die in diesem Abschnitt skizzierten Prozesse firmieren in der Regel unter dem Begriff des Sadismus und implizieren kommunikative Operationen, die am lebenden Körper realisiert werden - über Folter (Sofsky 1997, 85-102). Die Möglichkeiten, über die der Täter mit dem Opfer auf physischer und psychischer Ebene interagieren kann, sind nahezu unbegrenzt und lassen sich graduell variieren: Anwendung von Elektroschocks, Injizierung von Säuren, Verletzung und Verstümmelung mittels scharfer oder stumpfer Gegenstände (Bsp,: Schere, Zange, Hammer etc.), Dehydratisierung, Zufügung von Bisswunden, Einführung von scharfen, metallenen Gegenständen in den Genitalbereich (bspw. Messer oder Rohre), Zerstückelung, Verbrennung von Gliedmaßen usw. Der Phantasie sind in dieser Hinsicht keine Grenzen gesetzt. Wie Wolfgang Sofsky anmerkt, lässt sich «jede Stelle des Körpers, jede seiner Haltungen, Bewegungen und Regungen f...] als Angriffspunkt der Quälerei» verwenden (Sofsky 1997, 94).
Bei kommunikativen Akten am lebenden Körper sind die morphologische und die neuronale Ebene involviert. Das zentrale Kommunikationsmedium ist der Schmerz, der im ursprünglichen Sinne als körperlicher Schutzmechanismus fungiert (Sofsky 1997, 74fr.). Über ihn kann sich der Organismus materiell von der Umwelt unterscheiden und sich in ihr orientieren. Im Kontext serieller Tötungen dient er dem Täter als Medium, um mit dem Opfer zu kommunizieren und sich ihm gegenüber zu inszenieren. Durch die Ausübung physischer Gewalt werden im Körper Schmerzimpulse ausgelöst, die sich in der jeweils betroffenen Körperregion lokalisieren. Diese Stellen markieren die Formen im Medium «Schmerz». Durch seine gewalttätigen Handlungen setzt der Täter im Organismus des Opfers einen physiologischen Prozess in Gang, der sich nach außen in optisch oder auditiv wahrnehmbaren Operationen widerspiegelt (z.B. in der Äußerung von sprachlichen Lauten, Reflexbewegungen etc). Schließt der Täter kommunikativ an diese neuronalen Reaktionen oder an die sich morphologisch bildenden Wunden an, werden sie zu Signifikanten, die mit verschiedenen Bedeutungen belegt werden können (Bsp.: Grad des Schmerzes, Emotionen etc.).
So lange das Opfer bei Bewusstsein ist, handelt es sich um eine Interaktion beider Teilnehmen Das verletzte Individuum kann seinerseits als psychisches System an die Handlungen des Täters ankoppeln, wobei sein Operationsradius durch die physische Gewalt und die daraus resultierenden Schmerzempfindungen massiv eingeschränkt ist. Ein solcher kommunikativer Akt kann beispielsweise darin bestehen, die Situation verbal zu entschärfen oder physisch Gegenwehr zu leisten. Auf diese Art kann sich das Opfer vom Täter unterscheiden und ein «Selbst» konstituieren. Um dies zu vermeiden oder zu steuern, greifen viele Täter auf sprachliche und körperliche Kontrollmechanismen zurück (z.B. auf Drohungen, Einschüchterungen, Mittel zur Fixierung des Opfers etc.).
Folter ist limitiert anwendbar. Ihre Häufigkeit und Intensität ist abhängig von unterschiedlichen Rahmenbedingungen wie der Temperatur, der Luftzufuhr und der physischen Konstitution des Opfers. Jeder Gewaltakt am lebenden Organismus impliziert zugleich einen Vorgriff auf ein mögliches Versagen der Lebensfunktionen (Sofsky 1997, 102). Mit jeder zugefügten Verletzung steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Opfer stirbt. Sadismus lasst sich mehrfach interpretieren: Entweder als ein Tötungsakt, der in Sequenzen erfolgt, oder als eine Kette von Handlungen, an die die eigentliche Tötung anschließt. Es können beide Varianten auftreten.
Der Prozess der semiotischen Auflösung wird bereits durch die im vitalen Zustand zugefügten Verletzungen initiiert, die sich als Formen im Medium «Körper» unterscheiden und ausdifferenzieren lassen. Mit Eintritt des Todes kommen die Zeichen der biologischen Dekomposmon hinzu. Beide Zeichenebenen vermischen sich miteinander, so dass sich das am lebenden Organismus bewerkstelligte Selbstkonstrukt des Täters letztlich in der Leiche des Opfers manifestiert. Ob die körperlichen Manipulationen vital oder postmortal entstanden sind, lässt sich später nur noch anhand der rechtsmedizinischen Befunde eruieren.
In Teilen unserer Zivilisation scheint weniger die Handlung des Verstümmelns und Tötens selbst als verwerflich zu gelten, sondern eher der Zeitpunkt, die Umstände, und das Motiv, unter denen sie vorgenommen wird. Was man den sog. Lustmördern aus dieser Sicht moralisch vorwerfen kann, ist eigentlich "nur"; dass sie sich hinsichtlich dieser Handlungsfaktoren getäuscht haben. Und wir als Gesellschaft müssen uns fragen, warum ein unterstelltes sexuelles Motiv die Tat besonders verwerflich erscheinen läßt, aus Helden Verbrecher und aus Totschlag Mord macht.
http://www.tnmultimedia.de/het-forum/viewtopic.php?f=54&t=278&p=119132&hilit=Khashoggi#p119132
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Wenn man sich Bilder von den medizinischen Experimenten der Nazizeit ansieht, die Berichte von Kriegsschauplätzen und Folterkellern überall auf der Welt hört, kommt man unweigerlich zu dem folgenden Ergebnis: Verstümmeln und Töten, Zerstückeln und Ausweiden ist in unserer Zivilisation keineswegs die seltene Ausnahme, sondern ein durchaus weit verbreitetes Handeln. Wenn vielleicht nicht wir alle, aber doch viele von uns, in der Lage wären, ähnliches zu tun, so ergäbe sich aus dieser Beobachtung eine neue Forschungsperspektive: Statt zu fragen: «Welches sind die Motive, so etwas zu tun?», müßten wir fragen: «Welches sind die Motive, es nicht zu tun?»
Dies ist der Kontext, in dem meines Erachtens die Änderung des Mordparagraphen im Jahre 1941 verständlich wird. Ich hatte bereits erwähnt, dass damals zur Qualifikation des Mordes die niederen Beweggründe eingeführt wurden: Mordlust, Habgier; die Befriedigung des Geschlechtstriebes. Es war damals offensichtlich nötig, die Grenzen zwischen staatlich erwünschtem und unerwünschtem Verstümmeln, Töten und Ausweiden neu zu bestimmen. Im Interesse und Auftrag des Staates wurde mit klarem Bewußtsein und mit Wissen von der "weltgeschichtlichen Größe ihrer Mission“ von SA, SS und Wehrmacht gefoltert und gemordet.